Unverhohlen ausländerfeindliche, rassistische und gezielt unwahre Kommentare in den sozialen Netzwerken und offenbar nicht minder drastische Zuschriften an den Oberbürgermeister selbst hatten die Stadt bewogen, das Thema der beiden Bürgerversammlungen neu zu formulieren: Ursprünglich sollte es um Innenstadtentwicklungen gehen, nun stand das Thema Asyl im Mittelpunkt. „Alle diese Zuschriften haben eins gemeinsam: Unkenntnis“, sagte Sebastian Remelé in seinem Eingangsstatement in der gut gefüllten aber mitnichten überfüllten Rathausdiele. Offenbar ist die Bereitschaft, sich mehr oder weniger anonym im Internet zu äußern deutlich höher als die, mit seinem Gesicht und seinem Namen Farbe zu bekennen.
Als im August bekannt wurde, dass Schweinfurt Standort einer Erstaufnahme-Einrichtung für Asylsuchende werden soll, malten viele Netz-Kommentatoren die üblichen Neid- und Schreckensbilder von der angeblichen Benachteiligung der Einheimischen, einem Anstieg der Kriminalität, von exorbitanten Belastungen für den Steuerzahler und ganz allgemein von einer Verschlechterung der Lebensqualität in der Stadt. Vertreter der Stadt und der Regierung von Unterfranken traten deshalb an, um mit Begriffsklärungen, Zahlen und Fakten die Unkenntnis zu beseitigen. Man hoffe, die Sorgen und Ängste zu entkräften: „Wir werden diese Herausforderung mit Ihrer Hilfe meistern können“, so der Oberbürgermeister.
Und: „Diese Menschen kommen nicht hierher, weil es uns so gut geht, sondern sie fliehen vor Gewalt, Krieg, Verfolgung, Vergewaltigung, oder weil in ihren Heimatländern die wirtschaftliche Lage desaströs ist. Niemandem von uns wird es schlechter gehen, niemandem wird etwas weggenommen, nicht sein Job, nicht seine Wohnung.“
Die Erstaufnahme-Einrichtung, die am 1. Juli 2015 in Betrieb gehen soll, wird 500 Plätze haben – und nicht 1000 oder gar 1500, wie immer wieder behauptet werde. Dafür will die Stadt sechs Gebäuderiegel in der Ledward-Kaserne von der Bundesanstalt für Immobilien-Aufgaben BImA kaufen und an die Regierung von Unterfranken weitervermieten, Betreiberin der Einrichtung mit 60 Arbeitsplätzen. Der Standort an der Südwestecke des Geländes werde die Pläne für den i-Campus in keiner Weise beeinträchtigen. In einer ersten Stufe werde der Abrams Club Mensa und Bibliothek des i-Campus aufnehmen, der Sprung auf das Kasernengelände – mit reichlich weiteren Gebäuden – folge später, je nach Bedarf.
Zahlen, Definitionen, Schicksale
Thomas Weingart, Sachgebietsleiter Asyl bei der Regierung von Unterfranken, skizzierte die Ausgangslage: Im September hatten bereits 150 000 Menschen Deutschland erreicht – vor allem aus Serbien, Afghanistan, Syrien und Eritrea. Bis Ende des Jahres werden es wohl 200 000 sein – der größte Flüchtlingsstrom seit dem Zweiten Weltkrieg, Tendenz angesichts all der blutigen Konflikte steigend. Aktuell gibt es eine wöchentliche Zuweisung von rund 150 Asylbewerbern in den Regierungsbezirk.
Wobei das internationale Recht strikt trennt zwischen Asylsuchenden und Flüchtlingen: Asylsuchende suchen Schutz, haben ihn aber noch nicht bekommen. Sie dürfen sich während des Anerkennungsverfahrens nicht frei niederlassen und die ersten neun Monate auch nicht arbeiten. „Der Flüchtling“, so Weingart, „unterscheidet sich von einem Asylbewerber dadurch, dass sein Status als Flüchtling von einer nationalen Regierung anerkannt wurde.“ Das gilt für die so genannten Kontingentflüchtlinge etwa aus Syrien – es sind 20 000 für ganz Deutschland. Sie dürfen sich frei niederlassen und auch arbeiten.
Zum Stichtag 31. August befanden sich 225 Asylbewerber in Schweinfurt, 159 in den Gemeinschaftsunterkünften der Regierung und 66 Personen in regulären Wohnungen im gesamten Stadtgebiet.
