Ein Finale besonderer Güte erlebten die Zuschauer des letzten Abends der Puppenspieltage auf der Studiobühne des Theaters. Mit der Produktion „Bestie Mensch“ nach dem Roman von Émile Zola war die Bremer Bühne Cipolla zu Gast.
Der Gründer dieser Bühne, Sebastian Kautz, ist nicht nur Drehbuchautor, Regisseur und Bühnenbauer. Auf der Bühne ist er zudem Schauspieler und Puppenspieler zugleich, und beides erfüllt er mit ungeheurer Intensität, Ausdrucksstärke, Wandlungsfähigkeit und Hingabe. Die verschlungene Handlung des Zola-Romans hat er entschlackt und auf ein Konzentrat reduziert, das eindringlich die Charaktere der Hauptfiguren hervortreten lässt.
Eisenbahner Roubaud und seine Ehefrau Séverine werden zu Mördern, Liebhaber Jacques zeigt starke Leidenschaft für die Maschine Dampfeisenbahn. Ein Ermittlungsbeamter geifert Gift und Galle und wiegt sich in narzisstischer Freude über den seiner Meinung nach elegant gelösten Mordfall. Ein feister Vorgesetzter bedrängt ihn, einen Unschuldigen einzusperren und verspricht dafür Beförderung. Persönliche Dramen spielen sich da ab, gesellschaftliche und politische Zwänge werden deutlich.
Wie ein Zauberer lebt Kautz mit den von Melanie Kuhl (auch Bühnenbau und -malerei) markant und fantasievoll gefertigten Figuren in einer sich fortwährend wandelnden Szenerie. Tatsächlich fühlt man sich wie von dicken Schneekissen umhüllt, als die dampfende Lokomotive versucht, nachts tücherne Schneewehen zu durchdringen. Sie verletzt sich dabei: Jacques ist bestürzt, ist sie für ihn doch menschengleich. Schließlich gehorcht die Maschine dem Menschen nicht mehr und macht sich selbstständig. Was kümmert sie der Mensch, der unterwegs zermalmt wird, so die ganz aktuelle Botschaft.
Nicht nur Sebastian Kautz nimmt die Besucher mit in dieses beklemmende, dichte und spannende Geschehen. Kongenial steht ihm der Musiker Gero John zur Seite: Seine Bühnenmusiken türmt er am Cello mithilfe einer Loop-Station zu orchestralen Gebilden mit minimalistisch-meditativen Zügen auf, wechselt zum Keyboard, liefert auch in der Zuspielung von Fremdgeräuschen perfekt aufs Geschehen abgestimmte, suggestive Sounds.
Gespielt wurde auf mehreren Ebenen, wobei das Geschehen auf der untersten, dem Bühnenboden, leider für viele Zuschauer nur akustisch zu verfolgen war. Keinen Abbruch tat das der Begeisterung des Publikums, das den Abend mit starkem Beifall und Getrampel honorierte.
1500 Besucher haben in diesem Jahr die Vorstellungen der Puppenspieltage genossen, so Theaterleiter Christian Kreppel bei seinem Dank an alle, die zum Gelingen beigetragen haben. Ein Ansporn seien ihm Zuspruch und Erfolg des kleinen, aber feinen Festivals.