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Stadtlauringen
Reporter in Betrieb: Unterwegs im Jagdrevier
Reporterin Johanna Heim begleitet zwei Jäger in einem Revier am Ellertshäuser See und lernt: Jagd ist nicht nur der Abschuss von Tieren, sondern auch Hege von Wald und Wild.
Reporterin Johanna Heim baut zusammen mit den Jägern Raimund Abele (links) und Philipp Frank (rechts) einen Drückjagdbock. 
Foto: Anand Anders | Reporterin Johanna Heim baut zusammen mit den Jägern Raimund Abele (links) und Philipp Frank (rechts) einen Drückjagdbock. 
Johanna Heim
 |  aktualisiert: 10.02.2024 06:51 Uhr

Mit festem Schuhwerk, dicker Jeans und eine Prise Neugier im Gepäck treffe ich mich als Reporter in Betrieb mit den beiden Jägern Philipp Frank und Raimund Abele. Einen Tag lang begleite ich die beiden Waidmänner in Franks Revier am Ellertshäuser See. Der 81-Jährige ist täglich dort unterwegs, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Seinen Jagdschein hat der Rentner bereits im Jahr 1965 gemacht, heute ist er der Jagdpächter von 440 Hektar Acker- und Waldgebiet rund um den größten Stausee Unterfrankens.

Der erste Punkt auf der Tagesordnung ist der Bau eines Drückjagdbocks. "Bei einer Drückjagd", erklärt Frank, "wird das Wild von mehreren Treibern durch den Wald getrieben." Die Treiber laufen dabei parallel angeordnet mit einigen Metern Abstand zueinander. Das Ziel der bewegten Jagdform: Die Tiere in Richtung der Drückjagdböcke zu leiten, denn auf ihnen warten die Jäger, um zu schießen. Damit wir die dafür benötigten Materialien sicher durch den Wald transportieren können, befestigen wir einen Anhänger an Franks Auto. Unser Ziel ist eine Wiese mitten im Wald. Dort liegen, am Rande der Grünfläche, mehrere lange, schmale Fichtenstämme – das Material für unser Bauvorhaben.

Wie genau der Bock aussehen soll, zeigt mir Raimund Abele. Der 65-Jährige ist Vorsitzender des Jagdschutzvereins Schweinfurt und jagt ebenfalls in der Gegend, sein Revier liegt bei Reichmannshausen. Mithilfe einer Skizze sägen Frank und ich daraufhin die Stämme auf die passende Länge zurecht. Ich bin froh, dass ich mich bewegen kann, denn trotz Sonne ist es kühl im Schatten der Bäume. 

Johanna Heim und Raimund Abele (rechts) messen nach, ob die Länge der Teile passen.
Foto: Anand Anders | Johanna Heim und Raimund Abele (rechts) messen nach, ob die Länge der Teile passen.

Die gesägten Hölzer platziere ich quer über zwei dicke Stämme – die Außenseiten der Konstruktion. "Leg das mal da oben an", gibt mir Abele die Anweisung. Er reicht mir ein Maßband, damit wir in der Diagonalen messen können, ob Abstände und Länge der Holzteile für den Bock  passen. Zu dritt schrauben, nageln und hämmern wir alle Querstreben fest. Danach laden wir die Teile, die an übergroße Leitern erinnern, auf Franks Hänger und fahren tiefer in den Wald.

Rund 30 Drückjagdböcke im Revier verteilt

Nach einigen Minuten fährt er das Auto behutsam über einen kleinen Graben zwischen die Bäume. Dass wir auf einem weiteren Weg sind, erkennt bloß der, der zweimal hinsieht – denn es sind nur so viele Bäume geschlagen, damit gerade mal ein Auto hindurch passt. Es ruckelt und knackt, während wir über kleine und große Äste fahren. "Kaufe niemals das Auto von einem Jäger", witzelt Frank. "Denn die Gefährte machen ganz schön was mit."

"Mir hat die Natur unheimlich viel gegeben, ich versuche also auch etwas zurückzugeben."
Philipp Frank, Jäger
Beim Bau des Drückjagdbocks ist Teamwork angesagt.
Foto: Anand Anders | Beim Bau des Drückjagdbocks ist Teamwork angesagt.

An einer geeigneten Stelle bringen die Jäger und ich mithilfe von Zollstock, Hacke und Wasserwaage vier Betonplatten möglichst ebenerdig auf dem Waldboden an – sie dienen als Untergrund für den Drückjagdbock. Wir entladen den Hänger, platzieren die Holzteile auf den Platten und bringen weitere Leisten sowie eine Eisenplatte an der Konstruktion an, auf der die Jäger und ich nachher stehen können. Mittlerweile funktionieren wir wie ein eingespieltes Trio – Frank, Abele und ich.

