Betritt man die Kunsthalle, so empfängt den Besucher ein „Paar“ – eine Plastik, die der international renommierte Bildhauer Fritz Koenig 1958 geschaffen hat. Er zählt zu den angesehensten Bildhauern der Nachkriegszeit. Am 24. Juni wäre der gebürtige Würzburger 100 Jahre alt geworden. Die Kunsthalle erinnert gemeinsam mit der Fritz-Koenig-Expertin Stefanje Weinmayr an den Ausnahmekünstler.
Ein Bildhauer kann mit verschiedenen Materialien arbeiten. Ton, Holz, Bronze. Fritz Koenig wählte für das „Paar“ in der Kunsthalle Eisen. Den in diesem Zuge entstandenen Rost hat er einmal „als seinen Mitarbeiter“ bezeichnet. Was ist das faszinierende an diesem Material?
Stefanje Weinmayr: Koenig ist als bedeutender Vertreter der figuralen Abstraktion ein im besten Sinne klassischer Bildhauer, der auch mit klassischen Materialien gearbeitet hat. Bronze war daher über eine lange Strecke seines bildnerischen Schaffens das bestimmende Material. Erst in den 1980er Jahren kommt rostendes Eisen hinzu. Ausgelöst wird diese Materialwahl durch die Arbeit an einer neuen Werkgruppe, den Epitaphen, in denen Koenig in skulpturaler Form von existenzieller Gefährdung, vom Ende des Menschen, von Beziehung, Liebe und der Erinnerung erzählt. Bronze ist ein ewig überdauerndes, „ewiges“ Material. Koenig sucht eines, das das Element der Veränderung durch Zeit und letztlich auch des Vergehens in sich trägt. Er findet die semantische Entsprechung im Eisen, das bald zum dominanten Material des Spätwerks wird – was möglicherweise auch mit dem Voranschreiten des eigenen Lebens in Verbindung zu bringen ist. Seine Skulpturen aus unbehandeltem Eisen werden der Welt ausgesetzt – Regen, Schnee, dem Wind, der Zeit, die die Oberfläche bestimmen. All dies, ohne dass der Bildhauer in diesen Prozess eingreift. Und so ist, wie Sie sagen, nicht nur der Rost, sondern auch der Zufall ein wichtiger Mitarbeiter im Schaffensprozess.
Fritz Koenig wird häufig in einem Atemzug mit dem großen britischen Künstler Henry Moore genannt. Was verbindet die beiden?
Weinmayr: Henry Moore ist eine Generation älter als Fritz Koenig und gehörte als international bekannter Bildhauer in der Zeit des Dritten Reiches zu den „entarteten“ Künstlern, deren Werke in Deutschland beschlagnahmt wurden. Koenig dagegen begann nach Notabitur und Fronteinsatz im Zweiten Weltkrieg sein Studium an der Akademie der Bildenden Künste in München. Der junge Bildhauer stieg allerdings bereits Ende der 1940er Jahre in die internationale Szene auf, etwa als Preisträger bei dem bedeutendsten Skulpturenwettbewerb der Nachkriegszeit „Der unbekannte politische Gefangene“ in London 1952. Beide, Moore wie Koenig, kreisen in ihrem Werk um die menschliche, abstrahierte Figur im Spannungsfeld ihrer Existenz. Moores Interesse galt weniger einer differenzierten Darstellung des menschlichen Körpers als vielmehr dem freien, organischen Spiel von Form, Linie, Kurve und Raum, wobei er auch den umgebenden (Landschaft-) Raum miteinbezog, wie es sich in den „Reclining Figures“ beispielhaft manifestiert. Koenig dagegen begann mit plastischen Volumina, die er später zurücknahm zugunsten stereometrischer Formen. Man könnte sagen, dass er versuchte, seine bildnerischen Mittel immer knapper und reduzierter zu fassen – wie sich in dem „Paar“ in der Kunsthalle Schweinfurt exemplarisch zeigt. Mann und Frau verschmelzen dabei an ihren Körpergrenzen zu einer gemeinsamen, unauflöslichen Körpermitte – ein wunderbares Bild.
Fritz Koenig war ein begeisterter Pferdenarr und hatte eine bedeutende Araberzucht. Die Kunsthalle besitzt zwei eindrückliche Kohle- und Kreidezeichnungen, die von seiner Leidenschaft zeugen. Welchen Stellenwert nehmen die Pferde in seinem künstlerischen Werk ein?
Weinmayr: (Araber-)Pferde waren integraler Teil nicht nur des bildnerischen Werkes von Fritz Koenig, sondern auch seiner Lebenswelt. Die ersten erhaltenen Kinderzeichnungen zeigen Pferd und Reiter, später wird Koenig noch als Student in die Camargue reisen, um deren freie Wildpferde in der Landschaft zu erleben. 1961 erbaut er mit seiner Frau Maria den Ganslberg, seinen unvergleichlichen Lebens- und Arbeitsort, und beginnt dort mit der Araberzucht. Das Blatt im Besitz der Kunsthalle von 2000 zeigt geradezu programmatisch Variationen von Pferd und Reiter, untrennbar ineinander verschmolzen. Es steht exemplarisch für Koenigs Vorstellung einer symbiotischen Existenz von Mensch und Tier, ein Motiv, das sich durch sein gesamtes plastisches und grafisches Werk zieht. Oder, wie er selbst einmal sagte: „Ich wollte selbst ein Pferd sein, weniger und auch erst später ein Reiter.“