Der Mann war kurz vor dem Durchdrehen, im totalen Lockdown. Ein Schachbuch rettet den Protagonisten in Stefan Zweigs Schachnovelle, mit geistiger Nahrung, als er von der Gestapo im Hotelzimmer isoliert wird. Paul Knoblach, Landtagsabgeordneter aus Garstadt, hatte den Klassiker dabei für sein Grußwort anlässlich des Jubiläums "75 Jahre Schachclub Bergrheinfeld", das im Schützenhaus gefeiert wurde. 13 Gründerväter haben am 24. April 1947, kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Diktatur, den Club gegründet, im Gasthaus Mainlust: Karl Endres, August Kämmerer, Franz Endres, Eugen Hahn, Andreas Brunner, Franz Geisinger, Hermann Eusemann, Georg Bätz, Albert Stabanow, Fritz Winkler, Robert Bussas, Rudolf Riedel und Hans Weidinger.
Vorsitzender Andreas Reuter hatte zur Begrüßung ein Gedicht zitiert: "Schach dem Lärm in unseren Tagen." Denkanstöße, Achtung vor dem Gegenüber, Konzentration, all das biete der Schachsport. Partien ließen sich auch online spielen, sagt Reuter, wie in der Pandemiezeit: "Aber das soziale Miteinander hat gefehlt."
Von den 90 Mitgliedern sind ein Drittel Jugendliche
Manch Promi wie Arnold Schwarzenegger frönt ebenfalls dem Schach. Darauf verwies Friederike Weippert, als Dritte Bürgermeisterin. Bettina Bärmann fühlte sich an die Politik erinnert: Auch beim Hin und Her auf dem Schachbrett ist Geduld und Ausdauer gefragt, so die Vizelandrätin. Harald Bittner vom Unterfränkischen Schachverband (USV) blickte lobend auf gemeinsame sportliche Jahre zurück, mit einem Verein, der heute 90 Mitglieder zählt, davon ein Drittel Jugendliche: "Die Jugendarbeit ist vorbildlich."
Sängerin Heike Gündisch umrahmte den Ehrenabend schwungvoll, mit Rhythmen von Louis Armstrong, aus dem Musical "Elisabeth", von Lisa Minelli, Helene Fischer und Adele. Spielleiter Frank Drescher übernahm die sportlichen Ehrungen, Kassier Joachim Pfennig blickte in die Vereinschronik. Anfangs war der clevere Club noch misstrauisch beäugt worden von der Militärverwaltung der US-Armee: Ein politischer Ausschuss sollte darüber wachen, dass es zu keiner Unterwanderung durch Ex-Parteimitglieder kam. Bei den großen Duellen im Kalten Krieg wurde Schach tatsächlich oft zu einem Politikum.
Die ersten Schachbretter waren noch aus Karton, die Figuren aus Porzellan. Zug um Zug behauptete man sich bei den Wettkämpfen. Die Geselligkeit kam nie zu kurz. Das Spiellokal wechselte häufiger: Sportheim, Gasthaus "Zum Löwen" oder das Hopfenstübchen waren einige Stationen. Unvergessen ist der Schachraum in der Schule, hoch über den Dächern von Bergrheinfeld. Heute wird im Zehntkeller gespielt.
Rudolf Riedel, Karl Albert, Hans Hollwich, Heinrich Ott, Adam Volk, Franz Diehl, Andre Höhn, Joachim Pfennig – lang ist die Liste der Vorsitzenden. Es gab Zitterpartien und meisterliche Erfolge, bis hinauf zur Ebene der Jugendweltmeisterschaften. Aktuell spielt die erste von drei Mannschaften in der Bezirksliga. Unvergessen sind die Simultanschach-Wettkämpfe mit Großmeister Vlastimil Hort. In den 1980ern hielt der Computer Einzug, zuletzt auch das Internet (www.sc-bergrheinfeld.de).
Ehrungen durch den BLSV und den Verein
Kurt Vogel ist als BLSV-Kreisvorsitzender zwar nur "verhinderter Schachspieler", der überzeugte Leichtathlet übernahm aber gerne die Verbandsehrungen. 45 Jahre beim BLSV sind Jochen Tanneberger und Klaus Edelmann, 50 Jahre Gottlieb Wankerl. Hilmar Kaiser, 45 Jahre dabei, erhielt das rare "Gold mit Brillanten", und, ebenso wie Dieter Höhn, die goldene Nadel des USV. Zusammen mit Klaus Edelmann sind sie nun Ehrenmitglieder im Club, aufgrund langjährigen Engagements in der Vorstandschaft.
Der Verein selbst ehrte Klaus Beutner für 30 Jahre als Revisor, Gottlieb Wankerl (50 Jahre Mitglied), Lothar Koch (40 Jahre Mitglied), Julian Moreth, Werner Zschunke, Rudolf Brembs und Klaus Kaufhold, die 25 Jahre dabei sind. Am 26. Juni wird es im Zehnthof wieder Simultanschach geben, mit dem deutsch-ukrainischen Großmeister Michael Prusikin, ab 13 Uhr.