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Schweinfurt
Rassismus gibt es auch in der Multikulti-Stadt Schweinfurt
54 000 Menschen aus 125 Nationen leben in Schweinfurt. Was einige von ihnen bei einer Podiumsdiskussion erzählten, lässt tief blicken. Nicht nur auf die Stadt.
Was Student Georges Guillaume Gambadatoun in Schweinfurt erlebte, hat die Besucher der Podiumsdiskussion gegen Rassismus und Diskriminierung im Bayernkolleg wohl am meisten bewegt. 
Foto: Anand Anders | Was Student Georges Guillaume Gambadatoun in Schweinfurt erlebte, hat die Besucher der Podiumsdiskussion gegen Rassismus und Diskriminierung im Bayernkolleg wohl am meisten bewegt. 
Katja Beringer
 |  aktualisiert: 03.12.2019 11:07 Uhr

Schweinfurt ist im Grunde ein Paradebeispiel für das Einwanderungsland Deutschland. Rund die Hälfte seiner Einwohner hat Migrationshintergrund, 125 Nationalitäten sind hier vertreten – Türken, Griechen, die so genannten Russlanddeutschen, aber auch Menschen aus Somalia, Algerien, Armenien. Das Ankerzentrum spielt dabei eine Rolle, wenn auch eine insgesamt gesehen untergeordnete. Schweinfurt ist nicht groß, aber multikulti, das wird an diesem Abend im Bayernkolleg deutlich. Und ebenso, dass es Rassismus und Diskriminierung auch hier gibt. Vielleicht nicht mehr, aber auch nicht weniger als anderswo.

Der Integrationsbeirat hatte am Dienstag, dem Internationalen Tag gegen Rassismus, zur Podiumsdiskussion eingeladen. Die Resonanz war groß, etwa 90 Besucher kamen. Einige diskutierten mit, einige erzählten selbst, was sie erlebt hatten. Und diese Beispiele waren es, die nach dem Abend hängen blieben.

Die junge Frau, die vor drei Jahren das erste Mal auf der Straße angefeindet worden ist. 16 Jahre lebt sie in Deutschland, trägt seit drei Jahren ein Kopftuch und hätte nie gedacht, dass fremde Männer sie deswegen offen anfeinden würden. Oder die Frau mit deutschen Wurzeln, die vor 30 Jahren aus der damaligen Sowjetunion nach Franken zog, Diskriminierung immer wieder erlebt und das Gefühl hat, dass Menschen mit Migrationshintergrund, mit anderem Aussehen oder Akzent Höchstleistungen bringen müssen, um anerkannt zu sein.

Warum Georges Guillaume Gambadatoun seinen Job verloren hat

Oder das Beispiel von Georges Guillaume Gambadatoun, dem Student, der seinen Job verloren hat, nachdem man ihn fälschlicherweise verdächtig hatte, gestohlen zu haben. Er habe in einem großen Geschäft in Schweinfurt eine Hose gekauft, gezahlt, wurde beim Hinausgehen angehalten, ein Mitarbeiter kontrollierte den Inhalt seiner Tasche, den Kassenzettel. Trotzdem tauchte etwas später eine Ladendetektivin an seinem Arbeitsplatz auf, samt Polizei. Der Vorwurf: Ladendiebstahl. Wieder wurde seine Rucksack durchwühlt, doch diesmal wurde er aufgefordert, die Hosen auszuziehen. Kopfschütteln, Raunen unter den Zuhörern.

Auf dem Podium (von links) Lehrerin Klaudyna Pakosch, Diakonin Sandra Windisch, Moderator Norbert Steich, Oberbürgermeister Sebastian Remelé und Stefan Lutz-Simon.
Foto: Anand Anders | Auf dem Podium (von links) Lehrerin Klaudyna Pakosch, Diakonin Sandra Windisch, Moderator Norbert Steich, Oberbürgermeister Sebastian Remelé und Stefan Lutz-Simon.

