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Lindach
Reporter in Betrieb: Kaminkehrer, die verrußten Glücksbringer
Unsere Reporterin schlüpft einen Tag in die Rolle eines Kaminkehrers und merkt: Dafür muss man fit sein. Über einen Beruf, der Höhenangst verbietet.
Reporterin Johanna Heim fegt zusammen mit Kaminkehrermeister Heinz Rock auf einem Hochhaus in Bergrheinfeld einen Kamin.
Foto: Anand Anders | Reporterin Johanna Heim fegt zusammen mit Kaminkehrermeister Heinz Rock auf einem Hochhaus in Bergrheinfeld einen Kamin.
Johanna Heim
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:48 Uhr

Die angenehme Kühle der Redaktion tausche ich dieses Mal gegen Ruß, knallende Sonne und etliche Treppenstufen. Einen Tag lang begleite ich als Reporter in Betrieb den Kaminkehrermeister Heinz Rock aus Lindach bei der Arbeit und schlüpfe selbst in die Rolle des verrußten Glücksbringers. Rock ist zuständig für den Kehrbezirk Bergrheinfeld sowie für fünf weitere Ortschaften –  rund 2500 Häuser kontrolliert er im Jahr. Für mich hat der 60-jährige mehrere Häuser angefragt, in denen es zu fegen und zu kehren gilt.

Im Kehrbezirk von Rock gibt es rund 60 Prozent Gas-, 30 Prozent Öl- und  10 Prozent Holzheizungen,  erzählt er. "Vor Gasheizungen haben die Leute immer noch Respekt", berichtet Rock. Mittlerweile würden aber vor allem Wärmepumpen und Heizungen, die Biomasse verbrennen, in neuen Gebäuden installiert werden. So auch im Haus des Sohns, Andreas Rock. Es ist die erste Station des Tages. Der 35-jährige ist in die Fußstapfen seines Vaters getreten und hat selbst einen Kaminkehrerbetrieb gegründet.

Staub wird abgesaugt

Im Keller des Hauses öffnet Heinz die Abdeckung zum Kamin, dichtet die Öffnung ab und schiebt danach das Rohr eines speziellen Staubsaugers hinein. "Bei einer staubarmen Reinigung wird der Kamin nach oben und unten abgedichtet, damit kein Staub nach oben entweichen kann", klärt er mich auf. Das sei besser für die Umwelt, denn der Staubsauger erzeuge einen Unterdruck, wodurch der Staub während der Reinigung abgesaugt wird.  

Die Schornsteinfeger Andreas Rock (links) und Christian Herold erklären Reporterin Johanna Heim, wie sie mit dem Kehrgerät den Kamin reinigen muss.
Foto: Anand Anders | Die Schornsteinfeger Andreas Rock (links) und Christian Herold erklären Reporterin Johanna Heim, wie sie mit dem Kehrgerät den Kamin reinigen muss.

Nachdem ich die Maschine angeworfen habe, gehe ich mit Sohn Andreas und seinem Kollegen Christian Herold auf den Dachboden. Geduckt schlängeln wir uns zwischen mehreren Kisten bis zum Kamin durch. Dort öffnen wir die zweite Abdeckung und ich ziehe mir Handschuhe über. Christian lässt mit geübten Griffen das Kehrgerät in das Loch gleiten und drückt mir die Leine in die Hand. Als erstes soll ich Leine lassen, danach kurz anziehen.

Die Kugel am Kehrgerät wiegt bis zu sieben Kilogramm.
Foto: Anand Anders | Die Kugel am Kehrgerät wiegt bis zu sieben Kilogramm.

Vorsicht bei Abgasen der Heizungen

Am Kehrgerät sind, abhängig je nach Querschnitt des Kamins, verschiedene Gewichte angebracht. Diese sind bis zu sieben Kilogramm schwer. Das Gewicht am Kehrgerät erinnert mich an eine kleine Bowlingkugel. Damit die Eisenkugel das Ofenrohr nicht beschädigt, ist sie mit Gummi ummantelt. Der Kehrstern, der oberhalb der Kugel angebracht ist, sorgt dafür, dass der Kamin gereinigt wird. Durch meinen Zug befreit der Stern das Ofenrohr von Ruß. 

Doch Schornsteinfeger kehren nicht nur den Kamin, sondern überprüfen auch die Werte der Heizungen – so auch bei meiner nächsten Station, einer Wohnung mit Etagenheizung im Badezimmer. Dort überprüfen wir den Kohlenstoffmonoxidwert der Gasheizung. Der Wert war bei der letzten Kontrolle vor wenigen Wochen deutlich zu hoch, erklärt Rock.

