Das erste Treffen mit Martin Drescher ist nach einer Viertelstunde beendet. Der Landwirt will sich Zeit nehmen, hat aber keine Zeit. Eine Maschine für die Feldarbeit muss möglichst sofort zur Fachwerkstatt, denn in der Landwirtschaft steht heute alles still, wenn die Maschine nicht mehr will.
Aber weil ich schon einmal da bin, kann ich mich umschauen, was ich gründlich tue. An diesem Dienstag stehen über 600 Bullen in dem Stall auf dem Simmenthaler Hof. Und wenn es stimmt, dass es dem Landwirt nur dann gut geht, wenn es den Tieren gut geht, dann muss Martin Drescher ein zufriedener Bauer sein.
Erholung vor der Schlachtbank
Kein Tier ist angekettet, keines aufgeregt, aber viele neugierig, alle sichtlich zufrieden beim Wiederkauen. In dem Stall ist es ruhig. Hier und da meldet sich ein Bulle. Es riecht nach Land – dezent nach Land mitten unter 600 Rindern. Draußen vor dem großen Stall ist noch ein zweiter weit kleinerer Stall. Die Tiere dort sind dünn, haben kaum Fleisch auf den Rippen und verbreiten Hektik.
21 Tage später, der erste Dienstag im Juli: Martin Drescher kann auf einen „arbeitsreichen“ Morgen zurückblicken und erwartet einen „stressfreien Nachmittag“. Auf die jetzt gutmütigen Tiere vor dem großen Tor angesprochen, berichtet Drescher von einem Einstellen durch einen Viehhändler. Die Tiere seien bei dem Vorbesitzer nicht optimal gepflegt worden, dürften sich nun auf dem Simmenthalerhof erholen – ehe es zum Schlachthof geht.
Veterinäramt prüft
Dass es den eigenen Tieren gut gehe, hätte ihm erst in der letzten Woche das Veterinäramt nach einer nicht angekündigten Kontrolle bestätigt, sagt der Landwirt. Die Tieren seien angeschaut, das Futter geprüft, der Arzneischrank geöffnet und die Hygiene für frei von Mängeln befunden worden.
Heute stehen „nur“ 500 Bullen in dem 90 Meter langen, 30 Meter breiten und 4,50 bis zehn Meter (in der Mitte) hohen Offenstall, weil ein Teilbereich saniert wird. Der Stall mit den offenen Seitenwänden heißt korrekt „Kaltstall“, weil nicht geheizt wird, was den Rindern entgegenkomme, deren Wärmeempfinden um die 15 Grad tiefer als das des Menschen liege. Minusgrade mögen die Bullen lieber als Hitze, so Drescher und: „Zugluft geht gar nicht“, weshalb sich die Seitenwände des Stalles mit Planen schließen lassen.
Das Tretmistsystem
Am Mittelgang, der Platz für riesige Traktoren bietet, ist der Boden der Boxen (fünf mal 12,5 Meter) für jeweils ein gutes Dutzend Tiere eben; zur Wand steigt der Boden an, was die Voraussetzung für das Tretmistsystem ist, bei dem der Mist unter den Hufen der Rinder von der Wand nach vorne wandert, wo alle fünf Tage ausgemistet wird. Und weil man fleißig ausmiste, die „Matratze“ nicht höher als zehn bis 20 Zentimeter anwachsen lasse, entstehe auch kein Ammoniak, erklärt Drescher den nur leichten Duft von Landluft.
Zum Mastbetrieb von Martin Drescher bringt der Viehhändler Tiere im Alter von einem halben Jahr. Zehn bis zwölf Monate bleiben die Bullen, ehe der Viehhändler erneut kommt und das Fleischfleckvieh, die Charolais-Rinder oder die schwarz-weißen Belgier zum Schlachthof (meistens Crailsheim) bringt. Dann haben die Bullen ein Gewicht von 750 bis 800 Kilogramm und „die Steaks die richtige Größe“. Produziert wird ausschließlich Rindfleisch mit den drei D: geboren, aufgewachsen und letztendlich auch geschlachtet in Deutschland.
Fütterung am Morgen
Landwirt Martin Drescher steht nicht mit den Hühnern auf; nicht nur weil er keine Hühner, sondern außer den Rindern nur noch ein Tier, einen Hund, hat. Erst gegen 8 Uhr beginnen die etwa einstündigen Vorbereitungen für die 24-Stunden-Fütterung. Je nach Alter der Tiere werden drei Mischungen verteilt, wofür zwei Mann zwei Stunden lang im Einsatz sind. Erst dann liegen für alle Tiere jeweils zehn bis 30 Kilogramm Frischmasse bereit.
Verfüttert werden vor allem Silomais und Luzernensilage (Schneckenklee aus der Familie der Hülsenfrüchtler). Energiecocktails und Eiweiß werden in Form von Getreideschrot zusätzlich verteilt. Auch Soja- und Rapsschrot gibt es als Beigabe.
Streu am Abend
Mit einem Festangestellten und einem Lehrling hat Martin Drescher die Mast im Griff. Wenn er zusätzlich bis zu 30 Aushilfen beschäftigt, dann ist Rübenkampagne, ein weiteres Standbein des Betriebs, der auf eigenen und gepachteten Feldern neben Rüben, Mais und Luzerne auch Weizen anbaut. Für den Fotografen schiebt der Landwirtschaftsmeister heute schon am Nachmittag das restliche Futter an den Gittern zusammen. Balgereien um die Nahrung gibt es nicht, weil jedes Tier wisse, es bekomme seinen Anteil, sagt Drescher.
In der Regel wird das Futter am Abend zusammengeschoben, wenn auch die Streu eingebracht ist. Beides ist von zwei Männern in nicht einmal zwei Stunden erledigt.
Nachts wird im Stall das Licht nicht aus-, sondern „ein leichtes rotes Licht“ eingeschaltet, weil dies beruhige, erklärt der Landwirt. Bei den einzelnen Gruppen kennt Drescher die Leittiere. Diese nimmt er nicht gerne einzeln aus der Box, weil dann die Rangordnung durcheinandergebracht werde, weil dann auch Kämpfe nicht ausblieben. Am liebsten verkauft Drescher die Tiere gruppenweise – und am allerliebsten Tiere, die zu 100 Prozent mit dem selbst angebauten Futter gemästet wurden, denn jeder Zukauf belaste die Bilanz.
Maschinenpark
Bei anhaltender Trockenheit muss der Landwirt zahlen, was der Markt verlangt. Bei gutem Wetter reicht die eigene Ernte. Für die Feldwirtschaft stehen Werte in Höhe von mehreren Millionen Euro in den Maschinenhallen, darunter vier Rübenroder, zwei Feldhäcksler, und sechs Schlepper.
Nach gut zwei Stunden verabschieden wir uns und haben dann doch noch eine Frage. Warum bekommen die Rinder kein Gras? Für die Wiesenbewirtschaftung sei das unterfränkische Ackerland zu wertvoll – und Wiesenwirtschaft funktioniere im regenarmen Unterfranken sowieso nicht, erfahren wir.