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SCHWEINFURT
Reinste, edelste, hingebendste Liebe
Charlotte Wahler
 |  aktualisiert: 11.02.2018 02:30 Uhr

Das Leben, die Liebe, die Literatur – wenn diese Drei sich zu einer harmonischen Einheit entwickelten, was gäbe es Schöneres? Bei Charlotte von Stein war es anders gekommen, dies stellte Schauspielerin Anika Mauer eindrucksvoll und hinreißend auf der Schweinfurter Theaterbühne dar.

Das Monodram „Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe“ von Peter Hacks ist eine Produktion des Berliner Renaissance-Theaters und spielt zu der Zeit, als Goethe ohne ein Wort seine Freundin und Weimar verließ, um nach Italien zu gehen. Das war im Jahr 1786 gewesen und es springen die Aktualitäten nur so über den Bühnenrand. Unsere gegenwärtigen Liebesmuster wurden wohl, so wie die Sprache auch, von den klassischen Dichtern geprägt.

Die liebende Frau, der große Mann, da ließen sich ganze Textpassagen auf heutige Beziehungsmuster übertragen! „Ja, es war Liebe, reinste, edelste, hingebendste Liebe.

Aber derjenige von uns beiden, der geliebt hat, war ausschließlicher Maßen ich“, erzählt Charlotte und ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, stellt sie den Menschen Goethe bloß, wie er als junger Mann nach Weimar kam und durch ihre Protektion sich zum großen Dichter entwickelte. Aber nicht nur durch ihre Protektion! Auch durch ihre Liebesgefühle, die sie verbarg, um sich nicht zu entblößen. „Er blieb zehn Jahre wegen meiner Grausamkeit, und weil ich ihn liebte, das war seine Grausamkeit … Den Herzensfrieden gab ich ihm nicht, darauf bin ich heute noch stolz! … Hätt ich ihm vertraut, er hätte mich gefressen und ausgespien!“ Diese tragischen Beziehungsmuster zwischen Mann und Frau klingen bekannt: „Ich war die Verkörperung des von ihm Ersonnenen … Ich bin sein Lebensanker, vor mir streckt er die Waffen. So geliebt zu werden, ist eine Qual.“

Uneingeschränkte Selbstsucht

Und was hat ein göttlicher Dichter zuerst? „Anspruch auf uneingeschränkte Selbstsucht“. Auf Gefühlsebene sei den vielen schönen Worten nicht zu trauen, sie seien eben Dichtung. Außerdem habe er auf diese Weise geliebt, weil er nicht fähig gewesen sei zu lieben, da sei der poetische Mehrwert entstanden, konstatiert die kühle Frau von Stein, die den sieben Jahre jüngeren Goethe zehn Jahre lang prägte wie kaum eine andere. Anfangs, in jungen Jahren „sein Recht auf Rüpelei, weil er ein Dichter war … wir die Asseln, er der Wundervogel … auf die Poeterei folgte die Ministerei … so war das Scheusal beschaffen, das ich von tiefstem Herzen liebte.“

In solch einer faszinierenden Liebesbeziehung zu stehen, ist die eine Seite, die andere Seite ist die Möglichkeit oder Unmöglichkeit eines gelingenden weiblichen Lebensentwurfs dieser Zeit: Charlotte von Stein, verheiratet in einer lieblosen Ehe mit dem Stallmeister Josias am Hofe des Herzogs Ernst August in Weimar, kann als intelligente, gebildete Frau sich nicht aus den Abhängigkeiten befreien, in die sie in ihrer Stellung als Hofdame, Ehefrau und Mutter gebunden ist.

Sie schildert ihre Situation: „Ich habe keinen Tag verbracht, ohne vor einem Mann zu zittern … Männer, die lärmen und schlecht riechen“, ihre sieben Schwangerschaften bezeichnet sie als sieben Mordversuche – in einer Zeit, in der das Kinderkriegen durchaus lebensgefährlich war. Was für ein Leben konnten Frauen sich damals entwerfen? „Wir müssen da lieben, wo wir nicht siegen können“, sagt sie und offenbart die Mechanismen des Geschlechterkampfes, die bis heute nachvollziehbar klingen, die aber veränderbar sind. Ihr aber blieb dies: „Ich allein weiß, in welchem Maß ich gescheitert bin.“

 
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