Dass die Schachsoftware "Stockfish", die auf der schwächsten Stufe schon zu stark für die meisten Menschen ist, Tim Selig matt setzte, wundert nicht; eher schon, dass der Student bei den vielen an ihn gestellten Fragen und mit seinen nur in Sekunden gefassten Zügen richtig lange durchhielt. Stark ins Grübeln kam der Technomathematiker im Masterstudiengang "Angewandte Mathematik und Physik" nur in dem Moment, als die Maschine auf der gegnerischen Grundlinie eine geworfene auf eine andere Spielfigur setzen wollte. Das klappte nicht. Ist so nicht vorgesehen. Da hatte sich ein Programmierungsfehler eingeschlichen.
Der schachspielende Roboterarm ist für sich schon eine Meisterleistung. Die Redaktion wollte allerdings beim Termin in der FHWS noch mehr von Tim Selig und von zwei Mathematik-Professoren der Abteilung Schweinfurt an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS) wissen: Was ist und wo beginnt die Künstliche Intelligenz? Als Anschauungsobjekt hatten Oliver Bletz-Siebert, Leiter des Bachelorstudiengangs Technomathematik, und Martin Storath, Leiter des Weiterbildungsstudiengangs Data Science Specialist, das Schachspiel vorgeschlagen.
Um den Roboterarm einzurichten, brauchte es Mathematik, Logik, Programmierkenntnisse und technisches Grundverständnis, aber auch den Leichtbauroboterarm der Maschinenbaufirma Kuka, der über sieben (dank Sensortechnik feinfühlige) Gelenke verfügt, und einen Computer, der die Wege bei den Spielzügen berechnet und der mit der Schachsoftware gefüttert wurde. Weiter optimieren ließe sich das Ausführen der Spielzüge natürlich noch durch Auge und Ohr für den Computer, was aber noch nicht ist, aber sicherlich kommen wird.
Tim Selig hat die Schachlogik in den Computer eingebaut und damit ein Programm erstellt sowie die Spielzüge in eine Koordinatenfolge übersetzt und beides vernetzt. Geschaffen waren damit die Grundvoraussetzung zur Steuerung des Roboterarms.
Während bei der Demonstration der Computerarm alle Spielzüge von Tim Selig und "Stockfisch" (bis auf den oben genannten) mit höchster Präzession ausführt, erklären Oliver Bletz-Siebert, Martin Storath und Selig, was man nicht unter Künstlicher Intelligenz (KI) verstehe: nämlich das laufende Spiel, bei dem sich der Mensch mit einem Programm misst. Intelligenz zeige sich dagegen, wenn ein Kind durch Erfahrung und Anleitung lerne, hieß es weiter. Und genau so gelange auch ein Computer zur KI.
Den Computer lasse man beispielsweise immer wieder gegen sich selbst spielen. Die Belohnung durch Anerkennung von Leistungen (etwa durch Eingabe einer bestimmten Zahl) mache die Maschine immer besser. Aus anfangs zufälligen Zügen würden Strategien entstehen, die der Computer nicht aus einem eingegebenen Programm entnehme, sondern selbst errechne. Gleiches funktioniere auch bei Spielen, die ohne Intuitionen (Einsichten ohne bewusste Schlussfolgerungen) nicht funktionieren würden. Damit sei eindeutig die Grenze zur KI überschritten.
Lernen durch Anleitung und Erfahrung
Zurück zum Schachspiel und zum mit dem Computer vernetzten Roboterarm. Die Geschicklichkeit beim Greifen könne dieses Gespann ebenfalls durch Erfahrung erlernen, so Tim Selig. Diese Herausforderung zu meistern, fuße ebenso wie die durch Erfahrung und Anleitung wachsende Sicherheit eines Kindes im Straßenverkehr auf Intelligenz, ergänzt Professor Bletz-Siebert.
Da Computer lernen, indem sie komplexe Strukturen in Daten aufspüren und Rechenmodelle aus mehreren Verarbeitungsschichten zusammensetzen, werden die mathematischen Optimierungsaufgaben und damit die Technomathematik am Studienort Schweinfurt künftig eine gewichtige Rolle spielen. Schweinfurt werde zum Robotik-Zentrum ausgebaut, so der Student und die beiden Professoren, die die Gelegenheit nutzten und für einen Studiengang mit besten Berufsaussichten und damit auch für den Studienort Schweinfurt warben. Auch ist die Technomathematik (Angewandte Mathematik mit Informatik und technischer Kompetenz) ein Beispiel für das interdisziplinäre Studium, wobei die Anzahl der Schnittmengen unter den Wissenschaften wachsen und Lösungen mit mathematischen Methoden (und dem Computer als Hilfsmittel) an Bedeutung gewinnen würden.