"Mein Mann ist ein Jäger und Sammler", sagt Margit Hartmann über ihren Ehepartner Roland. Gemeint waren bei dieser Aussage eigentlich klassische Sammlerleidenschaften, wie die von Briefmarken oder alten Kameras, denen der Schweinfurter seit Jahrzehnten frönt. Margit Hartmanns Aussage könnte aber auch getrost auf die schillernde Sportkarriere ihres Mannes umgemünzt werden.
Überall in der Wohnung der Hartmanns im Schweinfurter Stadtteil Deutschhof entdeckt man Medaillen, Pokale und Trophäen. Dabei sind das längst nicht alle. Ein Großteil davon fristet sein Dasein in Kartons im Keller. Mancher Sportverein würde da vermutlich vor Neid erblassen, beim Anblick der vielen Titel und Triumphe, die der heute 73-Jährige im Laufe der Jahre als Sportschütze erreicht hat.
Ausgleich zum Stress im Beruf gesucht und gefunden
Die Augen des unterfränkischen Vorzeigeathleten leuchten, wenn er anfängt über seine sportliche Karriere zu erzählen. 1988 kam er durch einen damaligen Arbeitskollegen zur Bürgerlichen Schützengesellschaft (BSG) Schweinfurt. "Ich habe irgendeinen Ausgleich zum stressigen Berufsalltag gebraucht", erzählt er. Sein angeborenes Handicap, eine linksseitige Hüftversteifung mit Beinverkürzung, hinderte ihn nicht daran, schon nach kurzer Zeit festzustellen, dass der Schießsport genau das Richtige für ihn ist. Viele Bücher von bekannten Trainern hat er seinerzeit studiert. Sehr geprägt wurde er außerdem von seinem Trainer Klaus Peter, der ihm in den bayerischen Kader verhalf. "Wichtig ist es nicht gleich zu viel zu wollen", meint er: "Das steht der langfristigen Entwicklung in diesem Sport im Wege."
Offenbar müssen die Lektüren und seine Trainer am Schießstand gut gewesen sein. Hartmann wurde zum Titelsammler und sein Sport führte ihn um die ganze Welt. Sein Sprung 1993 in den A-Kader des DSB (Deutscher Behindertensportverband) war der Startschuss für eine außergewöhnliche internationale Karriere. Parallel dazu schoss er auch weiterhin für die BSG im "Nichtbehindertensport" jahrelang in der Bundesliga.
Mit dem DSB holte er mit der Mannschaft zwei Europameister- und drei Weltmeistertitel. Die absoluten Highlights waren aber die drei Teilnahmen an den Paralympics, dem Pendant zu den Olympischen Spielen, für Sportler mit Behinderung. "Ich kriege heute noch Gänsehaut wenn ich bei einer Sportveranstaltung im Fernseher die Nationalhymne höre", schwärmt er. Dabei denkt er auch an den Moment, als er 1996 in Atlanta auf dem Podest stand und die Hymne für ihn als Gewinner der olympischen Bronzemedaille gespielt wurde. Vier Jahre später, in Sydney, schrammte er nur knapp am Treppchen vorbei, bei seiner dritten und letzten Paralympics-Teilnahme 2004, ließ er es noch einmal richtig krachen und gewann in Athen Silber (Pistole).
Viel unterwegs und schöne Erinnerungen
Viel mehr als die zahlreichen Erfolge, bleiben Hartmann aber vor allem die vielen Erinnerungen im Gedächtnis, dann wenn beim Erzählen die Augen wieder funkeln, als es um die Menschen geht, die er während seiner Karriere kennenlernen durfte. Erinnerungen an seine vielen Auszeichungen und Ehrungen, die vielen Reisen quer durch Europa, ins afrikanische Namibia oder nach Australien. Mit dabei war oft auch Ehefrau Margit. Sie erinnert sich an ein Turnier im tschechischen Brünn. Die standesgemäße Feier danach dauerte bis weit nach Mitternacht, irgendwann sammelte sie ihren Mann ein und fuhr die Nacht durch bis München. Dort stand um 8 Uhr morgens der nächste Wettkampf auf dem Programm. Die Hartmanns verließen München Stunden später mit dem größten Pokal.
Ein Traumduo, auch jetzt im Rentenalter noch. "Uns wird nie langweilig", erzählen sie. Klar, ihren Enkel vermissen die beiden, den konnten sie zuletzt wegen Corona nicht mehr sehen. Auch der Sport fehlt Roland Hartmann, der immer noch aktiv ist, vor allem aber das gesellige Beisammensein danach im Schützenheim. In den jüngsten Lockerungen war der Schießsport noch nicht einbezogen. Aber wenn es soweit ist, wird Hartmann selbstverständlich wieder am Schießstand sein. Garantiert zielsicher – wie immer.