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Schweinfurt
Schaeffler: Norbert Lenhard geht in Ruhestand
Der langjährige Vorsitzende des Schaeffler-Gesamtbetriebsrats macht nach 44 Jahren im Betrieb Schluss. Er stellt fest: "Schweinfurt fährt mit Schaeffler gut".
Der langjährige Vorsitzende des Schaeffler-Gesamtbetriebsrats, Norbert Lenhard, geht in Ruhestand.
Foto: Karl-Heinz Körblein | Der langjährige Vorsitzende des Schaeffler-Gesamtbetriebsrats, Norbert Lenhard, geht in Ruhestand.
Karl-Heinz Körblein
Karl-Heinz Körblein
 |  aktualisiert: 08.02.2024 16:22 Uhr

44 Jahre im Betrieb, 44 Jahre in der IG Metall, 33 Jahre Betriebsrat, 18 Jahre Vorsitzender. Und jetzt geht er in den Ruhestand.  Für Norbert Lenhard ist Schaeffler ein Stück Lebensgeschichte. Das Unternehmen hat ihn ein gutes Stück mitgeprägt, aber man kann mit Fug und Recht sagen, er hat ihm ein Stück weit auch seinen Stempel mit aufgedrückt.

Es begann 1976 mit der Ausbildung zum Maschinenschlosser. Damals beim Kufi, bei FAG Kugelfischer. Zwei Jahre später war er Jugendvertreter, nach dem Zivildienst einer der Vertrauensmänner der IG Metall. Geprägt von den politisch eher unruhigen 1970er-Jahren mischten Norbert Lenhard und seine Altersgenossen die Betriebsräte kräftig durcheinander. So richtig einverstanden war man mit der Arbeit der damals starken Leute um den leutseligen Erwin Saal nicht, die in dem patriarchisch geführten Unternehmen des "Papa Schäfer" mit den Chefs auf Harmonie setzten. Heute sieht das Lenhard ein Stück gelassener: "Es wurde erreicht, was die Mitarbeiter wollten, Erwin Saal war ein Ausdruck seiner Zeit."

Als sich 1992 Kugelfischer durch die Übernahme der ostdeutschen Wälzlagerunternehmen kräftig verhob und kurz vor dem Aus stand, sei es deutlich geworden, dass sich Betriebsräte stärker mit wirtschaftlichen Zusammenhängen befassen müssen, sagt Lenhard. Weil kein Geld für neue Maschinen da gewesen sei, habe man sich um die Organisation von Arbeit gekümmert. Mit der Gruppenarbeit die Verantwortung der einzelnen Mitarbeiter gestärkt.

Ein Beschäftigungssicherungsvertrag sorgte dafür, dass niemand entlassen und kein Standort geschlossen wurde. Seit 1993 hat es im Unternehmen keine betriebsbedingten Kündigungen gegeben. Die Kröte, die die Mitarbeiter schlucken mussten, war 1999 die Einführung der betrieblichen Leiharbeit. Sie stellt allerdings gleiche Arbeit zu gleichem Metalltarif sicher, fördert hohe Qualifikation, lässt die Mitarbeiter flexibler einsetzen, aber auch leichter kündigen.

Übernahmeangebot von Schaeffler

Dann das Jahr 2001. Für Außenstehend aus dem Nichts taucht Schaeffler mit seinem Übernahmeangebot auf. Zu dieser Zeit waren die Verhandlungen mit dem japanischen Mitbewerber NTN bereits weit gediehen. Für Schaeffler hätte dies zur Bedrohung werden können. Während das FAG-Management nach einem "Weißen Ritter" Ausschau hielt, schlossen Betriebsrat und IG Metall mit Jürgen M. Geißinger einen Übernahmevertrag, der die Rechte der Mitarbeiter sicherte.

Die Zusammenarbeit mit dem neuen, sich gerne ruppig gebenden Chef Jürgen M. Geißinger war nicht einfach. "Dem war Mitbestimmung völlig fremd", sagt Lenhard, und erinnert sich an manches "nächtliche Geschrei". Letztlich habe man sich aber gegenseitig akzeptiert.

Schließlich 2008/2009. Der Griff nach Continental. Schaeffler hatte sich verspekuliert, stand völlig überraschend vor dem Aus. Geißinger habe 6000 Beschäftige "rauswerfen" wollen. Maria-Elisabeth Schaeffler trat demütig mit einem roten Schal an die Öffentlichkeit. Rudolf Scharping, der ehemalige SPD-Vorsitzender, wurde zum Vermittler mit den Gewerkschaften.

Das geschah wohl am Management von Schaeffler vorbei. Die IG Metall und die Betriebsräte machten Zugeständnisse, trugen zur Rettung des Unternehmens bei. Sie bekamen eine Erfolgsbeteiligung für die Mitarbeiter und erweiterte Mitbestimmungsmöglichkeiten, auf freiwilliger Basis. Mit dem Übergang in die Rechtsform Aktiengesellschaft erhielten diese Rechtskraft.

Erfahrung aus zahlreichen Auseinandersetzungen

Zu dieser Zeit war Lenhard, der sich an der Akademie für Arbeit an der Universität Frankfurt weitergebildet hatte, bereits Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats von Schaeffler. Das klingt ungewöhnlich, war doch FAG von Schaeffler geschluckt worden. Wie kam es dazu? Lenhard sagt, dass man dies die Betriebsratskollegen im Konzern fragen müsse, verweist aber auf den hohen Organisationsgrad bei FAG und die Erfahrung aus zahlreichen Auseinandersetzungen und Arbeitskämpfen. "Mitbestimmung hat etwas mit Macht zu tun. Ohne starke Gewerkschaften geht das nicht."

Das Verhältnis mit den Gesellschaftern, Maria-Elisabeth Schaeffler und deren Sohn Georg, und zum Vorstandsvorsitzenden Klaus Rosenfeld nennt Lenhard gut. Es gebe viele vertrauensbildende Gespräche. Im "Steuerkreis Zukunftsvereinbarung" führen Management und Betriebsrat einen offenen Austausch. Beim Standortdialog werde monatlich über wirtschaftliche Fragen gesprochen. Es herrsche Offenheit.  "Niemand hat das Gefühl über den Tisch gezogen zu werden."

Wie geht es weiter? "Schweinfurt fährt mit Schaeffler gut." Gerade in der Corona-Krise habe sich die Sparte Industrie, die hier ihren Sitz hat, als Stabilisator erwiesen. "Wir habe lange volle Kanne weitergearbeitet." Lenhard hält Unternehmenszukäufe für nötig, sieht wertvolle Synergien zwischen den Bereichen Automobil und Industrie.

Künstliche Intelligenz, Digitalisierung, Sensorik, der verstärkte Einsatz von Robotern seien Themen, bei denen die Betriebsräte und Gewerkschafter mitwirken wollen. Norbert Lenhard wird sich zukünftig in anderer Weise einbringen.

 
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