Ein spezielles Programm erfasst die Heizungswerte jedes Kunden.
Foto: Anand Anders | Ein spezielles Programm erfasst die Heizungswerte jedes Kunden.

Innerhalb einer kurzen Frist müsse die Heizung deshalb repariert werden. Denn tritt zu viel des unsichtbaren Abgases aus, könne es für den Anwohner schnell lebensgefährlich werden. Dieses Mal passen die Werte und ich tippe sie in ein spezielles Programm auf Rocks Tablet ein. Dadurch sieht er bei jedem Kunden, erklärt er, wann welche Werte gemessen wurden.

Am Ende entscheidet die Nase

Danach steht die Gashausschau an und wir gehen in den Keller zur Gasleitung. Mit einem sogenannten Schnüffler lässt sich überprüfen, ob Gas aus der Leitung strömt. Der Schnüffler sieht aus wie eine Mischung aus Walkie Talkie und Stabfeuerzeug. Langsam fahre ich mit dem Gerät die Leitung ab – die glücklicherweise dicht ist. Letztendlich entscheidet aber immer noch die Nase, findet Rock. "Die ist das beste Messgerät." 

Der Schnüffler misst ob aus den Leitungen Gas austritt.
Foto: Anand Anders | Der Schnüffler misst ob aus den Leitungen Gas austritt.

Nach Stationen im Keller, dem Erdgeschoss und auf dem Dachboden fahren Rock und ich weiter zu einem Hochhaus in Bergrheinfeld. Die Arbeit in luftiger Höhe ist die größte Herausforderung des Tages für mich – ich habe Höhenangst. Über eine Leiter im obersten Stockwerk  klettern wir zum Dachzugang. In welcher Höhe Schornsteinfeger zum Teil wirklich arbeiten müssen, wird mir erst bewusst, als ich die Tür zum Flachdach aufstoße und die Luft anhalte.

25 Meter bis zum Boden

Ich bekomme weiche Knie, denn sechs Stockwerke und rund 25 Meter trennen mich vom Erdboden. Der Boden des Dachs ist mit kleinen Kieseln belegt, zwischendurch zieht sich ein Weg aus schwarzen Platten. "Tritt einfach da drauf", sagt Rock, "dann kann nichts passieren." Wir klettern über eine weitere Leiter auf den höchsten Punkt des Hauses, zum Kamin. "Also Höhenangst darf man bei dem Beruf keine haben", schmunzelt Rock. Sobald ich oben stehe, wird mein Mut mit einer tollen Aussicht belohnt und ich kann Kilometerweit in den Landkreis schauen.

Die schmale Leiter führt zum Kamin des Hochhauses.
Foto: Anand Anders | Die schmale Leiter führt zum Kamin des Hochhauses.

Behutsam laufen wir zur Öffnung des Kamins und lassen das Kehrgerät über einen Rollbock in den Kamin gleiten. Als ich das Gerät einhole, bekomme ich das Gefühl, dass das Seil kein Ende nimmt.  "Im Schnitt ist so eine Leine rund 20 Meter lang", klärt mich der Kaminkehrer auf. 

"Also Höhenangst darf man bei dem Beruf keine haben."
Heinz Rock, Kaminkehrermeister aus Lindach

Beim Kehren des Kamins entfernen Schornsteinfeger nicht nur Ruß. Auch ein Bienenstock oder ein Vogelnest kann darin stecken, berichtet Rock.  Angezogen werden die Vögel von der warmen Luft, die aus dem Kamin nach oben strömt. "Das ist für sie wie eine Fußbodenheizung", erklärt er. 

Auf dem Hochhaus heißt es für Reporterin Johanna Heim: Zähne zusammen beißen. Sie hat Höhenangst.
Foto: Anand Anders | Auf dem Hochhaus heißt es für Reporterin Johanna Heim: Zähne zusammen beißen. Sie hat Höhenangst.

An allen Heizungen, die wir den Tag über kontrollieren gibt es einen Kaminkehrerschalter. Je nach Model und Hersteller unterscheidet sich die kleine Grafik, doch meist ist eine Leiter, ein Schornsteinfeger oder ein Zylinder neben dem Knopf abgedruckt. Ich drücke den Knopf an der Ölheizung. Dadurch geht die Heizung auf Volllast, erklärt mir Rock. Rund zwei Minuten muss ich dann warten, bis ich mit der Messung der Heizungswerte beginnen kann.

