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SCHWEINFURT
Schattendasein der Druckgraphik
Druckgraphik „Maske – Gerippe“, 1996, gefertigt mit Strichätzung, Kaltnadel und Roulette
Foto: VG Bild-Kunst | Druckgraphik „Maske – Gerippe“, 1996, gefertigt mit Strichätzung, Kaltnadel und Roulette
Bearbeitet von Kirsten Mittelsteiner
 |  aktualisiert: 27.04.2023 10:59 Uhr

Die Radierkunst ist ein herausragender Bestandteil in Volker Stelzmanns OEuvre und in der Kunsthalle derzeit in wohl noch nie dagewesener Zahl als Teil der „Stadt – Werkstatt“-Ausstellung in der Galerie im Quadrat zu sehen. Allgemein betrachtet führt die Gattung im Ausstellungs- und Galeriewesen jedoch beinahe ein Schattendasein neben ihrer vermeintlich spektakuläreren Schwester, der Malerei – Kupferstichkabinette und ähnliche Institutionen ausgenommen. Doch woran liegt diese Entwicklung?

Sicher ist sie eine eher zeitgenössische Tendenz, erfüllte die Druckgraphik doch in vergangenen Jahrhunderten die Funktion der leichten Verbreitbarkeit von Kunst- und Informationsgut, bevor sie große Meister von Albrecht Dürer bis Rembrandt zur eigenständigen Kunstform perfektionierten. In der heutigen Welt der unendlichen Replizierbarkeit von Abbildungen scheint da doch zunächst das individuelle Unikat reizvoller.

Riesige, serielle Auflagen, wie sie etwa der berühmte Andy Warhol in seiner programmatisch betitelten „Factory“ fertigen ließ, machten Druckgraphik zudem zu einer preiswerten Kunst für jedermann. Während dies beim Amerikaner Kalkül und politische oder gesellschaftliche Einstellung ist, zog die „Entwertung“ der Druckgraphik natürlich auch negative Folgen mit sich: Siebdrucke etwa lassen sich vergleichsweise leicht vervielfältigen; feine Radierungen, wie die Stelzmanns, sind allerdings mit immensem Arbeitsaufwand verbunden, sind in bester Qualität nur in kleinen Auflagen möglich, erzielen aber auf dem Markt oft kaum adäquate Preise.

Dies sind sicher nur einige oberflächliche Gründe, die die Druckkunst mit all ihren Finessen den aufmerksamen Betrachtern gegenüber sicher aufwiegen kann. Neben den stark symbolisch geladenen Inhalten fasziniert allein schon die technische Umsetzung, die gleichzeitig den Schaffensprozess der Blätter offenlegt. Feine, zeichnungsähnliche Züge der Strichätzung treffen auf die ausbrechenden Linien, die die Kaltnadel in der Druckplatte verursacht. Die flächigen Möglichkeiten der Aquatinta ergänzen malerische Elemente, wobei jede Untertechnik der Radierung eigene Werkzeuge, Plattengrundierungen und langwierig erprobte Ätzvorgänge benötigt. Volker Stelzmann kombiniert sie, entgegen ihres Aufwandes, jedoch geradezu leichthändig nach Bedarf.

Auch die Monochromie der Radierungen ist der Malerei gegenüber kein Rückschritt. Im Gegenteil: Noch viel akzentuierter kann Stelzmann hier Lichtstimmungen erzeugen und mit den Atmosphären spielen. Bewusst fällt selbst schon die Entscheidung, ob sich ein Schatten schraffiert oder doch flächig schwarz über die Szenerie zieht. Dabei hilft ihm auch sein Studium Alter Meister sowie seine solide Ausbildung an der Hochschule für Grafik und Buchgestaltung Leipzig, wo sich in der ehemaligen DDR ein Zentrum hochkarätiger Druckgraphiker entwickelte.

Rainer Behrends, Leipziger Kunsthistoriker und seit den frühen Jahren freundschaftlicher Unterstützer Stelzmanns, weiß aus den Jahren der druckgraphischen Blüte in der ehemaligen DDR zu berichten: „Die umfangreiche Produktion Stelzmanns in den Leipziger Jahren ist sicher auch der Tatsache geschuldet, dass ihm hier eine überaus leistungsfähige Druckwerkstatt mit einem äußerst kompetenten Grafikdrucker zur Verfügung stand. Die Leipziger Hochschule führte bis 1990 nicht allein Spezialwerkstätten für Hoch-, Tief- und Flachdruck mit jeweils einem spezialisierten Drucker. Die Werkstätten standen zudem unter einer künstlerischen Leitung, die bedeutende Meister ihres Faches innehatten.“ Die Leipziger Grafikbörse, die mittlerweile im zweijährigen Rhythmus stattfindet, lässt dies Tradition fortleben und ist gleichzeitig eine der ältesten ihrer Art.

Mit ihren Feinheiten und komplexen Inhalten fordern Volker Stelzmanns Radierungen letztlich genaues Hinsehen und ein tiefes geistiges Durchdringen. Demgegenüber offen, verliert das Klischee der „Massenware“ für die Druckgraphik dank Virtuosen wie Stelzmann direkt jeglichen Halt. Dafür wecken die Blätter im Gegenzug die Begeisterung für eine längst klassische Technik wieder, die in monografischen Ausstellungen genau diese gesteigerte Beachtung verdient.

Volker Stelzmann: Stadt – Werkstatt. Kunsthalle, Große Halle, Galerie im Quadrat sowie Sparkassengalerie. Verlängert bis 30. Mai. Die Ausstellung entstand in Kooperation mit dem Angermuseum Erfurt und Die Galerie in Frankfurt/Main. Der Katalog zur Schau mit 180 Seiten ist für 25 Euro erhältlich. Informationen über die Öffnungszeiten und die Ausstellung sowie mehrere Videos gibt es unter www.kunsthalle-schweinfurt.de

Volker Stelzmann: Selbstbildnis mit Brille und Radiernadel
Foto: VG Bild-Kunst | Volker Stelzmann: Selbstbildnis mit Brille und Radiernadel
 
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