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KUNSTSALONG
Römisches Tagebuch: Christoph Brech in der Kunsthalle
Bild im Bild: „Musei Vaticani, Padiglione delle Carrozze Papali“
Foto: Christoph Brech, Leihgabe Kunstsammlung Deutscher Bundestag | Bild im Bild: „Musei Vaticani, Padiglione delle Carrozze Papali“
Katharina Winterhalter
Katharina Winterhalter
 |  aktualisiert: 15.08.2014 17:56 Uhr

Ein Morgen in Rom. Es ist kalt. In einer noblen Boutique ist die Scheibe beschlagen, bis zum Mund ist die schöne Schaufensterpuppe verhüllt. Aber die Augen blicken den Betrachter klar und unverwandt an. Im Hintergrund spiegelt sich kaum wahrnehmbar die spanische Treppe. Das Fotomotiv tausender Touristen ist bei Christoph Brech nur ein Nebenschauplatz. Die Hauptrolle spielt die Schöne, die den Münchner Künstler an die Stadtgöttin Roma erinnert.

Mit dieser wunderbaren Fotografie beginnt die Ausstellung im Salong des Kunstvereins. Im Rahmen der großen Werkschau „It's about time“ zeigt Brech hier eine Auswahl seiner italienischen Bilder. Viele Jahre sah sich der 50-Jährige vor allem als Videokünstler. Die Fotografie nutzte er nur zum Ideensammeln. Das änderte sich 2006, als er mit einem Stipendium der Villa Massimo für ein Jahr nach Rom zog. Brech nahm sich vor, ein Fototagebuch zu führen, eigentlich nur, um die Stadt kennenzulernen. Nach einigen Monaten sah ein Verleger die Aufnahmen und veröffentlichte sie – und Brechs Leidenschaft, die er lange vernachlässigt hatte, flammte wieder auf. Seitdem fotografiert er regelmäßig.

Für den Kunstsalong hat er Fotografien aus drei Serien ausgewählt: Bilder von der Stadt Rom, aus den Vatikanischen Museen und aus den Gärten von Ninfa. Was sie gemeinsam haben, ist Brechs Fähigkeit, Bekanntes aus einer ungewöhnlichen Perspektive zu betrachten, die Schönheit im Alltäglichen zu sehen und ungewöhnliche Parallelen zwischen Alt und Neu zu entdecken. Die Kuppel des Petersdoms zeigt er nicht direkt, sondern als Spiegelung im Fenster eines modernen Gebäudes. Den Petersplatz hat er bei Regen fotografiert, die Kolonnaden sind verhüllt, die Streifen der Stoffbahnen haben ein Pendant im Marmorband des Pflasters. Was ihn hier interessierte, waren formale Fragen. Sehr witzig ist die Fotografie vom Campo dei Fiori, auf der drei geschlossene Sonnenschirme aussehen wie die Bronzestatue von Giordano Bruno.

2010 erhielt Christoph Brech eine Sondergenehmigung für die Vatikanischen Museen. Wochenlang durfte er in Räumen fotografieren, die normalerweise für Besucher verschlossen sind. Er fing sehr poetische Momente ein – den Lichtstrahl auf einer Steintreppe, Steinköpfe in einem Kellergewölbe, eine einsame Statue im Schatten, einen liegenden Pferdekopf. In der Sixtinischen Kapelle stellte er nicht Michelangelos Jüngstes Gericht, auf das sich alle Blicke richten, in den Vordergrund, sondern eine Wand, auf der Besucher seit Jahrhunderten ihren Namen ritzen. Manchmal zeigt er uns auch ein Bild im Bild, wie beim Blick durch das Fenster einer ehemaligen päpstlichen Kutsche auf ein historisches Gemälde, auf dem genau diese Kutsche abgebildet ist.

In der dritten Serie, von der leider nur zwei Fotografien zu sehen sind, öffnet Brech die Tore zu einem der schönsten Gärten Italiens, der nur selten für Besucher geöffnet ist. 60 Kilometer südlich von Rom, in der Provinz Latina, gab es einst eine bedeutende Stadt, die im Mittelalter verlassen wurde. Im 19. Jahrhundert wurde zwischen den Ruinen ein Park im englischen Stil angelegt, genannt „Die Gärten von Ninfa“. Im Auftrag einer Forschungsgruppe fotografierte Christoph Brech diesen geheimnisvollen Ort, an dem die Natur die von Menschen geschaffenen Gebäude zurückerobert.

Die Zeit spielt freilich nicht nur hier, sondern in allen Fotografien eine Rolle. Diesem Aspekt in den Arbeiten von Christoph Brech nachzuspüren, macht sehr viel Spaß.

„It's about time“: Kunsthalle, Kunstverein und St. Johannis, bis 9. September. Es gibt einen großformatigen Katalog und einen Audioguide.

„Piazza di Spagna“: Christoph Brechs Fotografie von 2012 ist im Kunstverein zu sehen.
Foto: Christoph Brech | „Piazza di Spagna“: Christoph Brechs Fotografie von 2012 ist im Kunstverein zu sehen.
Inszenierung mit Glas: Der Künstler Christoph Brech im Kunstsalong.
Foto: Anand Anders | Inszenierung mit Glas: Der Künstler Christoph Brech im Kunstsalong.
 
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