Während dieser Tage, neu angefacht von einer weiteren bitterbösen Zeichnung des Satiremagazins Charlie Hebdo, die Diskussion über die Grenzen von Karikatur weiter tobt, lohnt sich der Blick in die Vergangenheit: Unter dem Titel „Die Drahtseilkünstlerin Germania – 100 deutsche Karikaturen, Vorzeichnungen und Druckgrafik“, gewährt das Museum Georg Schäfer bis 6. März einen ersten Blick in seinen Bestand an satirischen Zeichnungen. Die Auswahl umfasst 100 Jahre Satire-Geschichte von 1840 bis 1940 mit Ausreißern in die Gegenwart.
Tatsächlich muss Karikatur an die Grenze gehen, um ihren Zweck zu erfüllen. Zumindest, wenn es darum geht, Missstände zu entlarven. Zwischen Biedermeier (ein Name, den übrigens die 1844 gegründete Satirezeitung „Fliegende Blätter“ geprägt hat) und Nationalsozialismus tun das eine Fülle von Publikationen für jede Schicht und jeden Geschmack.
Deren bekannteste ist der „Simplicissimus“, gegründet 1895 von Albert Langen als „Kunst- und Kampfblatt Deutschlands“. Einer der profiliertesten – und listigsten – Zeichner ist Olaf Gulbransson, den Langen extra aus Norwegen nach München geholt hatte. Gulbranssons Simplicissimus-Titel vom 9. August 1909 ist mit „Der Zarenbesuch in England“ überschrieben. Zu sehen ist der englische König oben auf der Treppe, an deren Fuß eine Bulldogge den Zaren in Schach hält. Unterzeile: „Ach bitte, Eduard, pfeifen Sie doch Ihr Volk zurück, sonst kann ich nicht zu Ihnen hinein.“
Das miefig restriktive Kaiserreich bietet reichlich Stoff, ebenso wie die Jahre der Wirtschaftskrise. Paul Thesing, Käthe Kollwitz oder Heinrich Zille suchen das untere Ende der sozialen Skala auf. Thesings Tuschezeichnungen zum aufkommenden Nationalsozialismus sind prophetische Kunstwerke von expressionistischer Kraft. Aus einem Stahlhelm wachsen Hakenkreuze – Unterzeile der Zeichnung von 1929: „Der Stahlhelm ist der beste Nährboden für die deutsche Eiche – nur die Früchte sind nicht besonders.
“ Das Blatt „Auf der Welle der sozialen Not“ von 1931 zeigt Hitler und Goebbels als Spitze einer alles überrollenden schmutzig-schwarzen Woge.
Bis 6. März. Zur Ausstellung ist eine Broschüre für 6 Euro erschienen.