
39 Jahre lang war Rudi Gehr als Bauingenieur am Landratsamt Schweinfurt beschäftigt, 26 Jahre davon als Leiter der Tiefbauabteilung. Jetzt, mit knapp 65 Jahren, hat er seine 45 Berufsjahre voll und kann sich zur Ruhe setzen. Wörtlich wird er das aber nicht nehmen. „Ich habe viel Arbeit und Aufgaben zuhause“, sagt der gebürtige Zeuzlebener mit Blick auf sein Haus, das er gerade umbaut, den großen Garten, in dem es immer etwas zu tun gibt, und den eigenen Wald, den er hegt und pflegt. Zuerst aber wird er einige Wochen Urlaub machen, mit der Ehefrau, die zuhause alles managt.
Frage: Sind diese Spielzeug-Baumaschinen auf Ihrem Aktenschrank ein Ruhestandshobby?
Rudi Gehr (lacht): Nein. Das sind Miniaturen von Fahrzeugen, die bei unseren Straßenbaustellen im Einsatz sind. Laster, Planierraupen, Walzen. Die habe ich im Lauf der Jahre gesammelt. Diesen Bagger zum Beispiel habe ich in Florida gekauft. Das ist ein Sondermodell, den nehme ich mit. Davon hat es nur ein paar hundert Stück gegeben. Die anderen Modelle darf mein Nachfolger behalten.
Fällt es Ihnen schwer loszulassen?
Nein. Ich bin gerne im Amt, aber auch gerne daheim. Ich habe keine Angst davor, kein Ziel mehr zu haben.
Sie haben einen bestimmten Abschiedsgruß. Werden Sie sich damit auch in den Ruhestand verabschieden?
Ja, ich bin Ur-Franke und sage immer Servus, wenn ich gehe.
Sie besitzen kein Handy. Sind Sie ein Verweigerer der modernen Kommunikationsmittel?
Nein, keineswegs. Aber ich denke, niemand ist so wichtig, dass er immer erreichbar sein muss. Und wenn man unterwegs ist, kann man Probleme mit dem Handy auch nicht richtig lösen, weil die Unterlagen ja im Büro sind. Das hat mein Chef eingesehen, deshalb musste ich auch nie ein Handy benutzen. Übrigens habe ich privat auch kein Handy. Telefoniert wird übers Festnetz und geredet von Aug' zu Aug'.
Sie waren für 300 Kilometer Kreisstraßen, 28 Kilometer Radwege und 51 Brücken zuständig. In welchem Zustand übergeben Sie diese Infrastruktur Ihrem Nachfolger Marco Kraus?
Ich bin überzeugt, dass sich unsere Straßen in einem relativ guten Zustand befinden. 95,7 Prozent des Netzes sind voll ausgebaut. Das heißt, die Straßen haben 36 Zentimeter Frostschutzschicht, zehn Zentimeter Asphalttragschicht und vier Zentimeter Asphaltbetondecke obendrauf. Und 90 Prozent dieser Straßen sind gut in Schuss. Schließlich investieren wir jährlich 600 000 Euro für Deckensanierungen.
Autofahrer schimpfen, wenn Straßensanierungen mit Rollsplitt erfolgen. Wird das im Landkreis Schweinfurt auch gemacht?
Ich bin ein Fan von Rollsplitt, weil man auf diese Weise mit geringen Kosten viel erreichen kann. Rollsplitt wird aufgebracht, um Risse in der Oberfläche zu versiegeln. Das macht aber nur Sinn, wenn ein vernünftiger Unterbau vorhanden ist. Die Straßen halten dann wieder einige Jahre.
Schimpfen Sie privat als Autofahrer auch mal über Schlaglöcher?
Ich fahre gerne Auto, aber ich schimpfe nicht über schlechte Straßen. Auf unseren Kreisstraßen gibt es eh keine Schlaglöcher oder nur ganz wenige. Wenn Sie im Landkreis über Straßen mit Schlaglöchern fahren, sind es meist die Staatsstraßen, da besteht vielfach Nachholbedarf. Wir im Kreis haben das Glück, dass seit Jahrzehnten Geld in ausreichender Höhe in den Straßenbau gesteckt werden kann.
