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SCHWEINFURT
Rätseln gegen die Zeit
Binnen einer Stunde müssen Martin Nefzger und Laura-Sophie Lang im Escape-Room das Rätsel um das Schweinfurter Grün im Zimmer von Professor Fischer lösen.
Foto: Julian Rohr | Binnen einer Stunde müssen Martin Nefzger und Laura-Sophie Lang im Escape-Room das Rätsel um das Schweinfurter Grün im Zimmer von Professor Fischer lösen.
Julian Rohr
Julian Rohr
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:07 Uhr

Die Zeit läuft – uns bleiben 60 Minuten: Laura, Martin und ich hasten eifrig durch das Zimmer. Unsere Blicke durchkämmen den kompletten Raum, suchen jede noch so kleine Auffälligkeit. Das Licht schimmert in einem grell leuchtenden Grünton, das von zwei Schiefertafeln an der Wand reflektiert wird. Sie sind mit unzähligen mathematischen Formeln bekritzelt. Darunter ein Regal mit einer DVD-Sammlung, einer Tafelwaage, einer Sammlung mit Figuren aus dem Überraschungsei und einigen blau-getönten Glasflaschen. Auf der anderen Seite des Zimmers steht ein Schreibtisch, über dem das Periodensystem angebracht ist. Der große, weiße Schrank direkt daneben ist mit fünf Fächern versehen – jedes davon mit einem Schloss verriegelt. Unsere Aufgabe ist es, alle Schlösser zu knacken und so den Zugangscode für den Tresor zu erhalten. Darin soll sich das Geheimnis vom neuen, sagenhaften „Schweinfurter Grün“ verbergen. Entwickelt wurde es von einem Professor Fischer. Ihm gehört auch das Büro, in dem wir uns befinden. Fischer ist vor wenigen Tagen spurlos verschwunden, so heißt es zumindest in der Geschichte, die uns erzählt wird.

Rätsel mit lokalem Bezug

Denn natürlich gibt es den Professor nicht wirklich. Für unser Abenteuer im Escape-Room „Geheimnisreich“ in Schweinfurt wirkt seine Existenz – wenn auch nur für kurze Zeit – jedoch real. Entwickelt wurde das Konzept von Michael Wilhelm. Der promovierte Psychologe arbeitet eigentlich in der Personal- und Organisationsentwicklung. Er selbst ist leidenschaftlicher Escape-Room-Gänger und hat schon viele Einrichtungen in ganz Deutschland besucht. Daraus sei schließlich die Idee entstanden, das Konzept auch in Schweinfurt anzubieten. Im Oktober eröffnete das „Geheimnisreich“ – seither hat es drei Mal die Woche oder auf Terminvereinbarung geöffnet. „Es gibt viele Escape-Rooms, in denen eine wahnsinnige Geschichte erzählt wird, bei der man am Ende nur noch verwirrt ist“, so Wilhelm. Er habe daher versucht, das Rätsel in den Vordergrund zu stellen und eine simple Geschichte zu erzählen. Um auch einen lokalen Bezug herzustellen, sei es ihm wichtig gewesen, Schweinfurter Elemente einzubauen – als „signifikante Unterscheidungsmerkmale“ zu den bisherigen Einrichtungen.

Das merken auch wir schnell: Bei einem Rätsel geht es darum, auf einem Stadtplan Schweinfurts einen Zahlencode zu erkennen – eine Aufgabe, an der wir kläglich scheitern, während der Bildschirm an der Wand unermüdlich die Zeit weiter herunterzählt. Zu Beginn sind wir noch unkoordiniert. Wir müssen im Raum versteckte Zahlenrätsel entziffern, deren Lösung wir auf einem Blatt Papier mit leeren Feldern eintragen müssen. Daraus sollen sich dann die Kombinationen für die fünf Schlösser ergeben, hinter denen sich weitere Rätsel verbergen.

Spannung über 60 Minuten

Die Aufgabe scheint schier unmöglich: Wie sollen wir es auch schaffen? Anweisungen gab es zu Beginn keine, nur so viel: Es sei nicht notwendig, Einrichtungsgegenstände zu zerstören. Und: Alles, was wir machen, wird per Kamera festgehalten und vom Spielleiter beobachtet. Erschwert wird unsere Aufgabe durch sogenannte Distraktoren, auch „Ablenker“ – Gegenstände, die nichts mit der Aufgabe zu tun haben, aber bewusst in die Irre führen oder vom eigentlichen Rätsel ablenken sollen.

