Anfang Juni hat der Stadtrat die viel diskutierte Sperrung der Spitalstraße für Radfahrer werktags zwischen 11 und 18 Uhr beschlossen. Das Fahrverbot trat Anfang August in Kraft, kassiert wurde aber noch nicht. Man beließ es bei Hinweisen aufs Verbot, das an Sonn- und Feiertagen und für Kinder bis zehn Jahre nicht gilt.
Seit Anfang Oktober gibt es aber kein Pardon mehr, erfuhren die Stadträte Ayfer Fuchs (Grüne) und Uli Hader (CSU) auf ihre Nachfragen im Bau- und Umweltausschuss des Stadtrates am Donnerstag von Jan von Lackum. Der Ordnungs- und Sicherheitsreferent bestätigte, dass der städtische Verkehrsüberwachungsdienst – teilweise mit Unterstützung der Polizei – gerade zu Beginn der Bußgeld bewährten Kontrollen „relativ häufig“ in der Spitalstraße zu den unterschiedlichsten Zeiten präsent sei. 70 Prozent der ertappten Radfahrer zahlten die 15 Euro Bußgeld sofort. Die anderen legten Wert auf einen schriftlichen Strafzettel, möglicherweise um zu widersprechen, mutmaßte von Lackum.
Der Sicherheitsreferent erklärte weiter, dass die Radfahrer in den ersten Kontrolltagen nicht geflüchtet wären, sondern „in aller Regel“ anhielten. Von Lackum wies ausdrücklich darauf hin, dass jeder Radfahrer dazu verpflichtet sei. Die Zahl der „Falschfahrer“ wäre gegenüber den bußgeldfreien Kontrollen „erheblich zurückgegangen“. Bei einer Zwei-Stunden-Kontrolle am 6. Oktober wurden 18 Radfahrer angehalten, teilte von Lackum auf Nachfrage dieser Zeitung mit. Bei den noch bußgeldfreien Kontrollen waren es zu Spitzenzeiten noch 50. Das Fahrverbot hat sich also herumgesprochen.
Zu einem Disput kam es zwischen von Lackum und Ulrike Schneider (Schweinfurter Liste). Die Stadträtin hatte kritisiert, dass die Stadt in der Spitalstraße Radfahrer zur Kasse bitte, während sie an der Tempo-30-Regel für Autofahrer in Teilen der Zehntstraße festhalte. Sie habe aufgrund zu schnell fahrender Autofahrer gefährliche Situationen besonders am Übergang vom Markt Richtung Martin-Luther-Platz beobachtet, wo sich Fußgänger noch in der Fußgängerzone wähnten. Dort forderte sie statt Tempo 30 nur noch erlaubte 20 km/h.
Von Lackum erwiderte, dass die Zehntstraße als Unfallschwerpunkt nicht bekannt sei, es sich in Sachen zu hohes Tempo um „gefühlte Überschreitungen“ handle und man deshalb an Tempo 30 festhalte. Bei einer Umgestaltung soll Tempo 30 in der gesamten Zehntstraße gelten.
Weshalb genau existiert eigentlich diese willkürlich wirkende Ausnahme?
Sind Kinder (bis zehn Jahre) automatisch die besseren, langsameren, rücksichtsvolleren Radfahrer?
Die hier zur Schau getragene Doppelmoral spottet längst jeder Beschreibung.
Die Aussagen bzgl. "Unfallschwerpunkt" und "gefühlte Überschreitungen" lassen sich 1:1 auf die Radfahrersituation in der Spitalstraße übertragen.
Hier gab es ebenso keine statistisch relevanten Überschreitungen oder Unfälle - wie selbst von der Polizei bestätigt.
Dennoch galt es, dem subjektiven Befinden Genüge zu tun und endlich ein Verbot durchzusetzen.
Sobald es aber um des Deutschen liebstes Kind, das Auto, geht, werden Einschränkungen als unsinnig abgetan.
Freie Fahrt für freie Bürger - zumindest solange diese hinterm Lenkrad eines PKW stattfindet.
http://www.mainpost.de/regional/schweinfurt/Stadtrat-Es-bleibt-beim-Fahrverbot;art742,8197886
Dass nun auch noch eben derselbe Herr von Lackum exakt diese Punkte ("subjektives Empfinden" = "gefühlte Überschreitungen", "nur zwei Unfälle" = "als Unfallschwerpunkt nicht bekannt" ) ins Feld führt, warum an anderer Stelle eine Geschwindigkeitsbeschränkung für Autofahrer unsinnig sei, ist an Zynismus kaum zu übertreffen. Vielleicht auch an Doppelzüngigkeit.
Die teilweise Sperrung der Spitalstraße für den Radverkehr war (meines Erachtens) eine politische Entscheidung. Da verwundert es kaum, dass das subjektive Empfinden der Bürger für die Begründung einer Gefahr herhalten muss.
Andererseits muss man auch bedenken, dass das Fußgängeraufkommen an der Zehntstraße wohl um einiges niedriger ausfällt als jenes in der Spitalstraße. Das wäre vielleicht das bessere Argument