Straßen haben Brücken. Die Großschifffahrtsstraße Main hat Staustufen, die wie jedes Ingenieurbauwerk zu kontrollieren, zu warten und von Zeit zu Zeit zu sanieren sind. Aktuell steht das für den staugeregelten bayerischen Main zwischen Marktheidenfeld und Bamberg zuständige Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) Schweinfurt vor einer Herkulesarbeit. Die Wehranlagen sind in die Jahre gekommen. Auch das älteste Walzenwehr der Welt (in Schweinfurt zwischen Main und Saumain) muss grundlegend erneuert werden. Ein Wettlauf mit der Zeit hat begonnen.
"Kanalisiert" wurde der Main zwischen Aschaffenburg und Bamberg aufgrund der Rhein-Main-Donauverträge aus dem Jahr 1921. Die Staustufe Viereth ging 1924/25 in Betrieb. Weitere 13 Staustufen zwischen Aschaffenburg und Würzburg folgten bis 1940. Die Stauanlagen von Würzburg bis Limbach wurden von 1950 bis 1963 fertiggestellt. In Schweinfurt war bereits um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ein Vorgänger der heutigen Staustufen entstanden. Der sogenannte Grundablass bei der Cramermühle ist noch erhalten und Bestandteil der heutigen Staustufe Schweinfurt – eine von 27 am bayerischen Main.
Eine Staustufe besteht aus drei Hauptkomponenten (Wehranlage, Großschiffs- und Sportbootschleuse sowie Kraftwerk), die der Laie oft mit dem Wort "Schleuse" zusammenfasst. Eine große Inspektion mit Trockenlegung der Wehre und Schleusen ist alle sechs Jahre angesagt. Alle drei Jahre erfolgt eine Sichtprüfung durch die Ingenieure und Wasserbauer des WSA Schweinfurt.
Die Wehranlagen sind das zentrale Element einer Staustufe, die den Wasserstand auf einem konstanten Niveau in wasserarmen Zeiten halten und so für eine gleichbleibende Fahrrinnentiefe von 290 Zentimeter sorgen. Hat der Main viel Wasser, werden die Verschlüsse angehoben, um die steigenden Abflüsse schadlos abzuleiten. Verbaut sind im Bereich des WSA Schweinfurt zwischen Marktheidenfeld und Bamberg 37 Walzen, ein Grundablass, neun Versenkverschlüsse, vier Fischbauchklappen und zwei feste Streichwehre (in Schweinfurt und Würzburg).
Nicht nur, aber vor allem beim Regulieren der Wasserstände verschleißen mit den Jahren Zahnschienen, Zahnkränze, Zahnräder und Kettenritzel; Bleiche, tragende Stahlelemente und Nieten rosten; auch entstehen Risse in den Seitendichtungen; die Sprödbruchgefährdung beim Stahlbau wie auch bei den Ketten wächst; der Korrosionsschutz ist immer wieder aufzufrischen, und veraltete Elektro- und Maschinentechnik sind zu ersetzen.
- Lesen Sie auch: Das erste Walzenwehr der Welt wird ausgebaut und saniert
Saniert kann nur in der hochwasserfreien Zeit werden, also von Mai bis Oktober. Das Trockenlegen der Wehrverschlüsse erfolgt durch Revisionsverschlüsse (Einbringen von großen Stahlplatten im Ober- und Unterwasser der Wehranlagen). Es kann immer nur ein Wehrfeld trockengelegt werden. Die restlichen Wehrfelder müssen auch im Sommer für steigende Abflüsse zur Verfügung stehen. Die Sanierung erfolgt je nach Dringlichkeit und somit nicht zwangsweise nacheinander an einer Staustufe.
Dass das Trockenlegen der Wehrbaustellen mit "erheblichen Gefahren" verbunden ist, sagt Behördenleiter Heinrich Schoppmann: "Langjährige Erfahrung und eine hohe Qualifikation der Beschäftigten ist eine unabdingbare Voraussetzung für ein unfallfreies Arbeiten am Wasser."
Derzeit und noch auf Jahre hinaus erschweren Altanstriche mit Asbest oder auch mit polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) die Instandsetzung, da beim Entfernen der belasteten Altanstriche die Baustelle komplett einzuhausen (Gerüstbau, Schutz- und Absaugeinrichtungen) ist. Die Kosten für die 2019 durchgeführte Sanierung des ersten Drittels der Wehranlage Garstadt lagen so bei 1,3 Millionen Euro.
Engpässe beim Personal
Auch die Anzahl der Wasserfahrzeuge und der Personalstand begrenzt die jährlichen Einsätze. Kurzfristig werden jedoch alljährlich alle gravierenden Schäden beseitigt, einfache Instandsetzungen (Bauzeit zwei bis vier Monate) durchgeführt, fortlaufend wird in die Elektrotechnik und in den Maschinenbau investiert, Wehrketten werden ausgetauscht, Zahnstangen und Zahnschienen der Walzenwehre ersetzt, und eine Grundinstandsetzung eines kompletten Wehrverschlusses wird (von Mai bis November) durchgeführt. Für heuer hat sich das Schweinfurter Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Arbeiten an den Wehranlagen Rothenfels, Dettelbach, Schweinfurt, Ottendorf, Knetzgau und Limbach vorgenommen: die geschätzten Kosten liegen bei knapp fünf Millionen Euro.
Begonnen hat der Ersatz von Wehrverschlüssen an den 27 Staustufen. Bereits in den Jahren 2015 und 2016 wurde an der Staustufe Würzburg eine neue Fischbauchklappe unter der alten Mainbrücke eingebaut. Am Wehr Viereth laufen die Einbauarbeiten eines neuen Wehrverschlusses (Drucksegment mit Klappe) durch das Wasserstraßeneubauamt in Aschaffenburg. Nach Abschluss des Prototyps "Viereth" (neuer Verschluss im vorhandenen Massivbau) werden in den nächsten Jahrzehnten Schritt für Schritt alle Wehranlagen umgebaut.
Bei der Flut der Aufgaben durch die anstehenden Sanierungen der Altanlagen spricht Heinrich Schoppmann von einer Herkulesaufgabe, die nur im Zusammenspiel von Ingenieuren, Technikern, Wasserbauern, Nautikern und Tauchern des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamts sowie von Fremdfirmen zu bewältigen sei. Und: "Die Personaleinsparungen der letzten zwei Jahrzehnte führen zu erheblichen Engpässen insbesondere im operativen Bereich bei Nautikern, Wasserbauern und Tauchern."