
Wow, was für eine Performance! Victoria Semel, Kunstförderpreisträgerin der Stadt Schweinfurt 2011, legte nach zwei Jahren Heimatabstinenz in der Disharmonie einen Auftritt hin, der vieles in den Schatten stellt. Gemeinsam mit ihrer fünfköpfigen Band, bestehend aus Drummer, Bassist und Gitarrist sowie zwei liebevoll „Backies“ genannten fantastischen Backgroundsängerinnen begeisterte die 23-jährige Sängerin mit einem ganz starken Programm.
Seit eineinhalb Jahren gibt es die Formation, die sich bei der Studioarbeit kennengelernt hat; seit gut einem Jahr stehen Benedikt Schlereth, Henning Oppermann, Jonas Stadelmaier, Maria Brandt und Janina Ruopp gemeinsam mit Semel, die auch am Piano begleitet, auf der Bühne. Absolute Professionalität kann man jedem einzelnen von ihnen bescheinigen, und die Gesamtpräsentation überzeugte ohne jegliche Einschränkung: Da stimmten die Abläufe, die kleinen Moderationen, die angedeutete Bühnenshow, die Technik - und natürlich: die Musik.
Frontfrau Victoria hat ihre unglaubliche Entwicklung fortgesetzt; ihre Ausstrahlung, die große Bühnenpräsenz, ihre Persönlichkeit, ihr fachliches Können und selbstverständlich ihre großartige Stimme, die eigenen Songs und deren ausgefeilte Arrangements ziehen in Bann. Die Titel sind intensiv, können ganz hart daherkommen, aber auch vordergründig harmlos, sanft und melodiös. Immer aber bricht ein Groove durch, der den ganzen Körper durchpulst.
Semel singt mal rauchig, mal zuckersüß, ist mal ganz große Rockröhre, mal zwitschernde Romantikerin. Barfuß steht die Powerfrau auf der Bühne, ganz im Hier und Jetzt, und strahlt eine geradezu ekstatische Energie aus, die jeden im Publikum erfasst. Nach einer Stunde ist man zwar enttäuscht, dass der Abend schon vorbei ist, jubelt aber vor Begeisterung und freut sich auf ein nächstes Mal, vielleicht in größerem Rahmen? Und wenn Musik-Deutschland Vertreter für einen internationalen Wettbewerb sucht, die auch Siegerpotential haben - bitteschön, da sind sie!
Im Vorprogramm hatte die Schweinfurter Singer-Songwriterin Tarja eigene Songs präsentiert. Viel Herz-, Schmerz- und Trennungsinhalte – so erklärte sie selbst ihre Schwerpunkte und lieferte raue Stimme, ein wenig Stöhnen, Hauchen und Melancholie, aber durchaus auch Stimmgewalt. Manches klingt ein wenig von der Tradition eines Cat Stevens inspiriert, und die mit wenigen Gitarrengriffen auskommende Newcomerin kommt vor allem atmosphärisch an. Beifall gab es reichlich für ihren ersten Live-Auftritt nach längerer Bühnenenthaltsamkeit. Elke Tober-Vogt