Anfang der 1990er Jahre war Norbert Kleinlein als „Artist in Residence“ der Bemis Foundation in Omaha. Mit dem Auto hat er in dieser Zeit das Land bereist, die Landschaften in Arizona oder Utah, den Grand Canyon, das Leben der Indianer in ihren Reservaten auf sich wirken lassen und später künstlerisch verarbeitet. Dabei entstand das großformatige Gemälde Arizona I, das jetzt im Zentrum des Kunstsalongs des Kunstvereins in der Kunsthalle steht. „Ausatmen – einatmen“ ist die Ausstellung (bis 6. Juni) überschrieben, die ein Jahr nach dem 75. Geburtstag Kleinleins eine Art Retrospektive auf sein vielfältiges Schaffen zeigt. Dabei beschränkt sie sich auf eine eher kleine repräsentative Auswahl. Durch die luftige Hängung erfährt der wunderbar wandelbare Kunstsalong so eine besondere Atmosphäre.
Der Titel steht für das menschliche Leben schlechthin. Für die Themen, denen Kleinlein über Jahre hinweg die Treue hält. So gesellt sich zu Arizona I, dem Blick auf eine Landschaft, die in Millionen von Jahren in vielen Schichten und Brüchen entstanden ist, ganz neu Arizona II, eine treppenförmige Plastik, die das Farbenspiel dieser urwüchsigen Landschaft aufnimmt und typisch für Kleinleins Verbindung von Plastik und Malerei ist.
Zentrale Rolle der Farbe Blau
„Den Fluss überqueren“ ist der Titel einer Installation, die zwei spitzaufragende Berge aus Bronze auf einer blauen Tischplatte zeigt, alles fließt, verändert sich, bewegt die nie versiegende Neugierde des Künstlers, der auch mit unterschiedlichsten Materialien seine Ausdrucksmöglichkeiten auslotet. Die Farbe Blau spielt im Werk Kleinleins eine zentrale Rolle. Sie ist für ihn so wandelbar wie keine andere.
„Ins Blaue gehen“ ist dann auch ein Großformat, ein Fenster, das den Blick in die Ferne öffnet. Hier taucht dann auch die menschliche Figur auf, die sich in ihrer Verletzlichkeit im Werk Kleinleins immer wieder spiegelt. Das kommt nicht nur in einem rot gehaltenen, mächtigen, zerfurchten, mit scharfem Werkzeug bearbeiteten Schädel zum Ausdruck, sondern auch in einer Reihe feiner, filigraner Bleistiftzeichnungen, die sich von den mit kräftigen Strichen entstandenen Gemälden abheben.
Das Thema Flucht
Das Thema Flucht greift Kleinlein mit schienenartig verlegten Metallplatten auf, auf denen sich ein Wagen auf ein hermetisch geschlossenes Geviert zubewegt, hinter dem man gewiss ein Lager oder Gefängnis vermuten darf. Auf dem Boden daneben stehen großformatige Kohlezeichnungen mit dem Abbild abgerissener Gliedmaßen, ein Mahnmal von höchster politischer Kraft und Aktualität.
Kleinleins empathische Kunst, die sich zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion bewegt, ist fordernd, zwingt den Betrachter auf eine Entdeckungsreise, die seinen Verstand, seine Phantasie, seine Gefühle bewegt. Völlig zurecht verweist Wolfgang Köster in seinem Einführungstext auf Mark Rothko, der sagt, dass ein Kunstwerk durch die Gesellschaft eines sensiblen Betrachters lebe, es in dessen Bewusstsein wachse und lebe.
Zehnminütiges Video
Durch Corona bedingt ist die Ausstellung jedoch öffentlich derzeit nicht zugänglich. Auf der Homepage des Vereins www.kunstverein-schweinfurt.de gibt es jedoch ein zehnminütiges Video, das einen Streifzug durch den Kunstsalong und einen Besuch im Atelier im Künstlerhof Oberndorf zeigt, in dem sich Kleinlein zu seinem Schaffen äußert.
Führungen (zwei Personen aus einem Haushalt) werden von Freitag bis Sonntag auch angeboten, Telefon (09721) 802216. Der Kunstverein plant eine eigene Veranstaltung.