Tiefgreifende Veränderungen bei Schaeffler. Das Unternehmen ist jetzt an der Börse notiert und, besonders wichtig für die Stadt, die seit längerer Zeit schwächelnde Sparte Industrie wird neu formiert, hat einen neuen Chef erhalten und wird künftig zentral in Schweinfurt gemanagt.
Größtes bundesweites Aufsehen gab es für den Gang an die Börse. Er fiel jedoch dummerweise mit dem VW-Abgasskandal zusammen. Er verzögerte sich und brachte die Summen ein, die man für die Reduzierung der nach wie vor erheblichen Schulden eingeplant hatte. Statt der 166 Millionen angekündigten Aktien wurden nur 75 Millionen platziert, sodass nicht 2,5 Milliarden, sondern nur 937,5 Millionen Euro als Einnahme verbucht werden konnten. Der Kurs entwickelt sich schon am ersten Börsentag erfreulich, der Ausgabepreis von 12,50 Euro wurde um einen Euro übertroffen. Mitte Dezember lag er bei 16,50 Euro, die Aktie wird im S-Dax notiert. Weitere Platzierungen sind geplant, der Streubesitz soll jedoch auf 25 Prozent beschränkt werden.
Überraschend kam im Frühjahr die Nachricht, dass der langjährige Chef der Sparte Industrie, Robert Schullan, Schaeffler verlässt. Nachfolger wurde Stefan Spindler, der von Bosch-Rexroth kam.
Er kündigte eine Neuausrichtung an. Von Restrukturierung wollte der 53-Jährige gegenüber dieser Zeitung nicht sprechen, obwohl bis zu 500 Arbeitsplätze zur Disposition stehen, wobei es keine Kündigungen geben soll. „Core“ heißt das neue Programm. Der englische Begriff steht für seine Kernelemente und die heißen „verstärktes Wachstum, bessere Marktversorgung und Servicequalität, stärkere Kundenorientierung sowie Kostensenkung und Effizienzsteigerung“.
Dass Schaeffler auf zwei starken Beinen steht, hat sich vor allem in der Automobilkrise 2008/2009 ausgezahlt. Der Automotive-Bereich macht 75 Prozent des Umsatzes aus, 25 Prozent kommen von der Industrie. Das soll so bleiben, wobei die Automobilsparte tendenziell stärker wächst. Das verdeutlichte Spindler an einem Chart. „Die Sparte Industrie hat in den letzten fünf Jahren an Dynamik verloren.“ Obwohl die Zahlen nach wie vor gut seien, sei der negative Trend unverkennbar. Lag die EBIT-Marge 2011 noch bei 17,8 Prozent, fiel sie im vergangenen Jahr auf 9,1 Prozent.
Eines der Ziele von „Core“ ist die Verlagerung von Verantwortung in die regionalen Märkte hinein. Dass Schweinfurt dabei die Zuständigkeit für Gesamteuropa erhält, hatte Vorstandschef Klaus Rosenfeld schon im Frühjahr angekündigt. Künftig werden zudem die Zentralbereiche getrennt, wobei sie für die Industrie hier gebündelt werden.
Aus dem Maßnahmenkatalog griff Spindler einige heraus. Die Verbesserung der Lieferfähigkeit, „ist das Push-Thema der nächsten beiden Jahre“. Dabei spielen auch die zentralen Vertriebszentren eine wichtige Rolle – das in Kitzingen soll 2017 fertiggestellt sein.
Verlorene Marktanteile bei Hoch-Volumen-Produkten will Spindler zurückgewinnen, indem sich die Produktion an sehr erfolgreichen Vorbildern aus dem Automotive-Bereich orientiert.
Wichtig bleiben die kundenorientierten Speziallösungen, die immer stärker nachgefragt werden, alles auf Dauer sehr gut zu machen sei jedoch schwierig.
Und: Eine gute Nachricht gab es zum Jahresende für den Bereich Automotive. Mit der Produktion des elektromechanischen Wankstabilisators wurde begonnen.
Das ist die Kompensation für die weggefallenen Arbeitsplätze im Bereich Radlager.