Ob Marcus Rubrius Zosimus ein guter Arzt war, wissen wir nicht. Jedenfalls: Ein prominenter Patient, der Kommandeur des römischen Castells in Obernburg am Main, wurde gesund, und der Truppenarzt stiftete zum Dank einen kleinen Altar, der mehreren Göttern geweiht war. Und weil Marcus Rubrius aus Ostia stammte, ist der prominenteste Gott auf dem Stein Neptun, von dem es damals, um das Jahr 192 nach Christus, im Hafenbecken von Ostia eine Kolossalstatue gab.
So fand der römische Gott des Meeres seinen Weg an den Main. Der Weihestein aus den Museen der Stadt Aschaffenburg steht dieser Tage am Eingang zur Landesausstellung „Main und Meer“ in der Kunsthalle, auch wenn er nicht, was natürlich noch schöner gewesen wäre, den Flussgott Moenus darstellt.
Tatsächlich gibt es überhaupt nur fünf bekannte antike schriftliche Notizen zum Main, wie Bernd Steidl, stellvertretender Direktor der Archäologischen Staatssammlung in München, bei seinem restlos ausverkauften Vortrag „Römer und Germanen am Main“ erläuterte. Steidl sprach auf Einladung des Historischen Vereins im Rahmenprogramm der Landesausstellung im Veranstaltungszentrum der Sparkasse.
Eine dieser Notizen ist die – möglicherweise leicht übertriebene – Schilderung von Plinius dem Älteren, dass die Welse im Main so groß und aggressiv seien, dass sie schwimmende Pferde unter Wasser zögen.
Dennoch spielte der Main eine nicht unwichtige Rolle. In Marktbreit etwa bauten die Römer ein 35 Hektar großes Lager für zwei Legionen, also 12 000 Mann, mit Thermen und einem palastartigen Quartier für den Kommandanten, das allerdings nicht vollendet wurde. Bernd Steidl: „Da gibt es Latrinen, in die hat nie jemand gemacht.“
Marktbreit als Vorposten
Steidl bietet eine neue Interpretation für Existenz und Beschaffenheit der Marktbreiter Garnison an: Der Standort liegt deutlich im Gebiet, das seit dem Jahr 11 vor Christus im Zuge der Germanien-Offensive erobert wurde. Um diese Fläche zu sichern, war es logisch, vorgeschobene Posten anzulegen. Angesichts auffälliger Parallelen zwischen den Römerlagern von Mainz und Marktbreit glaubt Steidl, dass deshalb die Legionen von Mainz nach Marktbreit verlegt werden sollten.
Ein weiteres Argument: Die Via Augusta (später Claudia Augusta) endet unvermittelt von Augsburg im Süden kommend an der Donau. Ihre logische Fortführung nach Norden hätte nach Marktbreit geführt und dann weiter in den Thüringer Wald – direkt an Schweinfurt vorbei. „Ich höre immer wieder von einem Luftbild, das angeblich ein Römerlager bei Werneck zeigt. Ich habe es noch nicht gesehen, aber es wäre für mich keine Überraschung“, sagt Steidl.
Die Varus-Katastrophe, die verlorene Schlacht im Teutoburger Wald im Jahr 9, machte diese Pläne zunichte, die Römer zogen sich zurück. Endgültige Grenze wurde der Limes, eine Wallanlage, deren Abschnitt im heutigen Bayern ein schiefes L beschreibt, mit Regensburg im Osten, dem Winkel etwa bei Lorch und einem großen Abschnitt des Mains auf der Nord-Süd-Achse zwischen Großkotzenburg und Miltenberg.
Es gab hier keine Palisaden, der Fluss selbst bildete die Grenze. Er war mit Türmen gesichert, am Ufer lief eine Straße, die auch als Treidelpfad genutzt wurde. Die Römer konnten sich in Germanien nicht aus dem Lande ernähren, dazu war die Landwirtschaft zu unterentwickelt. Sie importierten deshalb Lebensmittel aus Gallien, der Main diente als Transportweg.
Römer und Germanen lebten ein paar hundert Jahre beinahe Tür an Tür, man kam wohl einigermaßen miteinander aus, wobei die Germanen allerdings wenig Interesse an römischer Kultur und Lebensart zeigten. In den Fundstätten von Römerlagern sind nicht nur Belege für Bewohner aus nahezu allen Regionen des Reichs dokumentiert, man stößt hier auch auf eine große Vielfalt an Geschirr, Schmuck, Gebrauchsgegenständen oder Spielzeug.
Standhaft gegen den Fortschritt
Die Germanen allerdings stemmten sich standhaft gegen jeglichen Fortschritt. In Gaukönigshofen, einer Fundstelle, die Steidl selbst ausgegraben hat, fanden sich beim Geschirr fast nur Trinkschalen, die zwei bis drei Liter fassen. „Eine Vorwegnahme bayerischer Trinkgewohnheiten“, scherzt Steidl. Krüge benutzten die Germanen nur, weil sie ihr Bier darin kauften. Sie tranken das Bier und warfen die Krüge anschließend weg.
Das einigermaßen friedliche Miteinander endete im dritten Jahrhundert mit Einfall und Durchmarsch der Elbgermanen, die plündernd durch die Lande zogen, bis an die Pyrenäen und nach Italien vordrangen und sich nach und nach in Limes-Nähe niederließen. Sie waren allerdings auch nicht kultivierter als die westgermanischen Einheimischen, die sie wohl verdrängten oder assimilierten: Was sie an Statuen oder Schmuck etwa aus Silber oder Bronze erbeuteten, zerhackten und schmolzen sie ein. Sie interessierte nicht die Kunst, sondern ausschließlich das Material.