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Schweinfurt
Salieri und Mozart: Eine gegenseitige seelische Vergiftung
Marcus Abdel-Messih verkörpert Mozart: Ein großes Kind, das um seine Genialität weiß.
Foto: Dietrich Dettmann | Marcus Abdel-Messih verkörpert Mozart: Ein großes Kind, das um seine Genialität weiß.
Elke Tober-Vogt
 |  aktualisiert: 22.04.2024 02:39 Uhr

Nicht mal sein letzter Trumpf wird zu einem Triumph: Salieri gegen Mozart hieß es im Schweinfurter Theater bei Peter Shaffers Schauspiel "Amadeus", gezeigt von den Schauspielbühnen Stuttgart in der Inszenierung von Udo Schürmer. In einer nahezu lebenslang geführten Partie des erfolgreichen, jedoch traditionsverhafteten Wiener Hofkomponisten Antonio Salieri gegen den jugendlich, frisch drauflos und in die Zukunft komponierenden Genius Wolfgang Amadeus Mozart kämpft Salieri um seinen Platz an der Spitze.

Immer wieder spinnt er Intrigen und vereitelt so Mozarts Aufstieg und Erfolg. Schließlich vergiftet er ihn – doch seinem späten Geständnis wird kein Glauben geschenkt. Nicht mal das hat funktioniert: Mozarts Schaffen überdauert, Salieris hingegen verschwindet. Vergiftet – was heißt das in diesem Fall? Nicht den Schierlingsbecher gibt es hier, sondern tiefen Hass, Neid und Missgunst bei Salieri, unaufhörlichen Kampf und Scheitern eines Genies bei Mozart. Beide Männer vergiften sich gegenseitig; heute würde man sie zum Psychotherapeuten schicken. Doch auf der Bühne entwickelt sich dieser Prozess unaufhaltsam und immer tiefgreifender auf einen grausam zugespitzten und wuchtigen Höhepunkt zu.

Exzessive Albernheit

Wolfgang Seidenberg als Salieri trägt den Abend beeindruckend. Er baut das Erzählgerüst, in welchem Salieri als alter, verzweifelter Mann auf sein Leben, das so eng mit Mozarts Erscheinen verbunden ist, zurückblickt. In den Spielszenen ist er der Platzhirsch am Hofe, der Hofcompositeur, würdevoll, statusbewusst und arrogant, überzeugt von seiner Kunst – bis er tief im Innern vor sich selbst zugeben muss, dass Mozart der Bessere, der Vollkommene ist. Das kann er nicht auf sich sitzen lassen.

Marcus Abdel-Messih verkörpert Mozart: Ein großes Kind, das um seine Genialität weiß. Seine "Hochzeit des Figaro" sei die beste Oper, die je geschrieben wurde, sagt er, "und nur mir konnte das gelingen". Frech kontert er den kaiserlichen Vorwurf, seine "Entführung aus dem Serail" enthalte zu viele Töne, mit den Worten "Welche soll ich denn weglassen?". Doch bei seiner Entwicklung hin zum Erwachsenen scheint etwas schief gegangen zu sein: Seine Lust an unflätiger Sprache (Salieris Musik bezeichnet er etwa als "abgestandene Kacke"), oder an obszönen Wortspielereien findet mit Ehefrau Constanze Weber (Kristin Hansen) eine komplementäre Partnerin. Abdel-Messih und Hansen werfen sich geradezu in ihre Rollen, spielen exzessive, exaltierte Albernheit, machen aber auch die gesamte Tragik eines von Frustration, Selbstzweifeln und Scheitern erdrückten Zusammenlebens deutlich ("Warum mag mich keiner?").

Die "Venticelli" (Lüftchen), Zuträger und Verbreiter von Gerüchten, sind mit Jan F. Saure und Marc-Andre Bartelt ebenfalls exzellent besetzt. Fein abgestimmt folgen ihre Dialoge einer temporeichen, unsichtbaren Partitur, bilden den gesellschaftlichen Hintergrund mit einer auskomponierten und rhythmisch akzentuierten Dramaturgie.

Licht und Schatten zweier Leben

Marcus Ganser tritt als eitler, oberflächlicher und etwas tumber Kaiser Joseph immer wieder aus dem Rahmen, den das Bühnenbild setzt. Lebende Bilder einer erstarrten Gesellschaft werden dadurch ermöglicht, auch eine Opernloge. Ausstattung und Kostüme (Barbara Krott) bleiben in der Zeit; es dominieren feine Gewänder, Perücken, Spitze und Rüschen.

Licht und Schatten zweier Leben, seelische Vergiftung, die zu körperlichem Verfall führt, auf beiden Seiten. Mozart wird ins Armengrab gekippt, Salieri bleibt zeit seines Lebens eingemauert und begraben vom eigenen Ruhm. Der Applaus für diese fesselnde und tief berührende Inszenierung war spontan und lang anhaltend.

 
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