Es ist nur eine von vielen Maßnahmen, die Wilhelm eingebaut hat, um den Spannungsbogen über die vollen 60 Minuten halten zu können. Über Monate hinweg entwickelte er das Zimmer Schritt für Schritt zu einem Rätsel-Spielraum. Damit die Zeit knapp, aber nicht zu knapp ist, probt er einzelne Durchläufe mit der Familie, Freunden und Bekannten. Die Rätsel sind immer so designt, dass sie auch dann noch zu knacken sind, wenn sie im Spiel einmal falsch gelöst oder gar zerstört wurden, so der Psychologe. Viele Gegenstände habe er auf dem Schweinfurter Flohmarkt entdeckt.

Jede Gruppe ist anders

Zudem werden bei den Rätseln alle Sinne miteinbezogen. Einmal müssen wir verschiedene Gerüche aus einem Reagenzglas zuordnen, ein anderes Mal gibt ein MP3-Player Hinweise auf die Lösung – sogar ein Haartrockner ist mit im Spiel. Nach und nach entdecken wir immer mehr Details, die sachdienlich sein könnten, um versteckte Hinweise aufzuspüren. Wir merken schnell: Es ist wichtig, planvoll vorzugehen, aktiv miteinander zu kommunizieren, geschickt zu analysieren und sinnvoll zu kombinieren. Durch unsere Teamarbeiten gibt es die ersten Aha-Effekte und Erfolgserlebnisse. Immer mehr Felder auf dem Blatt Papier können wir mit Zahlen ausfüllen; die ersten Schlösser sind bereits geöffnet.

Dabei sind wir nur zu dritt; normalerweise dürfen bis zu sechs Personen in einem Raum rätseln. Doch der Tresor ist noch nicht geöffnet – und uns bleibt nur noch eine Viertelstunde.

Genau solche Drucksituationen sollen in Escape-Rooms entstehen: „Es ist kein Team wie das andere“, erklärt Wilhelm. Er habe schon die volle Bandbreite unterschiedlicher Gruppendynamik erlebt – von analytisch und kühl bis „hyper-aufgeregt“. Es kommen vor allem junge Menschen, Studierende oder Junggesellenabschiede, auch international. Das Rätsel ist daher auch parallel auf Englisch angelegt. Kürzlich habe er aber auch eine Gruppe mit 50- bis 60-Jährigen dagehabt. Einmal, so erzählt er, standen drei Mädchen so sehr unter Strom, dass sie angefangen hätten, sich zu streiten und anzuschreien. Als promovierter Psychologe schließe er daraus jedoch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse: „Man könnte versuchen, den gruppendynamischen Prozess zu analysieren, aber das wäre zu hoch gegriffen“. Nur 55 Prozent haben das Rätsel um das „Neue Schweinfurter Grün“ gelöst. Wir gehören dazu.

Mit zehn Minuten verbleibender Zeit gelingt es uns auf Anhieb, den Tresor zu öffnen und das Geheimnis zu lüften. Das grüne Büro von Professor Fischer verlassen wir etwas stolz und beflügelt von unserem Erfolg – aber vor allem als gestärktes Team.

Michael Wilhelm entwickelte das Konzept des Escape-Rooms „Geheimnisreich“ in Schweinfurt. Im Nebenzimmer kann er auf seinem Bildschirm alles beobachten.
Foto: Julian Rohr | Michael Wilhelm entwickelte das Konzept des Escape-Rooms „Geheimnisreich“ in Schweinfurt. Im Nebenzimmer kann er auf seinem Bildschirm alles beobachten.
Binnen einer Stunde müssen Martin Nefzger und Laura-Sophie Lang im Escape-Room das Rätsel um das Schweinfurter Grün im Zimmer von Professor Fischer lösen.
Foto: Julian Rohr | Binnen einer Stunde müssen Martin Nefzger und Laura-Sophie Lang im Escape-Room das Rätsel um das Schweinfurter Grün im Zimmer von Professor Fischer lösen.
Der Psychologe Michael Wilhelm hat den Escape Room in Schweinfurt konzipiert.
Foto: Julian Rohr | Der Psychologe Michael Wilhelm hat den Escape Room in Schweinfurt konzipiert.
Binnen einer Stunde müssen Martin Nefzger und Laura-Sophie Lang im Escape-Room das Rätsel um das Schweinfurter Grün im Zimmer von Professor Fischer lösen.
Foto: Julian Rohr | Binnen einer Stunde müssen Martin Nefzger und Laura-Sophie Lang im Escape-Room das Rätsel um das Schweinfurter Grün im Zimmer von Professor Fischer lösen.
 
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