Währenddessen überprüfe ich mit einer Rußpumpe das Rußbild der Ölheizung. Am Ende der Pumpe ist ein Schlauch samt Sonde angebracht. Oberhalb des Schlauchs steckt Rock ein Stück Filterpapier in die Pumpe. Bleibt das Papier weiß, so der Schlotfeger, ist das Rußbild der Heizung gut. Verfärbe es sich allerdings, passe etwas an der Heizung nicht.

Mit einem Multifunktionsmessgerät misst Reporterin Johanna Heim verschiedene Heizungswerte.
Foto: Anand Anders | Mit einem Multifunktionsmessgerät misst Reporterin Johanna Heim verschiedene Heizungswerte.

Ich stecke die Sonde in ein kleines Loch im Abgasrohr der Ölheizung. "Zehn Mal musst du pumpen, damit durch die Pumpe genügend Volumen gezogen wird", klärt mich der Kaminkehrer auf. Den Pumpvorgang wiederhole ich drei Mal und kontrolliere danach das Filterpapier. Die Heizung ist in Ordnung, denn das Papier bleibt weiß. Anschließend messe ich mit einem Multifunktionsmessgerät verschiedene Werte der Heizung und übertrage sie auf das Tablet.  Im Laufe des Tages kontrollieren wir weitere Feuerstätten und kehren mehrere Kamine. Mittlerweile schmerzen Rücken und Füße, das lange Stehen bin ich nicht gewohnt.

Kaum noch Schnaps für Schornsteinfeger

Einen Schnaps bekommen wir dabei von keinem Kunden angeboten. Doch gibt es das überhaupt noch, dass der Schornsteinfeger einen Kurzen in jedem Haus trinken muss? Ab und zu bekommt man schon einen Schnaps angeboten, erzählt Rock. Diesen lehne er aber fast immer dankend ab. Nur bei einer Kundin mache er eine Ausnahme. "Die lässt mich sonst nicht raus", lacht Rock. "Die ist Ende 80 und trinkt immer einen mit."

Reporter in Betrieb: Kaminkehrer, die verrußten Glücksbringer

Am Nachmittag geht es für uns zurück ins Büro des Betriebs. Dort überspielen wir die gesammelten Daten vom Tablet auf den Hauptcomputer. Währenddessen kramt der Kaminkehrer in einer Schreibtischschublade und gibt mir daraufhin die Figur eines kleinen Schlotfegers. Das Miniaturabbild solle ich in meinen Geldbeutel stecken, erklärt mir Rock, was ich prompt mache. "Der sorgt für Glück und dass der Geldbeutel niemals leer wird."

Glück im Unglück

Wenige Sekunden später bleibe ich mit dem Ellbogen an einer vollen Kaffeetasse hängen, deren dampfender Inhalt quer über den Schreibtisch fließt. Der kleine Schornsteinfeger bringt mir scheinbar mehr Pech als Glück, sage ich entschuldigend zu Rock. "Ansichtssache", erwidert er und zwinkert mir zu: "Vielleicht war es jetzt schon dein Glück, dass der Kaffee nicht über Laptop, Tablet und Computer geflossen ist."

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Denken Sie nicht auch manchmal, wie schön es wäre, einfach mal einen freien Tag zu haben. Kein Problem: Mieten Sie sich einen Redakteur. Mit unserer Serie „Reporter in Betrieb“ wollen wir Zeitungsleute auch mal selbst über den Tellerrand schauen – nicht immer nur Stadtratssitzung und Jahreshauptversammlung, das wirkliche Leben ruft. Wir wollen wissen, wie geht es denn in anderen Berufsfeldern tatsächlich zu? Sie haben einen interessanten Job, den Sie uns zutrauen, dann melden Sie sich. Schreiben Sie Ihren Vorschlag, wen wir wo ersetzen sollen, an das Schweinfurter Tagblatt. Entweder per Post an Schweinfurter Tagblatt, z. Hd. Oliver Schikora, Schultesstraße 19a, 97 421 Schweinfurt, oder per Mail an redaktion.schweinfurt@mainpost.de Die Redakteure Helmut Glauch, Josef Schäfer, Oliver Schikora, Irene Spiegel und Susanne Wiedemann wählen die Angebote aus und wir krempeln dann die Ärmel hoch. Wie es uns ergangen ist, lesen Sie nach den Arbeitseinsätzen in unseren Samstagsausgaben.
 
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