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GELDERSHEIM
Riesen Andrang bei 1250-Jahrfeier in Geldersheim
1250-Jahrfeier in Geldersheim: Erst Prominenten-Andrang, dann Ansturm der Besucher
Von unserem Mitarbeiter Uwe Eichler
 |  aktualisiert: 02.09.2013 14:02 Uhr

Es ist eine „hochillustre Gesellschaft“, die sich an diesem Tag zum Festakt versammelt, darunter ein Kirchenmann aus Würzburg und hochrangige Gäste aus Thüringen: damals, irgendwann zwischen November 762 und August 763. Das vornehme Ehepaar Hahbert und Hruada schenkt dem Kloster Fulda Güter in der „villa publica“, dem „Königshof“ Geldersheim – und leistet damit einiges für seinen Nachruhm.

Insgesamt sind 18 Personen aus der Spitzengruppe Mainfrankens versammelt, so Historiker Thomas Horling beim Festvortrag im „Fränkischen Hof“, darunter Zeuge Megingoz, Nachfolger des Heiligen Burkard als Würzburger Bischof. Aber auch Thüringer sind da, einige Zeit nach der Einverleibung ihres Stammes ins Frankenreich ist im „Heim des Gelthari“ zusammengewachsen, was zusammengehört. Für Horling war es ein in königlichen Diensten stehender Sippenverband, der hier mit seiner Urkunde Geschichte schrieb: Der Name Geldersheim ward geboren.

1250 Jahre später schallen im „Fränkischen Hof“ die Fanfaren, die Bläser des Musikvereins präsentieren beim samstäglichen Empfang die Eurovisionshymne. Gefolgt von der Hymne „Unser Geldersheim“, aus der Feder von Eugenie Hübner, zur Melodie des Frankenlieds – Tochter Christine Hübner-Hart dirigiert Lied und Chor persönlich.

„Endlich ist dieses Festwochenende da“: Bürgermeisterin Ruth Hanna Gube begrüßt eine lange Liste von Ehrengästen und Mitstreitern: Darunter die Ritaschwestern, Innenstaatssekretär Gerhard Eck, Landrat Florian Töpper, Regierungspräsident Paul Beinhofer, Vizebezirkstagspräsidentin Karin Renner, Europaparlamentarierin Anja Weisgerber, Friedel Heckenlauer als Präsident des Bayerischen Gemeindetags, Bezirksräte, Behördenvertreter. „Wenn Kaiser und Könige gegangen sind, war das Dorf froh, denn die Vorräte waren meist aufgebraucht“, flachst die Bürgermeisterin, deren Dorf gerade den Kreisentscheid des Wettbewerbs „Unser Dorf hat Zukunft“ gewonnen hat: „Morgen wären wir froh, wenn alles aufgebraucht wäre.“

Was Gerhard Eck zu launigen Worten über den Prominenteneinfall in die einstige Kaiserpfalz animiert. Ansonsten sei keine Gebietsreform geplant, beruhigt er: trotz „Run auf das Zentrum“ werde Geldersheim wohl seine Selbstständigkeit bewahren. „Wir werden jedem Bestreben, Geldersheim Schweinfurt einzugemeinden, entschieden entgegentreten“, versprach auch Florian Töpper, der wie Eck eine Jubiläumsmedaille erhielt. Annemarie Schuler dankte als Vorsitzende des Festausschusses den Helfern für ihre herausragende Arbeit.

Wenn, dann müsste Schweinfurt Geldersheim angegliedert werden, stellte Thomas Horling, als Experte der Kommission für bayerische Landesgeschichte, klar: So waren zumindest die Verhältnisse zu Beginn, als der Pfalzort die umliegenden Dörfer beherrschte. Die Vorgeschichte reicht 7000 Jahre zurück in die Bandkeramiker-Zeit. Beste Lößböden und die Lage an der Kreuzung wichtiger Straßen sorgten für raschen Aufstieg. Erneut schallen Fanfaren, als an der Wand das Herrscherbild Kaiser Ottos II. aufleuchtet: Der Ungarnsieger und „Reisekaiser“ urkundete 976 inmitten der „Ansammlung von Bauernhäusern“, auf einem Feldzug gegen Bayernherzog Heinrich. 1049 siegelte Kaiser Heinrich III. eine weitere Urkunde.

Im 12. Jahrhundert löste Würzburgs Bischof die Königsherrschaft ab, die nach Schweinfurt weiterwanderte: Was blieb, war in den Gaden die alte Pfalzkapelle des Reiches neben der bischöflichen Pfarrkirche St. Nikolaus. Die Pfarrstelle im wohlhabenden, frommen Bauerndorf war beliebt. Neben den Bildstöcken und der oft„feuchtfröhlichen“ Wallfahrt nach Vierzehnheiligen gab es manch Wohltätigkeit: allen voran das Spital des gebürtigen Geldersheimers und Kölner Domherren Valentin Engelhard, das als Altenheim von 1516 bis heute besteht. Die Schreckfratze am Untertor, Rest der im 30-jährigen Krieg verlorenen Stadtmauer, sie bleckt bis heute nach Schweinfurt: Hier verlief eine echte Staatsgrenze, bis Geldersheim 1814 beim Königreich Bayern landete.

Horling betont frühes bürgerliches Selbstbewusstsein auf dem Land, mit Wahlrecht des Schultheißen sowie Gewaltenteilung, durch Doppelbesetzung der Dorf-Ämter. Im 19. Jahrhundert kam es im 1000-Seelen-Dorf zur Stagnation, trotzdem hatten die Galderschumer laut Urteil eines Wernecker Arztes viel „Stolz“ gegenüber den Nachbarn und „tapezierte Wohnzimmer“, bei Hang zu „Spiel- und Genusssucht“: Heiterkeit im Saal. Vor allem gab es prachtvolle Trachten. Die Kinder gingen in die Städte oder nach Amerika.

Die Nazizeit war geprägt vom Religionskonflikt im grundkatholischen Dorf, das überwiegend Bayerische Volkspartei gewählt hatte. Der Stuka-Flugplatz ab 1936 war unpopulär. Dennoch gab es auch hier Misshandlungen, etwa in der Pogromnacht 1938, Denunziation, Zwangsarbeit, Inhaftierung. 58 Geldersheimer kamen im Krieg um oder blieben vermisst. Trotz Schwund der Bauernhöfe seit 1949, Dorferneuerung und Neubaugebieten habe sich Geldersheim seinen ländlichen Charakter vor den Toren Schweinfurts bewahrt, lobte Horling zum Schluss. Nun stehe die Konversion der US-Liegenschaften ins Haus.

Alt-Bischof Paul-Werner Scheele blickte im Festgottesdienst, zusammen mit Pfarrer Markus Grzibek und dessen langjährigem Vorgänger Richard Baunach zuversichtlich in die Zukunft. Geldersheim sei aus dem Geist des Schenkens entstanden, lobte der 85-jährige, und mahnte mit Blick auf Geleistetes zur Bescheidenheit: „Wir sind alle nur Zwerge auf der Schulter von Riesen.“ Riesenhaft dann der Andrang am Sonntag, mit tausenden Besuchern der „Offenen Höfe“ und liebevoll gestalteten Vorführungen zum Leben damals wie heute (mehr dazu morgen).


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