Wildtiere werden angelockt

Während der Arbeit tauschen wir laufend Werkzeug, Material und Platz.  Schlussendlich bekleiden wir den Bock mit Holzschwarten, den äußeren Abschnitten eines Baumstamms. "Die nehme ich gerne, weil sie längere Standzeiten haben als normale Leisten", erklärt der Jäger. Der Grund: Die Außenschicht der Bäume enthält mehr Harz und ist dadurch besser gegen die Witterung gewappnet.

Johanna Heim schraubt Holzschwarten am Drückjagdbock fest.
Foto: Anand Anders | Johanna Heim schraubt Holzschwarten am Drückjagdbock fest.

Nach rund zwei Stunden steht der 2,60 Meter hohe Bock, und ich bin stolz. Jede Kanzel, jeder Bock, hat einen Namen, erklären mir die beiden Jäger daraufhin.  Und dieser, sagt Frank, wird auf meinen Namen getauft: "Das ist die Johanna-Kanzel." Rund 20 Jahre wird "mein" Drückjagdbock halten, ist er sich sicher.

Wildschweine mögen Mais

Nachdem ich mich in Franks Revier verewigt habe, fahren wir in einen anderen Teil des Walds, um zu kirren. "Kirren ist das Anlocken der Tiere", erklärt er. Damit die Tiere jedoch nur angelockt, nicht aber gefüttert werden, darf der Jäger pro Kirrung maximal ein Kilo Futter verteilen. Wir laufen über einen Pirschweg, ähnlich einem schmalen Trampelpfad, zum Kirrplatz.

"Das Futter muss dort so angebracht werden, dass die Tiere beschäftigt sind", ergänzt Abele. Auf der kleinen Lichtung liegen mehrere Holztröge verteilt. Die Tröge sind geschlossen, sie sehen aus wie kleine Baumstämme. Frank hebt den Deckel des Trogs an und zeigt mir, dass das Innere mit Mais gefüllt ist. Den mögen Wildschweine gerne, erklärt er, aber auch Dachse, Waschbären und Rehe kommen an die Kirrungen. 

Die Kirrvorrichtungen werden mit Maiskörnern gefüllt.
Foto: Anand Anders | Die Kirrvorrichtungen werden mit Maiskörnern gefüllt.

"Die Kirrplätze werden jeden Tag kontrolliert", sagt der Jäger. Ob Sauen an den Plätzen waren, lässt sich leicht erkennen, erklären mir die beiden. Die kleinen Baumstammdeckel sind mit Steinen beschwert – und meist seien nur Wildschweine stark genug, um den Stein umzuschubsen und danach an den Mais zu gelangen.

Auf der Lichtung kontrollieren wir nicht nur die Kirrungen, sondern auch eine Betonrohrfalle. Diese ist an beiden Enden in einen kleinen Holzstoß eingebettet. Nur bei genauem hinsehen lässt sich erkennen, dass ein Loch im Stoß ist. Über einen Kippmechanismus löst die fünf Meter lange Falle aus, erklärt mir Frank, die Ausgänge werden dadurch mit Metallklappen versperrt. "Da gehen Füchse, Dachse und auch Waschbären rein", fügt Abele an. "Aber wenn jetzt ein Marder drinnen ist, lassen wir den wieder raus."

Jäger Philipp Abele (rechts) zeigt Reporterin Johanna Heim einen der Kirrplätze. 
Foto: Anand Anders | Jäger Philipp Abele (rechts) zeigt Reporterin Johanna Heim einen der Kirrplätze. 

Jäger beachten Schonzeiten

Denn je nach Tierart müssen sich die Jäger an bestimmte Schonzeiten halten, und innerhalb dieser Zeitspanne dürfen die Tiere nicht bejagt werden. Einige Tiere haben zwar keine Schonzeit, erzählt Abele. Trotzdem würden die Waidmänner den Mutterschutz der Tiere beachten, denn ohne das Muttertier verhungern die Nachkommen. Prinzipiell befolgt Frank in seinem Revier das Prinzip: "Geschossen wird nur, was notwendig ist. Schwaches, junges und altes, krankes Wild."

Reporterin Johanna Heim bringt an einem Wildacker ein Hinweisschild an.
Foto: Anand Anders | Reporterin Johanna Heim bringt an einem Wildacker ein Hinweisschild an.

Wer Jagen will, muss hegen

Im Laufe des Tages kontrolliere ich zusammen mit den Jägern noch weitere Kirrungen und Fallen im Revier, wir verlassen dafür den Wald und fahren in Richtung Altenmünster. Zwischen Maisäckern und Kleewiesen hat Frank mehrere Biotope und Wildäcker angelegt. An einem der Wildäcker, auf dem die Sonnenblumen wegen des trockenen Sommers die Köpfe hängen lassen, bringen wir ein Hinweisschild für Wanderer und Spaziergänger an. "Wir schaffen Lebensräume", sagt der jüngere Jäger. Denn Jagd sei keinesfalls nur der Abschuss von Tieren, sondern auch der Schutz oder die Wiederherstellung der Lebensräume.  Dem stimmt auch Frank zu: "Mir hat die Natur unheimlich viel gegeben, ich versuche also auch etwas zurückzugeben."

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