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SCHWEINFURT
Sachs-Geschichte auf 850 Quadratmetern
Ausstellungseröffnung: ZF eröffnet Ausstellung – Geschichte des Unternehmens wissenschaftlich aufgearbeitet
Die Ausstellung ist eröffnet: Drei Millionen Euro lässt sich die ZF Friedrichshafen AG den Blick in die Geschichte von Fichtel & Sachs kosten. Von links: Standortleiter Werner Balandat, Produktionsvorstand Michael Hankel, Betriebsratsvorsitzender Oliver Moll und Projektleiter Walter Erke.
Foto: Anand Anders | Die Ausstellung ist eröffnet: Drei Millionen Euro lässt sich die ZF Friedrichshafen AG den Blick in die Geschichte von Fichtel & Sachs kosten.
Karl-Heinz Körblein
Karl-Heinz Körblein
 |  aktualisiert: 05.05.2015 12:39 Uhr

Gleich am Eingang nimmt der Firmengründer Ernst Sachs den Besucher in Empfang. Er lädt ein zur „Sachs Ausstellung der ZF Friedrichshafen AG“, die am Montag vor rund 100 geladenen Gästen offiziell eröffnet worden ist. Sie basiert auf der Chronik „Sachs. Mobilität und Motorisierung. Eine Unternehmensgeschichte“ des Bamberger Historikers Prof. Dr. Andreas Dornheim und dürfte in ihrer umfassenden und auch kritischen Form ziemlich einzigartig sein.

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Für Michael Hankel, Produktionsvorstand des ZF Konzerns, sind Ausstellung und Buch ein wichtiges Bekenntnis zum Standort. Nach der Verschmelzung von ZF Sachs mit der Muttergesellschaft seien sie ein wichtiger Beitrag, um die Identität der früheren Gesellschaft zu bewahren.

Die 850 Quadratmeter umfassende und mit modernster Technik und Mitmachstationen ausgestattete Ausstellung in einer früheren Produktionshalle am neu gestalteten Haupteingang zum Werk Nord ist in vier Bereiche gegliedert und reicht im ersten Teil von der Gründung der „Schweinfurter Präcisions-Kugellagerwerke Fichtel & Sachs 1895 bis zur Verschmelzung im Jahr 2011 und ist stark von der Familiengeschichte geprägt. Der zweite Teil zeigt die technischen Meilensteine der Unternehmensgeschichte vom Kugellager über die Fahrradnaben und Motoren bis hin zu Kupplungen, Wandlern und Stoßdämpfern. Der dritte Teil ist dem Bereich Marketing und Motorsport gewidmet, der vierte gibt einen Ausblick und präsentiert Produkten auf die ZF am Standort baut. Beispiele sind die Hybridmodule oder der Leichtbau. Möglich wurde die Ausstellung, für die ZF drei Millionen Euro ausgegeben hat, durch Stücke aus dem eigenen Bestand und durch Leihgaben und das Engagement vieler auch ehrenamtlich.

Hankel erinnerte daran, dass sich die früheren Betriebsratsvorsitzenden Werner Kleinhenz und Willy Dekant für die Ausstellung stark gemacht haben und die Vorstandschefs Hans-Georg Härter und Peter Ottenbruch den Auftrag erteilt haben, sich aktiv der Vergangenheit zu öffnen und auch mit schwierigen Zeiten unabhängig auseinanderzusetzen.

Die von Andreas Dornheim geschriebene Chronik umfasst 780 Seiten und reicht von der Gründung der „Schweinfurter Präcisions-Kugellagerwerke Fichtel & Sachs“ 1895 bis zur Verschmelzung im Jahr 2011 mit der ZF Friedrichshafen AG. Dabei beschreibt er wie das Unternehmen davon profitierte, dass das Luxus-Gefährt Fahrrad zum Massenprodukt wurde und wie Ernst Sachs mit seinem Qualitätsanspruch und neuartigen Marketingmethoden erfolgreich war. Dornheim zeigt wie Fichtel & Sachs von den beiden großen Kriegen profitierte und setzt sich sehr kritisch mit der Rolle Willy Sachs in der NS-Zeit auseinander. Dieser sei persönlich erheblich stärker belastet gewesen als bislang angenommen. So sei er 1933 ganz bewusst in die NSDAP und die SS eingetreten, zu denen er vor der Machtergreifung bereits Kontakte hatte. Sein erklärtes Ziel sei es gewesen, „aus dem roten Unternehmen einen braunen Betrieb zu machen“. Durch Frauengeschichten, den Sorgerechtsstreit um die Kinder und Vergewaltigungsvorwürfe sei er erpressbar gewesen. So habe er hohe Zahlungen an die SS geleistet, nachdem sich der von ihm verehrte Heinrich Himmler die Akten hat kommen lassen. Erpressung und die Angst, vor Gericht aussagen zu müssen. seien es wohl auch gewesen, die ihn 1958 in den Selbstmord trieben, mutmaßt Dornheim und sieht für eine Depression keinen Hinweis.

Wie Dornheim sagte, dürfte die Kombination unterschiedlicher Gruppen von Exponaten mit Gegenständen aus der privaten Lebensführung der Familie Sachs, der Technik und Objekten der Schweinfurter Arbeiterbewegung einmalig in Deutschland sein.

Zu seinem Wunsch, die Ausstellung möglichst oft öffentlich zugänglich zu machen, erklärte Standortleiter Werner Balandat, dass ab Juni Führungen für Gruppen nach Voranmeldung angeboten werden.

Von einem großen Tag für Schweinfurt sprach Oberbürgermeister Sebastian Remelé. Den immer wieder zu hörenden Ruf nach einem Industriemuseum wollte er zwar nicht aufgreifen –„das hat etwas Rückwärtsgewandtes“ – die Ausstellung mache jedoch deutlich, dass die Stadt gefordert sei, ihr eigenes Museum weiter zu entwickeln.

 
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  • eboehrer@gmx.de
    Schön, Moenus_10, dass Sie den Mut haben, sich gegen das "Rückwärtsgewandte" zu wenden. Die Aussage des Oberbürgermeisters ist rational nicht nachzuvollziehen und löst bei mir nur Kopfschütteln und Unbehagen aus.
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  • ist die Sachs-Ausstellung offensichtlich und macht sicher viele Schweinfurter neugierig. Denn das Interesse an der Geschichte der Stadt ist enorm, wie der Besucherandrang vor kurzem bei der Öffnung des Sachs-Bunkers und der Ledward-Kaserne gezeigt haben.
    Es wäre sehr schön, wenn die Sachs-Ausstellung an einigen Tages des Jahres auch für die Allgemeinheit geöffnet wird, also nicht nur für Gruppen nach Voranmeldung.
    Der Aussage von OB Remelé, daß ein Industriemuseum für Schweinfurt "etwas Rückwärtsgewandtes" sei, ist jedoch deutlich zu widersprechen. Denn hierbei kommt es ebenso wie bei der Sachs-Ausstellung auf die Konzeption an. Und das hat etwas mit Wollen und Machen zu tun, nicht mit bloßem Ablehnen.
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