
Viel wurde über Gunter Sachs gesagt und geschrieben in den letzten Wochen. Manch einer bemühte sich fast krampfhaft, Zuschreibungen wie „Playboy“ auf keinen Fall in den Mund zu nehmen und Sachs posthum ausschließlich als den großen Sammler und Liebhaber der Kunst darzustellen. Das war er zweifelsohne, wie die Ausstellung „Die Sammlung Gunter Sachs“ in der Kunsthalle Schweinfurt eindrucksvoll beweist. Aber das war eben nur eine von vielen Facetten seiner Persönlichkeit. Und: Sachs war als Sammler wohl ganz anders, als viele ihn sehen. Er hat Kunst eher nebenbei, ganz spielerisch und mit großem Spaß gesammelt. Als ihm der Hype auf dem Kunstmarkt zu groß wurde, hörte er einfach auf, sie im großen Stil zu kaufen.
Das sagt einer, der es wissen muss: Rolf Sachs, der älteste Sohn. Er hat die Schau mitkonzipiert und war begeistert und berührt von der Präsentation der 165 Werke in dem Gebäude, das sein Urgroßvater, der Industrielle Ernst Sachs, den Schweinfurtern einst als Hallenbad geschenkt hat. Seine überraschende Ankündigung, dass die Sammlung seines 2011 verstorbenen Vaters wohl nie mehr öffentlich zu sehen sein wird, verleiht der Schweinfurter Schau noch mehr Gewicht. Außerdem können hier fast doppelt so viele Werke gezeigt werden wie bei der ersten Präsentation 2012 in der Villa Stuck in München. Die Eröffnung, das sei noch erwähnt, war übrigens das gesellschaftliche Ereignis in Schweinfurt in diesem Jahr.
In der Ausstellung werden zwei ganz unterschiedliche Typen Mensch aufeinandertreffen. Jene Kunstfreunde, die ohne zu googeln die ungegenständlichen Gemälde eines Jean Fautrier erklären können, und die Leser von Promi-Illustrierten, die den Namen Gunter Sachs vor allem mit dem schillernden Jet-Set-Leben zwischen St. Tropez, Gstaad und Paris verbinden. Beide werden auf ihre Kosten kommen. Denn die Kunst spiegelt Geschmack, Lebensgefühl, Interessen, Freundschaften und Persönlichkeit von Gunter Sachs auf eine Weise wider, wie das normalerweise bei privaten Kunstsammlungen nicht der Fall ist.
Der erste Raum führt also nicht nur in die Welt der Surrealisten, deren Bilder das Unbewusste und Traumhafte zum Thema hatten, er führt auch ins Paris der 1960-Jahre, als der junge Gunter Sachs beim Kartenspiel Écarté so viel Geld gewinnt, dass er sich zwei Gemälde von Victor Brauner und Max Ernst kaufen kann. Die wunderbare Madonna, die Salvador Dalí mit einem Spazierstock auf Leinwand gezeichnet hat, gelangt als Ausgleich für Spielschulden in seinen Besitz. Und als Sachs bei einem Kunsthändler drei Bilder erwirbt, bekommt er ein Aquarell von René Magritte geschenkt, „Arbre et Lune“. Das kleine Bild hängt nun ein wenig im Schatten des Hauptwerks in diesem Raum: das fantastische „Colere des dieux“ (Zorn der Götter) zeigt ein galoppierendes Pferd auf dem Dach eines Wagens.
In Paris lernt Sachs die Künstler des Informel und des Nouveau Réalisme kennen. Der abstrakte Maler Jean Fautrier wird sein Freund. In Schweinfurt sind mehrere Gemälde und eine Bronze zu sehen, mit der der Künstler 1943 auf die Besetzung Frankreichs durch die Nationalsozialisten reagiert hat. „Otage“, zu deutsch „Geisel“, lässt an einen Kopf denken, obwohl keine Gesichtszüge zu erkennen sind.
Diese Arbeit ist freilich eine Ausnahme. Die Werke in diesen Räumen erzählen eher von wilden Happenings. Der Franzose Arman zerschlug vor Publikum kostbare Musikinstrumente und tackerte sie auf eine Platte. César Baldaccini goss nicht nur den Daumen von Gunter Sachs in Bronze – in Schweinfurt zu sehen –, sondern auch dessen Penis. Wer die Geschichte vom Abguss in Anwesenheit einiger sehr attraktiver Damen hören will, sollte sich den rund einstündigen Audioguide zur Ausstellung ausleihen.
Wer kennt nicht das Yves-Klein-Blau, dieses tiefe Ultramarin, das den Betrachter förmlich ins Bild hineinzieht? In Schweinfurt ist nicht nur ein monochrom-blaues Bild zu sehen, sondern auch ein seltener roter Yves Klein und das poetische „La Marseillaise“, der flüchtige Abdruck eines Frauenkörpers. Überraschenderweise ist der Raum mit der sprödesten Kunst dieser Zeit der schönste: Die Konzeptkünstler Ben Vautier und Joseph Kosuth brauchten nur Sprache und Schrift, um sich auszudrücken. Rolf Sachs zeigte sich begeistert, noch mehr freilich von der Präsentation der Graffiti-Kunst, die er so noch in keinem Museum gesehen hat. Ab dem Jahr 2000 erwarb sein Vater, der sich immer für neue Strömungen interessierte, die Kunst der meist anonymen Sprayer, darunter das allererste Graffiti auf Leinwand. Das neun Meter breite „Snake Collective“ (1974) sprengt fast den schmalen Raum.
Unbedingt sehenswert sind die Fotografien. Darunter eine Aufnahme von Henri Cartier-Bresson: St. Tropez im Sommer 1959. Noch ist das Fischerdorf ein verschlafenes Nest, und Gunter Sachs ist noch nicht der berühmte Playboy, als ihn der Magnum-Fotograf mit Freunden auf seinem Boot erwischt.
Als Höhepunkt der Ausstellung ist die Große Halle mit Ikonen der Pop Art inszeniert. Diese Kunstrichtung hatte die moderne Konsumgesellschaft zum Thema, von der Suppendose bis zur Zigarettenschachtel. Vor allem der Maler Mel Ramos spielte mit dem Thema „Sex sells“ (Sex verkauft). Ende der 1960er-Jahre entdeckte Gunter Sachs die Pop Art und ließ sein Appartement in St. Moritz von befreundeten Künstlern gestalten. Verteilt auf diesen großen Ausstellungsraum, geben die Arbeiten freilich nur eine Ahnung von der Wirkung des bewohnbaren Gesamtkunstwerks.
Andy Warhol schmückte die Küche mit Porträts von Marilyn Monroe, Roy Lichtenstein verkleidete die Badewanne, Michelangelo Pistoletto malte auf Spiegeltüren lebensgroß ein Liebespaar. Die Sitz-Schafe von François Xavier Lalanne werden die Besucher sicher amüsieren. Bleibt abzuwarten, wie das Publikum auf die sehr speziellen Möbel von Allen Jones reagiert. Man kann seine unterwürfigen Girls empörend finden oder sich darüber amüsieren, wie Jones Männerfantasien ironisch überspitzt.
Die Sammlung Gunter Sachs, Kunsthalle Schweinfurt, bis 30. März. Zur Ausstellung gibt es einen Katalog und einen Audioguide.