Weil die bislang einzigen bayerischen Erstaufnahme-Einrichtungen in Zirndorf und München hoffnungslos überfüllt sind, plant die Staatsregierung nun in jedem der sieben Regierungsbezirke eine solche Einrichtung. Hier finden eine erste medizinische Untersuchung und eine erste Anhörung statt. Dann, nach maximal drei Monaten, werden die Asylsuchenden auf Gemeinschafts- oder dezentrale Unterkünfte verteilt. Im Schnitt, so Weingart, dauert ein erstinstanzliches Anerkennungsverfahren sieben bis acht Monate, 60 bis 80 Prozent der Asylsuchenden bleiben aber viele Jahre in Deutschland, etwa weil in ihren Heimatländern weiter Krieg herrscht. Tatsächliches Asyl bekommen sehr wenige: Die Anerkennungsquote beträgt ein bis zwei Prozent.
Das Grundrecht auf Asyl
Hier setzt eine Frage aus dem Publikum an. Warum man denn dann die restlichen 98 Prozent nicht möglichst schnell wieder in ihre Heimat schicke, will ein junger Mann unter Vermeidung des Wortes „Abschiebung“ und unter Hinweis auf die Drittstaaten-Regelung wissen.
Remelé wie Weingart verweisen auf die Zuständigkeit des Bundes, machen aber auch eines klar: „Über allem steht das Grundrecht auf Asyl“, so Weingart. „Jeder Asylsuchende hat das Recht, dass sein Antrag geprüft wird, ganz gleich, welche Transportwege er genommen hat“, ergänzt Remelé.
Die Fragerunde bleibt, von dem einen oder anderen Zwischenruf abgesehen, weitgehend sachlich, auch wenn mitunter Vorurteile durchscheinen, etwa, dass die Asylsuchenden ja wohl keine Schulbildung hätten und gar nicht wüssten, was Lernen bedeute. Der Unterstellung, dass die Menschen in der Erstaufnahme-Einrichtung sich selbst überlassen und nur von ungeschultem Personal bewacht würden, widerspricht Weingart: Die Büros seien von 7 bis 20 Uhr geöffnet, und man habe die Anforderungen für die Sicherheitsdienste noch einmal verschärft, obwohl es bislang nie Probleme gegeben habe.
Die Stadt, so Sozialereferent Jürgen Montag, gibt schon jetzt jährlich 140 000 Euro aus, um den Asylsuchenden „das Leben und das Ankommen zu erleichtern“. Über die Stabsstelle „Gern daheim“ finde Betreuung und Beratung statt, außerdem kümmern sich Diakonisches Werk um die Asylsuchenden und Paritätischer Wohlfahrtsverband um die Flüchtlinge. Und viele Ehrenamtliche vom Sozialdienst katholischer Frauen, vom Evangelischen Frauenbund und vom Interkulturellen Begegnungszentrum für Frauen. Überdies soll bis Ende des Jahres ein Runder Tisch die Arbeit aufnehmen. Thomas Weingart ergänzt: „In jedem dezentralen Standort finden sich Unterstützer. Und diese Unterstützer bekommen ihrerseits Unterstützer, mit denen sie sich austauschen können.“
Dass immer wieder Konflikte auftreten, streitet niemand ab, auch wenn diese selten ethnische oder religiöse Ursachen haben, etwa beim Aufeinandertreffen von Schiiten und Sunniten: „In Zirndorf sind 2000 bis 3000 Menschen auf engstem Raum zusammengepfercht, da würden wir auch Probleme kriegen“, sagt Detlev Tolle, Chef der Polizeiinspektion. „Wir haben seit vielen Jahren Asylbewerber in Schweinfurt. Die sind uns nie aufgefallen, die sind völlig unauffällig.“ Natürlich bereite sich auch die Polizei auf die Veränderungen vor – „aber wir sind sehr entspannt“.
Dass Hilfe notwendig ist, steht ausser Frage.
Nur wie er es gerade vermitteln will, trifft die Sache nicht mal ansatzweise auf den Punkt.
Ganz sicher wird jemandem was weggenommen. Es ist nur nicht klar, wer drunter leiden wird, wenn uns mal die Kohle ausgeht.
Ich tippe ganz stark auf die nachfolgenden Generationen.
Wir haben mit unserem Generationenvertrag zu kämpfen, ein endloses Fass voller Hilfsbereitschaft wird entweder mal überlaufen oder halt mal leer werden. Je nachdem,
mit wieviel Optimismus man an die Sache rangehen will
Und: von wegen "sich nicht trauen" seine Meinung zu sagen. Was hat derjenige zu befürchten, der die Wahrheit ausspricht? In einer Demokratie kommt sie mit höherer Wahrscheinlichkeit ans Licht als in jeder anderen Staatsform.
Nur mal den ersten Kommentar lesen, dann sehen Sie, dass derjenige, der eine andere Meinung zu haben scheint, als rechte Dumpfbacke, neoliberaler Politiker, raffgieriger Finanzjongleur betitelt wird. Scheint vermutlich nur ein privates Problem mit Bankern bzw. der Vorfahren Tätigkeiten zu sein, aber demokratisch ist dies sicherlich auch nicht... Wobei, seine eigene Meinung möchte man bei uns immer sagen dürfen, nur die der anderen stört dann in der Demokratie gewaltig....