Als „unvergesslich“, „emotional stark bewegend“ und als „außergewöhnliche Erfahrung“ beschreibt Roland Martin in einer ersten Reaktion seine Rückkehr nach Franken. Zugleich gilt sein aufrichtiger Dank allen Menschen, die ihm zum Zeichen der Aussöhnung so offenherzig und freundlich begegnet seien. Das Besuchsprogramm beinhaltete unter anderem einen Empfang im Alten Rathaus in Gerolzhofen, bei dem sich der Gast aus den USA ins Goldene Buch der Stadt eintrug.
76 Jahre nachdem er 1943 über Schweinfurt abgeschossen worden war, hatte der ehemalige US-Bomberpilot, wie berichtet, mit bald 96 Jahren den Ort besucht, an dem er einst am 14. Oktober 1943 beim zweiten Großangriff der US-Luftwaffe auf die Kugellagerfabriken in Schweinfurt sein schwer beschädigtes und von deutschen Jagdflugzeugen verfolgtes Kampfflugzeug auf freiem Feld zwischen Dingolshausen und Gerolzhofen unterhalb der Waldesruh notgelandet hatte. Die zehnköpfige Besatzung hatte den als „Fliegende Festung“ (Flying Fortress) bekannt gewordenen Boeing B-17-Bomber auf den Namen „Iron Maiden“ (Eiserne Jungfrau) getauft. Roland Martin und seine Kameraden, darunter der schwer verletzte Funker, waren allesamt früher oder später aufgegriffen worden und am Kriegsende nach ihrer Befreiung aus der deutschen Kriegsgefangenschaft in die USA zurückgekehrt.
Bei seiner Rückkehr nach Franken stieß Roland Martin allenthalben auf offene Türen und wurde ebenso allseits mit offenen Armen empfangen. In Stammheim schloss zum Beispiel Museumsleiter Günter Weißenseel eigens das an diesem Tag geschlossene Militärmuseum für ihn und seine ihn begleitende Tochter Dale Jones auf.
Die "Acht-Acht" vor Augen
Erstmals bekam hier Roland Martin in Deutschlands größtem privaten Museum seiner Art eine der gefürchteten 8,8-cm-Flugabwehrkanonen im Original zu sehen, mit der er über Schweinfurt vom Himmel geholt worden ist. Mit der „Acht-Acht“, wie sie auch genannt wurde, war es möglich, die Sprenggranaten durch die enorme Schusshöhe auch in die immer höher werdenden Flughöhen der gegnerischen Flugzeuge mit über 10 000 Metern zu katapultieren. Ziel war es, die Bomber abzuschießen oder zumindest so schwer zu beschädigen, dass sie wie die „Eiserne Jungfrau“ von der Besatzung aufgegeben werden mussten.
Neben der schweren Flak verfügt das Museum in Stammheim auch über kleinere Geschütze der so genannten leichten Flak, riesengroße Suchscheinwerfer, um damit seinerzeit die britischen Bomber am Nachthimmel auszumachen und durch die Flugabwehr und die eigenen Nachtjäger ins Visier nehmen zu können, oder große Messinstrumente, die dazu dienten, die feindlichen Kampfflugzeuge schon beim Anflug rechtzeitig distanzmäßig erfassen zu können, um sie dann unter Feuer zu nehmen.
Sowohl von diesen, aber auch all den anderen militärischen wie zivilen Exponaten, die von Günter Weißenseel und seinem Mitarbeiterstab im Laufe der Jahrzehnte in Stammheim zusammengetragen worden sind, zeigte sich Roland Martin tief beeindruckt.
Das Treffen der einstigen Gegner in der Luft und am Boden
Am Luftkriegsdenkmal vor dem früheren Spitalsee-Luftschutzbunker in Schweinfurt wurde Roland Martin schon von dem ehemaligen Luftwaffenhelfer bei der Flak in Schweinfurt, Paul Eichhorn, erwartet. Der heute 92-jährige Sennfelder und frühere Kämmerer der Stadt Schweinfurt war einer der Oberschüler, die als Schülersoldaten vom NS-Regime eingezogen worden waren, um die personellen Lücken in den Flakstellungen zum Schutz der Städte und kriegswichtiger Einrichtungen zu stopfen. Als 16-Jähriger stand Paul Eichhorn dann am 14. Oktober 1943 bei der größten und erbittertsten Luftschlacht des Zweiten Weltkrieges an der Flak.
Das „German-American-Memorial“, an dem sich beide brüderlich die Hände reichten, gilt als das einzige Mahnmal in Deutschland, das von früheren Gegnern, die sich im Luftkrieg direkt bekämpft haben, konzipiert, finanziert und errichtet worden ist. Es waren zum einen die ehemaligen deutschen Luftwaffenhelfer wie Paul Eichhorn und auf US-Seite die Second Schweinfurt Memorial Association, eine eigene Veteranen-Vereinigung für Teilnehmer des „Schwarzen Donnerstags“ und ihre Angehörigen.
Die ersten Kontakte nach dem Krieg
Paul Eichhorn berichtete Roland Martin, wie es später nach dem Krieg zu den ersten Kontakten zwischen US-Teilnehmern am "Schwarzen Donnerstag", wie er wegen der hohen Verluste der US-Luftwaffe in den Staaten bezeichnet wurde, und den Schweinfurter Flakhelfern gekommen war und wie daraus mehr und mehr Freundschaften zwischen den jeweiligen Familien entstanden.
Ebenso ging Paul Eichhorn auf die Errichtung des Luftkriegsmahnmals ein, das von dem Schweinfurter Künstler Hubert Neidhart, er war selbst Flakhelfer, geschaffen wurde. Wie der Text auf der Stahlplatte besagt, ist das Luftkriegsmahnmal ausdrücklich den Opfern beider Nationen gewidmet und ebenso den zivilen Opfern des gesamten Luftkriegs. Der Riss, der durch die 1500 Kilo schwere Stahlplatte geht, soll die alles zerstörende Kraft des Krieges und das damit verbundene unsägliche Leid für die betroffenen Menschen symbolisieren.
Bewegende Begegnungen
Das Treffen mit Paul Eichhorn sollte nicht die letzte bewegende Begegnung für Roland Martin bei seiner Rückkehr an die Originalschauplätze der dramatischen Ereignisse vom 14. Oktober 1943 bleiben, als sein Schicksal und das seiner Kameraden als auch das der Menschen in Schweinfurt am seidenen Faden hing und bei dem nicht wenige Menschen auf beiden Seiten bei dem zweiten Luftangriff der Amerikaner auf die Kugellagerstadt ihr Leben verloren.