Für die Staatsanwaltschaft Schweinfurt ist die Sache ziemlich klar. Die Angeklagte war im vergangenen Jahr von ihrem Lebensgefährten ungewollt schwanger geworden. Sowohl dem werdenden Kindsvater wie fast allen anderen habe sie die "bis zuletzt abgelehnte Schwangerschaft nach Kräften" verheimlicht. Vorsorge für eine Geburt und die Folgen habe sie nicht getroffen, sondern auf einen Abort oder eine Totgeburt gehofft.
Die Anklage geht von Vorsatz aus
In der dritten Augustwoche 2020 hätten nachts die Wehen eingesetzt, heißt es in der Anklage weiter. Ihren anwesenden Lebensgefährten habe sie beschwichtigt, sie nun im Bad alleine zu lassen. Dort sei das Kind zur Welt gekommen, das sie selbst entbunden habe. Weil sie das Neugeborene statt es in warme Tücher zu wickeln und Hilfe zu holen, nicht versorgt habe, sei es entweder unter den Tüchern erstickt oder an Unterkühlung gestorben – oder aus beiden Gründen.
Die Anklage geht jedenfalls von Vorsatz aus. Die 27-jährige Ergotherapeutin, bereits Mutter eines achtjährigen Sohnes, sei "nicht gewillt und bereit" gewesen, "ihr Leben auf die Verantwortungsübernahme für ein weiteres Kind einzurichten" und damit wirtschaftliche und persönliche Einschränkungen hinzunehmen. Sie habe befürchtet, ihren Lebensgefährten sowie ihre Arbeit und das Einkommen daraus zu verlieren – wobei sie diese Nachteile gar nicht hätte hinnehmen müssen, wenn sie Möglichkeiten wie Babyklappe oder Adoption wahrgenommen hätte. Doch die Angeklagte habe ihr Baby "aus niederen Beweggründen" getötet – strafbar als Mord.
Angeklagte: "Ich bedauere außerordentlich, dass ich als Mutter versagt habe"
Vor dem Schwurgericht des Landgerichts Schweinfurt äußert sich die 27-Jährige dazu über eine Erklärung ihres Verteidigers. Schon die Geburt ihres Sohnes im Jahr 2011 sei "dramatisch" verlaufen; sie habe gedacht, sie werde diese nicht überleben. Die neue Schwangerschaft Anfang 2020 hätte große Auswirkungen auf ihre persönliche und berufliche Zukunft gehabt. Sie sei nie bei einem Frauenarzt gewesen, habe keine Hilfe angenommen, sondern versucht, "die befürchtete Schwangerschaft zu verdrängen". Auch ihrem Lebensgefährten habe sie nichts gesagt.
An die Entbindung im Bad kann sich die 27-Jährige laut ihrer Einlassung nicht mehr richtig erinnern, auch nicht an Lebenszeichen des Säuglings, etwa dass er geatmet hätte. "Ich bedauere außerordentlich, dass ich als Mutter versagt habe", verliest der Anwalt die Aussage seiner Mandantin.
Lebensgefährte wusste nichts von der Schwangerschaft
Er habe nichts von der Schwangerschaft gewusst, sagt der Kindsvater als Zeuge. Er habe, als er das Bad mit Blutspuren und seine völlig geschwächte Freundin sah, diese überreden müssen, Hilfe zu rufen und sich in ein Krankenhaus bringen zu lassen. Das tote Neugeborene habe er erst später unter Handtüchern entdeckt. Auf den Anruf des Lebensgefährten kam die Notärztin nun zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit in die Schweinfurter Wohnung – und konnte sich nun die Blutspuren im Bad wie auch den gesundheitlichen Zustand der 27-Jährigen erklären: sie hatte heimlich entbunden.
Ein Polizist berichtet von der ersten Vernehmung der Angeklagten in der Klinik: Sie habe ausgesagt, nicht gewusst zu haben, dass sie schwanger sei. Nach der Entbindung habe sie auch keine Lebenszeichen des Babys festgestellt – keine Atmung, kein Schreien. Die Angeklagte sei ihm mit der Situation überfordert vorgekommen. Für den Prozess sind weitere vier Verhandlungstage angesetzt.