
Was wäre, wenn Tommy persönlich vorbeischauen würde, Freitagabend im Theaterhaus? Thomas Gottschalk war jahrzehntelang Goldbärchenstandard deutscher Fernsehunterhaltung, als gut gelaunte Lästerlocke, mit richtigem Riecher fürs Showbiz. Und ja, er ist nahe, beim Vortrag zu den Geheimnissen von "Wetten, dass..?", präsentiert durch Freund, Redakteur und Produzent Holm Dressler: Eine Besucherin berichtet, dass ihr Kind die Werbeikone entdeckt hat, im Schaufenster des Hörgerätegeschäfts nebenan.
Es ist eine kleine, feine Unterhaltungs-Praline, die Silvia Kirchhof vom Theaterverein auspackt, in Wohnzimmeratmosphäre. Holm Dressler wird tags darauf beim Grafen von Castell auftreten, in Rüdenhausen. Nein, nicht der Graf mit den Buntstiften: Da war ja auch mal was, bei "Wetten, dass..?"
Rund 50 Gäste lauschen Anekdoten und schauen Videos, inklusive Bewohner der Seniorenresidenz. "Ich werde nicht überziehen", verspricht Dressler, lange Zeit Gottschalks Nachbar am Ammersee. Der gebürtige Norddeutsche, der 1973 als Kabelträger angefangen hat, berichtete vom "Glück der frühen Geburt". Als Mann im Hintergrund hat er hochkarätige Formate mitgestaltet, von "Verstehen Sie Spaß?" bis "Millionär gesucht". Ritterschlag war 1981 Mike Krügers Torte ins Gesicht von Geburtstagskind Dressler.
Der einstige Gitarrist (74), der heute die Verleihung der "Goldenen Sonne" beim Touristik-Sender "Sonnenklar TV" leitet, wollte Animateur werden. Beim SWR erhielt er beiläufig die Chance, was mit diesem kecken Radiomoderator Gottschalk zu machen. Los ging es 1977 mit den Telespielen: Die Kandidaten dirigierten mit "Ohs" und "Ahs" die Schläger beim skurrilen, aber spaßigen Computertischtennis. Daraus wurde mehr.
Weggefährte Blacky Fuchsberger hüpfte gerne in Fettnäpfchen
Schon Weggefährte Blacky Fuchsberger hüpfte gerne in Fettnäpfchen, bei "Auf Los geht's los". Mal forderte er einen weiblichen Studiogast missverständlich auf, in den Spiegel zu schauen, mal wollte er (angeblich) Russen wie Salzheringe vertilgen. In den 80ern war sowas skandalös, der grundsolide Blacky fiel in Ungnade. Auch Tommy spürt derzeit Gegenwind, ob eines vermeintlich antiquierten Frauenbilds. "Showmaster sind keine Diplomaten", sagt Dressler. Wenn 80 Prozent ihrer Sprüche gut ankämen, dann gebe es immer auch die übrigen 20 Prozent.
Ansonsten hat man bei der filmischen Rückschau das Gefühl, wieder frisch gebadet vor dem Fernseher der Kindheit zu sitzen. Bei "Wetten, dass..?" wollte Frank Elstner die Kandidaten ursprünglich gewinnen lassen, Dressler setzte auf echte Wetten. Der Rest ist Legende, mit Lastwagen auf Biergläsern oder einem Farbstift lutschenden, schummelnden Chef des Satire-Magazins "Titanic".
Nachfolger Tommy hatte sich bei "Na sowas !" warm gelaufen, sei es mit einem Hund, der beinahe Mama gesagt hätte, sei es beim Sofaduell mit Klaus Kinski. "Fernsehen ist Aufstehen" lernte Radiomann Jauch von Dressler. Die Stars von damals blieben in Bewegung und zugleich auf dem Boden. So wie Günther Jauch, der in Dresslers Garten Volleyball spielte. Oder bei einer Eiskunstlauf-Probe stürzte und seinem Freund Thomas die gefilmte Frotzelei nicht krumm nahm.
Eine gewisse Heidi Klum, aus der 13. Klasse, startete ihre Karriere bei Tommys Model-Casting: 1992, als cooler Teenie-Vamp im Pool, mit geschäftstüchtigem Vater. Dieter Hallervorden testete Dresslers Idee, die Medien mit Fake News zu veräppeln, dem Absturz eines chinesischen Satelliten in München etwa. Michail Gorbatschow hat der Showproduzent auch auf die Bühne gebracht, bei Mr. Perestroikas 80. Geburtstag zählte er zu den Gästen.
Am Ende gibt es eine Hommage an Tommys Rocklegenden. Sommerwarmer Applaus, nach über zwei Stunden Fernsehgeschichte. "Wer die alte Regie nicht kannte, wird niemals wissen können, wie süß das Leben war", möchte man, frei nach dem Diplomaten Talleyrand, seufzen, zu den Tagen vor der großen Revolution durch die "Privaten".