Schwer hämmert die Axt in den bunt bemalten, schartigen Holzschild. Die Nase des Skollfolk-Kriegers ziert eine Schramme, unter Nasalhelm und Kettenschleier. Manch Hüne sinkt nieder und entschwindet in Richtung Walhalla, die Schlachtreihe weicht zurück und drängt wieder vor, auf hitzeversengtem Kampfplatz.
Die Welt sieht anders aus, über die Klinge eines Schwerts hinweg betrachtet, Auge in Auge mit dem Gegner. Eine Ahnung davon erhält auch der Reporter vor dem Eingang des Wikingerdorfs. Ritter Kevin, ein Besucher aus Rothenburg ob der Tauber, möchte ihn dort in die Welt mittelalterlicher Zweikämpfe einweihen. Lektion gelernt, nach kurzem Schlagabtausch. Im echten Schlachtengetümmel hätte ein Schreiberling keine Chance.
Im Jahr 2018 haben die Wikinger das erste Mal ihre Banner im Albanpark aufgestellt, ebenso im Folgejahr. Dann kam Corona. Nun hallen ein Wochenende lang wieder die Hörner, fließt der Met in Mengen, pfirren Pfeile, raunen rätselhafte Runen, schwingen Schwertkämpfer schimmernden Stahl. Die Schonunger Vereine sind mit eigenen Ständen dabei. Kühne Walküren präsentieren Kriegsbemalung, langbärtige Piraten viel Haut und verschlungene Tattoos.
Dago Mulander zeigt ein langstieliges Beil mit wirklich kleinem Blatt, Modell Flaschenöffner. Der Hobby-Wikinger aus Hessen, der eigentlich Dirk Müller heißt, weiß, dass solch leichte Bewaffnung ausgereicht hat, den Feind auszuknocken. Helm, Kettenzeug und Schwert wären nur etwas für Reiche gewesen, die echten Nordleute gerade deswegen in die Welt hinausgefahren, weil sie arm waren – und sich oft nur mehrere Lagen Tuch und Kappen als Schutz leisten konnten.
Warum Hägers Hörnerhelm für Kenner der Szene gar nicht geht
Was für Kenner der Szene gar nicht geht, ist der Hörnerhelm. Den gab es höchstens zu kultischen Zwecken, erfahren die Besucher. Bei einem Waffengang hätte Hägars Kopfschmuck wenig Sinn ergeben, heißt es in der Mulandersippe: "Die Axt hätte sich bei jedem Hieb verhakt".
Das dritte Wikinger-Wochenende bei Schonungen hat Flair, der Andrang ist groß und Veranstalter Ralf Hofmann zufrieden, trotz des organisatorischen Aufwands: "Es war der bisher beste Freitagabend". Vor ein paar Jahren ist das Spektakel mal von Volkach mainaufwärts gewandert, der Kontakt kam ursprünglich bei einem Schweinfurter Kneipenfestival zustande.
Am Samstag wird Jarl Rottmann auf den Festplatz geleitet, alias Bürgermeister Stefan Rottmann, die Oberndorfer Barden spielen uralte Weisen. Gaukelei und Kinderspiele erfreuen die Jüngsten. Man kennt sich in der Szene.
Was Wikinger-Schaukämpfer unter ihrer Rüstung tragen
Händler "Lasse Kaumhaar" hat schon mal was zum Wärmen für den Winter dabei, Metflaschen und kuschelig warme Rentierfelle. Der Braunschweiger Lars Penkul bezieht die Pelze von den Sami, den finnischen Ureinwohnern. Peter Weidner wiederum ist Osteopath aus Würzburg und schaut urig aus, mit Schamanenhut, Zauberstab oder Glücksrunen. Ihm zur Seite steht Ehefrau und Ausstatterin Bettina.
"Waelwulfas" oder "Skollfolk" nennen sich die Schaukämpfer, die Eishockeyschutz unter den Rüstungen tragen sollen. Die Kampfstile unterscheiden sich nach den erlaubten Trefferzonen. Der einsteigerfreundliche "Codex Belli" erlaubt nur Angriffe auf den Rumpf und kommt in Schonungen zur Anwendung. "Havel" wäre die Steigerung, beim "Huscarl" ist bis auf Schläge in Gesicht und Hals alles möglich. Anderswo soll es wirklich scharfe "Holmgänge" geben. Lagerchef Tobias Molz aus Köln erklärt, wie gekämpft wurde.
In der Regel war es Teamarbeit. Vorn stand der Mann mit dem Schwert, in der zweiten Reihe ein Axtkämpfer, der versucht hat, für ihn den gegnerischen Schildwall aufzubrechen. "Viele sind durch Mittelaltermärkte in die Szene gekommen", sagt Bianca aus Haßfurt, die dem Skollfolk angehört und die gesunde Küche der Altvorderen schätzt, Flammlachs mit Wacholder etwa.
Was echte Fans am Lagerleben der Wikinger begeistert
Entschleunigend sei das Lagerleben auch. Auf Sohn Colin ist Bianca besonders stolz. Der 18-jährige Forstwirt steht noch als Vorletzter im "Kreis der Ehre", bis er sich einem erfahrenen Streiter beugen muss. Am Ende dürfen Kinder aus dem Publikum die Schlachtreihe durchbrechen.
Für jeden ist ein bisschen was dabei: junge Familien, Reenactment-Enthusiasten, die dem offiziellen Wikinger-Distrikt 96 angehören oder Fans der Kultserie "Vikings". Es wird gemunkelt, dass der eine oder die andere Teilzeitberserker sogar wirklich zu alten Göttern betet. Wer weiß ...
Ein kleines Zeichen hat Odin ja geschickt, am Freitag, benannt nach seiner Gattin. Da ist doch tatsächlich die "Viking Vali" durch den Main gepflügt, am Zeltlager vorbei. Das Schiff wurde nicht etwa von Nordmännern gerudert, sondern gehört einer Schweizer Flusskreuzfahrtlinie.
Vali, das war der Sohn des Göttervaters, der den arglistigen Loki besiegt und sogar Ragnarök überstanden hat, den Weltenbrand. Das stimmt grundsätzlich optimistisch.