Was war Ihr größtes Projekt als Leiter des Tiefbauamtes?
Das war der Bau der Deponie Rothmühle 1984. Damals gab es noch keine Ingenieurbüros, die Erfahrung in solchen Dingen hatten. Wir trauten es uns zu, das Projekt abzuwickeln – von der Planung bis zur Fertigstellung. Und das in zwei Jahren. Heute wäre das in dieser Form nicht mehr möglich. Allerdings hat mich das damals auch einige graue Haare gekostet.
Und im Straßenbau, was war hier Ihr größtes Projekt?
Das war der Ausbau der Kreisstraße zwischen Reichmannshausen und Hesselbach Anfang der 80er-Jahre. Das waren zwar nur vier Kilometer, aber der Ausbau musste panzerfest erfolgen. Die Amerikaner waren damals ja noch hier und befuhren unsere Kreisstraßen mit Manöverfahrzeugen. Dadurch wurden sie sehr beansprucht. Das Finanzministerium hat deshalb einen Extrazuschuss für den panzerfesten Ausbau gegeben.
Was sind die Aufgaben des Tiefbauamts?
Wir kümmern uns um den Unterhalt der Kreisstraßen, die Pflege der kreiseigenen Grünanlage und den Winterdienst. Ein Schwerpunkt ist natürlich der Aus- oder Neubau von Kreisstraßen. Hier erledigen wir den Grunderwerb, kümmern uns um die Vermessung, schreiben die Arbeiten aus und vergeben sie an Fachfirmen. Auch für die Bauleitung und Abrechnung ist das Amt zuständig. Da sind viele Gespräche mit den Bürgermeistern, Gemeinderäten oder den Bürgern zu führen, wenn beispielsweise Grundstücke zugekauft werden müssen. Das sind manchmal langwierige Verhandlungen und man erlebt schon so manche Anekdote.
Welche zum Beispiel?
Einmal haben wir mit einem Landwirt wegen Grunderwerb für den Straßenbau verhandelt. Als wir – wie angekündigt – mittags auf den Hof kamen, hat er uns gleich wieder fortgeschickt, weil Erntezeit war und er auf den Acker musste. Wir sollten dann spätabends wieder kommen. Um halbelf standen wir wieder auf dem Hof, da kam er gerade nach Hause. 'Na ihr Buben, was wollt ihr denn', hat er uns gefragt und dann erst einmal Brotzeit in der Küche gemacht. Bis wir letztlich die Unterschrift hatten, war es nach Mitternacht.
So sieht aber nicht immer der Alltag des Tiefbauchefs aus?
Nein. Es gibt auch viel Büroarbeit zu erledigen. Im Vergleich zu früher ist der bürokratische Aufwand sowieso höher geworden. Heutzutage braucht man für jedes Bauprojekt Stellungnahmen von Fachbehörden und einen landschaftspflegerischen Begleitplan. Das ist alles viel umfangreicher geworden und dauert daher auch länger. Früher haben wir in einem Jahr eine Straße gebaut, heuer braucht es zwei bis drei Jahre.
Als Bauingenieur hätten Sie auch in der freien Wirtschaft arbeiten können. Warum haben Sie die Ämterlaufbahn eingeschlagen?
Hier kann ich kreativer sein, weil ich nicht nur im Büro sitze, sondern Techniker, Manager und Praktiker sein kann. Am liebsten bin ich sowieso auf der Baustelle.
Packen Sie auch selbst mit an?
Natürlich. Ich muss ja gucken, dass der Laden läuft.
Dann wird Rudi Gehr fehlen, wenn er diesmal Servus sagt?
Ich habe mit Marco Kraus einen sehr kompetenten Nachfolger. Man wird nicht merken, dass ich nicht mehr da bin. Ich kann ganz beruhigt gehen.


Lieber Rudi Gehr, die Zusammenarbeit war spitze! Auf diesem Weg das verdiente öffentliche Lob, Anerkennung undDank im Namen der Bürgermeister des Landkreis Schweinfurt.
Herzliche Grüße
Friedel Heckenlauer