Skurrile Clowns widersetzen sich dem Grün der alles überwuchernden Blätter, die mächtigen Stämme tragen Plaketten, sind nummeriert: die „Narren im Bürokratenwald“ schlagen der Bürokratie ein Schnippchen. Ralf Bergners Anspielungen sind subtil und selten gleich auf den ersten Blick zu erkennen. Der Maler und Zeichner zeigt im Museum Otto Schäfer überwiegend kleinformatige Zeichnungen und Radierungen, deren Präsentation einiges Geschick bedarf. In den Vitrinen werden sie auf unorthodoxe, gleichwohl äußerst wirksame Weise ausgestellt.
Bücher aus dem 19. Jahrhundert versieht Bergner auf den Titelblättern mit Handzeichnungen, macht Unikate aus ihnen und holt sie in die Jetztzeit. „Eine empfindsame Reise im Automobil“ bekommt von Bergner eine ganze Reisegesellschaft verpasst, bei dem „Taschenbuch zur Ungezieferbekämpfung“ frönt er seiner Leidenschaft fürs Tierisch-Menschliche. Ein rückwärts gerichteter Blick ist es nicht, der Bergner dazu animiert, eher technische Bücher aus dem 19. Jahrhundert mit Zeichnungen auf dem Titelblatt zu versehen. Vielmehr liest er sie neu, aus seiner gegenwartsbezogenen Sicht.
Häufig nimmt Bergner Bezug auf konkrete Orte, die ihn zum Zeichen- oder Radierstift greifen lassen. Da ist dieses Blatt mit zahllosen Architekturveduten Berliner Ansichten, Details meist, hier eine Tordurchfahrt, ein Brückenpfosten, eine Mansarde. In der Summe wachsen die Fragmente zu einem großen Ganzen, dem jedoch nicht das Kleine, Genaue verloren geht.
So verschmitzt er selbst lächelt, so schürzen bisweilen seine Modelle die Lippen. Die Marketenderin mit dem lilafarbenen üppigen Hut auf dem Titel der Reihe „Satyren und Launen“ mag dafür Beispiel sein. Ausflüge in die Welt der Musik gibt es, ein Blatt zum „Karneval der Tiere“ verleitet zum genauen Hinsehen: drei Käfer krabbeln die Notenlinien entlang, anderes Geziefer bevölkert die Partiturenseite. Ein Studienaufenthalt in Wien hat ihn geprägt, Begegnungen mit Paul Flora, Walter Koschatzky und Alfred Hrdlicka blieben nicht folgenlos. Kaffeehausszenen wie der „Oberkellner“ oder der „Tiroler im Bordell“ sind Reminiszenzen an diese Zeit.
Kleinstformate montiert Ralf Bergner zusammen, in Reihen zu fünf mal sieben Miniaturen fügen sich zusammen, der Betrachter wird immer neue Details finden. Bergner schreibt nichts fest, Motive tauchen immer wieder auf, werden abgewandelt. Der „Dirigent in Nöten“ ist mehrfach zu sehen. Die Zuschreibung, er sei ein „Satiriker“ trifft seine Arbeitsweise nicht wirklich, wenngleich ein Schmunzeln selten zu verkneifen ist. „Ich mache nur das Unsichtbare des Menschen, sein Wesen, sichtbar“, sagt der heute in Berlin lebende Künstler.
Da verwundert es nicht, dass die Tieranmutungen seiner Figuren nicht beabsichtigt sind, sondern zur Verdeutlichung eines Charakters dienen. Voltaire steht vor Friedrich dem Großen – jeder Betrachter mag sich seinen Reim darauf machen, warum sie wie Hund und Katz‘ scheinen. Friedrich der Große taucht mehrfach auf, ein großes Blatt zeigt ihn vor Schloss Sanssouci, Katharina die Große sitzt mit dabei und Voltaire geistert wieder mit durch das Bild. Für die Ausstellung „Gegen den Strich“ braucht der Besucher etwas Zeit, er wird belohnt durch eine Fülle wunderbarer Zeichnungen.
Ralf Bergner, „Gegen den Strich“, Museum Otto Schäfer, bis 24. Juni