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SCHONUNGEN
Raum Schonungen: Verlassen im Funkloch
Kein Netz: Reichmannshausen, Löffelsterz, Marktsteinach, Rednershof und Hausen haben keinen Handyempfang – ein Standortnachteil. Das Bild entstand bei einer Demo in Reichmannshausen.
Foto: Hager | Kein Netz: Reichmannshausen, Löffelsterz, Marktsteinach, Rednershof und Hausen haben keinen Handyempfang – ein Standortnachteil. Das Bild entstand bei einer Demo in Reichmannshausen.
Nike Bodenbach
 |  aktualisiert: 16.02.2015 12:36 Uhr

Wenn auf dem Fußballplatz in Reichmannshausen einer im Mittelkreis steht, heißt das nicht unbedingt, dass er auch gleich den Ball anstößt. Oft wandert da jemand einsam umher und tippt SMS. Denn: Der Anstoßpunkt ist einer der ganz wenigen Flecken des Schonunger Ortsteils, an dem das Mobiltelefon wenigstens einen Empfangsbalken zeigt. Reichmannshausen ist ein Funkloch, genauso wie Marktsteinach, Hausen, Löffelsterz und der Weiler Rednershof. Bürger und die Gemeinde kämpfen für Handymasten, doch die Mobilfunkanbieter wiegeln ab: zu teuer. Viele Briefe von Bürgermeister Stefan Rottmann, eine Unterschriftenaktion, Demonstrationen und Berichte in den Medien – nichts hat bislang etwas gebracht. Die „Süddeutsche Zeitung“ wählte Reichmannshausen kürzlich unter die „fünf schönsten Funklöcher“, neben dem Nordpol und dem Ruhebereich im ICE.

450 Leute wohnen in Reichmannshausen, insgesamt sind mehr als 2000 betroffen. Aber weil die Ortsteile weit verstreut zwischen Hügeln liegen, bräuchte jeder seinen eigenen Sender. Das versaut die Kalkulation. Eine gesetzliche Verpflichtung der Telekommunikationskonzerne, ihre Netze flächendeckend auszubauen, gibt es nicht. „Die Leute sind sehr frustriert“, sagt der Bürgermeister. Selbst an Alexander Dobrindt, den Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, hat Rottmann schon geschrieben. „Man kriegt halt immer dieselben Antworten.“ Die Politik betone stets, dass sie auf das Handeln der Unternehmen in einer freier Marktwirtschaft keinen Einfluss habe. Den Bürgermeister des chronisch klammen Schonungen macht das ratlos. Selbst Masten aufzustellen, das verböten die Gesetze, wenn es die Finanzlage nicht ohnehin täte.

Auch Landrat Florian Töpper stand ohne Empfang schon mal dumm da. Sein Grußwort bei einer Veranstaltung in Marktsteinach war etwas schneller gesprochen als gedacht. Vor der Tür wollte er seinen Chauffeur anrufen, damit der ihn früher abholt und zum nächsten Termin bringt. Aber Pech gehabt: Handy tot, warten.

Dass der fehlende Handyempfang mehr ist als ein Ärgernis des Alltags, zeigt sich in Notsituationen. Den Hausarzt unterwegs erreichen? Fehlanzeige. Den Pfarrer zu einem Sterbenden rufen, wenn der bei einem anderen Schäfchen weilt? Keine Chance. Ganz zu schweigen vom Notruf. Wer mit dem Auto im Graben liegt, hat keinen Festnetzanschluss.

Rottmann hofft nun, dass die Ortsteile über das Breitband-Förderprogramm des Freistaats möglichst schnell einen Glasfaseranschluss für schnelles Internet bekommen. Denn das Glasfaserkabel wird auch für Mobilfunkmasten gebraucht, womit diese Investition den Mobilfunkanbietern schon mal erspart bliebe. In Hausen und Marktsteinach liegen bereits Glasfaserkabel, die Kabel Deutschland verlegt hat.

Die Telekom kann sich laut Rottmann nun vorstellen, in Marktsteinach einen Handymast hinzustellen. Es gibt offenbar entsprechende Gespräche mit einem Grundstückseigentümer, dessen Areal ideal liegt. Für die Telekom käme der Mast hier verhältnismäßig günstig. Lässt sich der Besitzer darauf ein, seinen Grund zu verpachten, könnte das was werden. Als „am realistischsten“ schätzt Rottmann die Mobilfunkversorgung für Marktsteinach ein, Hausen wäre wegen der Glasfaseranbindung ebenfalls noch denkbar. Aber der Rest? „Da tut sich gar nichts“, sagt der Bürgermeister, „das ist eine verfahrene Situation“.

 
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  • chrihand
    und in Tunesien hat man in weit abgelegenen Oasen UMTS und auf Kreta in kleinen Fischerdörfern schnelles DSL.
    Ich kenne Firmen, die ihre Produktion nach Slovenien verlagert haben, nur weil es dort schnelles Internet gibt. Das ihnen hier in Deutschland kein Carrier legen will....
    Hier gibts Industriegebiete, in denen DSL 16000 schon ein Glücksfall ist.
    Deutschland schafft sich ab...
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  • tagblatt_leser
    Da setzen Bürger in einigen Schonunger Ortsteilen alles daran, dass sie an den Errungenschaften des so genannten Informationszeitalters - dem Mobilfunk - teilhaben können. Sie haben auch erkannt, dass dieses Medium gerade in Notfällen besonders wichtig ist. Es bleibt zu wünschen, dass sich mindestens ein Mobilfunkbetreiber findet, der für die entsprechende Infrastruktur (dem Bau von Mobilfunkbasisstationen) sorgt.

    Es gibt leider (!) Kommunen, die alles daran setzen, ihre Bürger vor den vermeintlich "bösen Strahlen" zu "schützen". Schon ein elektrosmoghysterisches Gemeinderatsmitglied mit ausgesprochenem Sendungsbewusstsein genügt, den Rest der Kommunalpolitiker davon zu "überzeugen". Belegt wird dies mit dubiosen Gutachten.

    Die Folge: Erlass von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen, die den Bau von Mobilfunkmasten an Nutzungsschwerpunkten verhindern oder zumindest erschweren.

    Paradebeispiel für derartigen kommunalpolitischen Nonsens ist die Gemeinde Ditt
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