
Commodore C64, der 800er Atari – oder einfach nur die Aufnahmetaste des Kassettenrekorders, die (hoffentlich) gedrückt wurde, wenn der Lieblingshit im Radio gelaufen ist: Das war ungefähr der technische Stand, als der Reporter Schüler war, damals, in den Achtzigern. Was bei Luis und Noah im schallgedämpften Gartenhäuschen steht, ist schon ein echtes Home-Studio mit Bildschirmen, Mikrofon, Lautsprecher-Boxen und "MIDI-Interface", einem kleinen schwarzen Kasten, der als Schnittstelle zwischen Zusatzgeräten und Computer dient. "TyLo Records" nennt sich das Musikprojekt der 15 Jahre jungen Celtis-Schüler, das derzeit noch ein reines Hobby ist, in der Freizeit. Auf YouTube gibt es die erste fertig abgemischte Produktion von Noah Ziegler und Luis Krinner zu bestaunen, im discotauglichen Future-House-Stil. Hintergrundbild des Videos ist das futuristische Dachnetz des "Great Court" im British Museum London: Erlaubt ist, was gefällt.
Das Ganze nennt sich "Courage" und ist ein Motivationssong, rund um die anfeuernde Rede eines US-Predigers, ein Fund aus dem Internet: "Es braucht Mut, um erfolgreich zu sein, es braucht Mut, um zu gewinnen", hämmert der Charismariker seinem schwarzen Publikum ein. Von der trommelnden Stakkato-Stimme des Geistlichen haben sich die Neuntklässler von "TyLo Records" zu einem eigenständigen Werk anregen lassen, ihren eigenen Sound und noch ein bisschen Seele drübergelegt.
Das Kürzel "TyLo" steht dabei für "Tyger", nach dem Spitznamen von Noah, Tiger Woods ("unsere Familie ist golfverrückt"). Der Anfang des Namens Luis wurde ebenfalls eingebaut: "Lo hat uns dann besser gefallen." Immerhin rund 750 Aufrufe hat "Courage" schon gesammelt, und zwanzig Likes, ohne kommerziellen Hintergedanken: als Mutmachlied fürs digitale Zeitalter, das Jugendlichen eine fast schon inflationär große Bühne bietet, Stichwort "Social Media". Um die harte Währung Aufmerksamkeit muss man in der weiten Welt der Klicks und Clips allerdings ebenso kämpfen wie ein afroamerikanischer Fernsehpfarrer um den Erfolg seiner Schäfchen.

DAW, "Digital Audio Workstation", nennt sich die Werkbank der Schüler. Das dazugehörige Computerprogramm bietet eine ganze Liste von Tricks an, um eine akustische Vorlage nach eigenen Vorstellungen aufzupeppen: "Man hat unglaubliche Möglichkeiten." Besonders beliebt ist die Auf- und Ab-Funktion für den Rhythmus, der gibt einem Werk sofort Struktur. Drums, Bass, Beats, ein Compressor (Verdichter) und jede Menge andere Effekte können zugeschalten werden, oder ein echtes Keyboard: "Die möglichen Spuren gehen heute bis unendlich", sagt Luis. "Courage" bringt es immerhin auf 40 Tonspuren. Im Celtis-Gymnasium haben beide, nicht überraschend, den musikalischen Zweig belegt und spielen Gitarre, seit neuestem auch Klavier. In der Musikschule wird ebenfalls geübt, bei bekannten Schweinfurter Künstlern wie Jose Zambrano, Johannes Wagner und Canan Semel. Die Lehrer fänden die Experimente ihrer Schüler gut, sagen die beiden.
"Es macht Spaß", meint Noah zur Sucht nach dem Klick, auf den gleich wieder der nächste Klick folgt. "Für uns ist es ein Ausgleich, nach der Schule." Angefangen hat es in der sechsten Klasse, als mit dem Apple-Computer "GarageBand" ins Haus kam, ein Musikmach-Programm für Einsteiger. Das eigene Home-Studio sei derzeit schon ein bisschen Mode unter Jugendlichen, sagt Noah. "TyLo Records" soll entsprechend auch Inspirationsquelle für Altersgenossen sein.
An diesem Tag hat das Duo spontan ein paar Audioschnipsel mit der Stimme einer Sängerin bearbeitet. Nun wird diskutiert, ob die etwas basslastige Eigenkreation passt. So ganz verständlich ist der englische Text nicht: "Es ist egal, was da gesungen wird." Irgendwie habe man halt sofort eine Idee im Kopf für eine Melodie. Mögen Unplugged-Puristen in Pub und Kneipe auch die Nase rümpfen über digitale Takte frisch vom Display, elektronische Musik ist hörbar eine Kunst für sich, für die es Fingerspitzengefühl braucht, auf der Tastatur. Dieter Bohlen war gestern. Eines der Vorbilder ist David Jürgens, Komponist und Produzent der EM-Hymne "80 Millionen". Ein neues Werk ist ebenfalls schon auf dem Radar: rund um die vielleicht berühmteste aller Motivations-Reden, John F. Kennedys "Ich bin ein Berliner".