zurück
SCHWEINFURT
Puppenspieltage: Tödlicher Pakt mit dem Bösen
Manfred Herker
 |  aktualisiert: 05.11.2017 02:45 Uhr

Kontraste bis zum Schluss: Nach dem Furioso des „Michael Kohlhaas“ am Vortag endeten die 24. Schweinfurter Puppenspieltage im Moderato mit der tragischen Historie des „Dr. Johannes Faust“. Das Hohenloher Figurentheater – die Puppenspieler Johanna und Harald Sperlich – boten das Stück in traditioneller Technik: Auf der kleinen Guckkasten-Bühne agieren nur die Handpuppen, ihre Spieler bleiben unsichtbar. Wieder war die Studiobühne ausverkauft und die Zuschauer feierten am Schluss nicht nur die beiden großartigen Akteure - sondern wohl auch diese eigenständige reizvolle Theaterform.

Um den Magier und Schwarzkünstler Johann Georg Faust habe es schon um die Wende des 15. Jahrhunderts Sagen und Legenden gegeben, erzählt mir Harald Sperlich nach dem Aufbau der kleinen Bühne. Der Engländer Marlowe schrieb darüber 1589 ein Drama, das Goethe als Puppenspiel auf dem Frankfurter Römerberg gesehen habe - und ihn zu seinem „Faust“ inspirierte. Man spürt die Kompetenz und die Leidenschaft Sperlichs für seinen Beruf, den er mit seiner Frau seit 43 Jahren ausübt. „Wir stammen beide aus Puppenspieler-Familien, auf einer Fachtagung haben wir uns kennengelernt, seitdem leben und spielen wir zusammen“.

Die Sperlichs haben das Stück in der alten Fassung eingerichtet, mit einem Vorspiel versehen. Darin rudert ein ziemlich heruntergekommener Fährmann Charon über den Schicksalsfluss Styx, verärgert über seinen leeren Kahn. Doch der schmerbäuchige Höllenfürst Pluto will ihm bald eine kostbare Fracht liefern, er beauftragt den Teufel Mephistopheles, den Gelehrten Faust zu einem Pakt mit der Hölle zu verführen. „Lass ihn nicht entwischen, Faust ist ein kühner Geist“.

Künstlerische Gestaltung der Puppen beeindruckt

Schon in dieser Szene ist man begeistert über die künstlerische Gestaltung der Puppen, die wieder der Hamburger Puppenbauer Jürgen Maaßen geschaffen hat. Maaßen, gelernter Bildhauer, schafft es meisterlich, in die markanten Gesichtszüge seiner kleinen Schauspieler auch deren herausstechenden Charaktereigenschaften zu integrieren. Die fantasievollen Kostüme von Johanna Sperlich vervollständigen diese hölzernen Kunstwerke.

Der greise Faust in seinem Studierzimmer ist eine imposante grüblerische Figur, er ist verzweifelt über die Grenzen seines Wissens. „Ich will die Höllenmacht zu Hilfe holen“, sagt er. Da kommt der elegante Mephisto gerade richtig, schnell schlägt Faust in einen Pakt mit dem Bösen ein: Seine Seele will er gegen 24 Jahre Befehlsgewalt über die Geister der Hölle eintauschen. Macht und Geld, Wein und Weib, Reisen in fremde Länder sollen ihm als junger Mann unbegrenzt zur Verfügung stehen. Abgemacht. Famulus Wagner, dümmlich-verschmitzt, und Diener Hans Wurst, ein munterer Rotschopf, kommentieren auf ihre Art den teuflischen Deal.

Auch sprachlich große Ausdruckskraft

Von dem Faust versprochenen süßen Leben sieht man in dieser Fassung lediglich eine Szene in Parma: Den arroganten Herzog mit näselnd-vornehmer warmer Stimme und seine Frau, mit der der junge Faust zu flirten versucht. Überhaupt die Stimmen. Hier glänzen Johanna und Harald Sperlich mit ihrer großen Bandbreite sprachlicher Gestaltungskunst: Wortwahl, Dialekte, Intonation - immer fein auf die betreffende Puppe abgestimmt.

Hans Wurst stiehlt in breit ausgedehnten Szenen der Hauptfigur Faust oft die Schau. In Parma langweilt sich das Schlitzohr, vom Teufel Auerhahn lässt er sich schnell nach Wittenberg zurückfliegen. Und Faust? Wir treffen ihn wieder am Tag der Abrechnung, weißhaarig und desillusioniert. Er bereut seine Abkehr vom Himmel und sein vorgegaukeltes Leben, er bittet Gott um Vergebung und Beistand. Mephisto lockt noch einmal mit der schönen Herzogin. Vergebens. Dann ist der Teufel unerbittlich: Eine lodernde Flammenhand reißt Faust hinab in den Höllenschlund.

Mephistopheles, süffisant und meist gut gelaunt, hat für die Zuschauer zum Schluss noch eine Weisheit parat: „Was der Teufel nicht alleine kann, stellt er durch ein Weibsbild an“. Großer herzlicher Beifall für das Puppenspieler-Paar Sperlich, das jetzt vor der Bühne seine Puppen bedient und in verschiedenen Dialekten sprechen lässt. Eine kleine liebenswürdige Demonstration ihres hohen Könnens.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Schweinfurt
Manfred Herker
Johann Georg
Johann Wolfgang von Goethe
Kontraste
Mephisto
Puppen
Puppenspiel
Satan
Theater
Tragik
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top