"Das macht mich wahnsinnig", sagt Stefan Lutz-Simon dazu. Den Leiter der Jugendbildungsstätte Unterfranken, ehemals Landeskoordinator für das Projekt Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage macht dieser Fall wütend. Auch wenn er ihn nicht überrascht. Die Vorurteile im Kopf, das Verknüpfen von Nationalitäten oder Herkunft mit einem möglichen Verhalten, das gebe es überall. Nicht nur in Deutschland. Rassismus hält sich hartnäckig, sagt Lutz-Simon, dabei dürfte es ihn gar nicht geben. Schließlich gebe es keine Rassen, nur Menschen, deren Erbgut zu 99,9 Prozent identisch ist.

Relikte aus der Kolonialzeit

Der Rassismus, erklärt er, stamme aus Kolonialzeiten, als man auszog, Bodenschätze zu beschaffen  und die Einwohner des Landes als vermeintlich guter Christ nur unterdrücken konnte, wenn man sich als der Überlegene ansah. Ein Denken, das seine Spuren hinterlassen hat. In jedem von uns. Dessen, sagt Lutz-Simon, müsse man sich bewusst werden, dagegen angehen. "Rassismus beginnt im Kopf", sagt auch Diakonin Sandra Windisch, die sich wünschen würde, dass "wir uns als Wir begreifen". Als eine Gemeinschaft, die gemeinsam eine Kultur gestalte.

Auch Oberbürgermeister Sebastian Remelé, der ebenfalls auf dem Podium sitzt und das Zusammenleben der multiethnischen Gesellschaft hier insgesamt als "sehr gut" empfindet, sieht das als Aufgabe. Auch wenn er lieber von Respekt und Würde spricht, mit dem man sich begegnen solle. Werte, die vor allem Eltern ihren Kindern mitgeben sollte. Aber auch die Schule, wie Lehrerinnen betonen. Lehrerinnen, die – wie Klaudyna Pakosch vom Walter-Rathenau-Gymnasium – nicht nur Misstände aufgreifen, mit ihren Schülern besprechen. Pakosch sieht sich vor allem in der Vorbildfunktion. Was sie sich wünschen würde, fragt Moderator Norbert Steiche vom Bayerischen Rundfunk. "Dass wir damit anfangen, Sätze zu streichen wie 'Ich bin ja nicht gegen Ausländer, aber . . .'"

Zusammenhalt statt Spaltung, die Herausforderungen einer Einwanderungsgesellschaft – Appelle und Fragen, denen man an diesem Abend nachgehen wollte. Gelungen ist das im Ansatz. Antworten, Patentlösungen gibt es nicht. Und kann es auch nicht geben. Das wird nach der Diskussion klar. Aber auch, dass man selbst gefragt ist. Anderen offen und mit Respekt zu begegnen, hinzuschauen, was Menschen erleben, einzuschreiten und auch, offen darüber zu sprechen. Wie an diesem Abend.

 
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  • H. M.
    Was muss passieren,
    "Dass wir damit anfangen, Sätze zu streichen wie 'Ich bin ja nicht gegen Ausländer, aber . . .'"?

    „Die junge Frau, die vor drei Jahren das ERSTE Mal ....... trägt seit drei Jahren ein Kopftuch und hätte nie gedacht, dass .... offen anfeinden würden.“

    Sind es die (Vater und Brüder) der Frau, die ihre Dreijährige in Deutschland 16 Jahre so erzogen haben, dass Sie in einem freien Land wie Deutschland ganz bewusst und provokativ das Kopftuch aufsetzt oder vielleicht sogar gezwungen wird es aufzusetzen?
    oder ist es der Schweinfurter, bei dem in der Multikulti-Stadt nicht ausgeschlossen werden kann, dass er selbst einen Migrationshintergrund hat?

    Eine schwierige Frage, die man nicht all zu leicht damit abtun sollte nur nach rechts zu schauen.

    Ein Mädchen, das bis auf die ersten drei Jahre in Deutschland lebt und mit 18 öffentlich zeigt, Sie gehört nicht zu uns, das dürfte und darf sich nicht wundern.

    Im Urlaub sind wir alle Ausländer!

    Aber doch nicht bei uns?

    Gruß
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