Über Faust, die deutsche Tragödie schlechthin, sollte eigentlich schon alles gesagt sein. Möchte man meinen und staunt dann doch, mit welchem Reichtum an Ideen, eigenen Entdeckungen, die Schweinfurter Radierwerkstatt und die Schweinfurter Autorengruppen sich in einem gemeinsamen Projekt mit dieser "Tragödie aller Tragödien" auseinandersetzen.
So nennt die Projektleiterin und ausgewiesene Goethe-Kennerin Johanna Bonengel das zentrale Werk Goethes, mit dem sich die Beteiligten aus der Perspektive eines heute Lebenden beschäftigten. "Habe nun, ach!" ist das ambitionierte und für Schweinfurt bislang einzigartige Vorhaben überschrieben. Dabei habe nicht jeder sein eigenes Ding gemacht. Sich gegenseitig beflügeln, inspirieren, sei das Ziel gewesen, sagte Bonengel, die Kraft in die Tat umzusetzen, um mit Goethe zu sprechen.
Warum Faust? Auch heute noch greife Faust ins volle Menschenleben. Innere Zerrissenheit, die Suche nach dem Sinn des Lebens, unternehmerische Raffgier, künstliche Intelligenz, waren einige der Stichworte Bonengels. Die Geschichte des maßlosen Egozentrikers sei die wahre Menschheitsparabel.
Die Autoren sind auf Stelen vertreten
Dass sich die beiden Gruppen in vielen Jahren in Schweinfurt ein besonderes Renommee erarbeitet haben, bewies die überaus gut besuchte Vernissage im Kunstsalong des Kunstvereins in der Kunsthalle. Beteiligt sind 15 Radierer und zehn Autoren. Die Autoren sind im Kunstsalong auf im Raum verteilten Stelen vertreten. Dafür haben sie Zitate ausgewählt, geben Hinweise, was sie ihnen bedeuten, in ihnen ausgelöst haben. Bei einer Lesung am 28. April (11 Uhr) werden sie ihre daraus entstandenen Gedichte, Kurzgeschichten und Dialoge vorstellen.
Die Radierer sind mit den unterschiedlichsten Techniken in einem sich über Wochen und Monate erstreckenden Prozess an die Arbeit gegangen. Sie äußern sich figürlich, abstrakt, in Mischformen. Ihre Arbeiten sind expressiv, auch verträumt, manchmal volkstümlich naiv. Sofort ins Auge springt ein sechsteilige Arrangement Monika Dorbands an der prominenten Stirnseite des Kunstsalongs, einer blau- und türkisfarbigen märchenhaften Darstellung des Prologs im Himmel.
Der Osterspaziergang, Auerbachs Keller, die Hexenküche, die Walpurgisnacht werden thematisiert Am stärksten beeindruckt zeigen sich die Radierer von der Gretchentragödie, dem Mädchen, das verführt und auch schuldig wurde ("Mein Kind hab' ich ertränkt"). Faust selbst taucht nur einmal auf, in Hans-Georg Schmidts "Da steh' ich nun ich armer Tor". Schmidt ist der Leiter und meisterhafte Drucker der Radierwerkstatt.
Neue Zugänge zur Kunst schaffen
Bei der Eröffnung sprach der Vorsitzende des Kunstvereins, Ralf Hofmann, von einem bemerkenswerten Projekt, von einer reichen Stadt mit Akteuren, die zeigten, dass Kultur nicht allein von Institutionen gestaltet werden muss, sondern aus der Stadtgesellschaft heraus erfolgt. "Ihr gestaltet unsere Stadt mit." Da es bedauerlicherweise heute nicht mehr gelinge, alle Generationen anzusprechen, sei es wichtig, neue Zugänge zur Kunst zu schaffen. "Darum ist es umso mehr zu schätzen, was hier geleistet wird."
Dies griff Bürgermeisterin Sorya Lippert mit dem Hinweis auf, dass es wichtig sei zu zeigen, dass Literatur immer wieder etwas Neues zu sagen habe. Der Ausstellung wünschte sie, dass Faust neu gesehen, neu verstanden werde. Einen besonderen Akzent setzten Anika Peter und Theodor Spannagel mit ihrer dreiteiligen Performance, in der sie Faustzitate musikalisch lautmalerisch und manchmal ein bisschen schräg interpretierten.
An der Ausstellung, die bis zum 5. Mai zu sehen ist, beteiligen sich Gerda Birken, Felice Casper, Monika Dorband, Joachim Greschner, Christa Grumbach, Hans Haering, Ute Kaisik-Groß, Herbert Hack, Dieter Kraft, Barbara Kuhn, Gabriele Rehberger, Hans-Georg Schmidt, Gabriele Schöpplein, Silvia Pfister-Stanjek, Ursula Weidinger, Renate Eckert, Joachim Engel, Günter Hein, Peter Hub, Manfred Manger, Anika Peter, Anna-Paula Steiner, Linde Unrein und Hanns Peter Zwißler.