Das Thema Postkarte erscheint auf den ersten Blick nicht besonders prickelnd. Ein Rundgang mit Stadtarchivar Matthias Endriß im Vorfeld der Ausstellung „Der Zeit in die Karten geschaut“ im Erdgeschoss des Alten Rathauses belehrt den Zweifler aber ganz schnell eines Besseren. Der Rundgang wird zu einem Erlebnis von Geschichte und zeigt, dass eine Postkarte viel mehr sein kann als ein schönes Urlaubsmotiv unter blauem Himmel.
Das Korsett der Ausstellung besteht aus einer Wanderausstellung, die der Bezirk Unterfranken in Zusammenarbeit mit dem bayerischen Volkshochschulverband zusammengestellt hat. Sie war zuletzt in Bad Königshofen zu sehen. Matthias Endriss hat in Ergänzung dazu rund 150 Exponate mit heimischen Motiven aus dem Stadtarchiv und von den privaten Sammlern Theo Kaeuffer, Bernd Detsch und Gerhard Schwab ausgewählt und in die Sammlung des Bezirks integriert. Beim Aufbau unterstützten ihn die Museumsleiter Klaus Vogt und Bertram Schulz.
1865 gab es schon den Vorschlag von Heinrich von Stephan auf Einführung der Postkarte. Doch die Post hatte Angst, dass durch diese offene Form das Briefgeheimnis verloren geht und lehnte zunächst ab. Als die Postkarte dann doch kam, stand bis Anfang des 20. Jahrhunderts die Nachricht auf der Vorderseite der Karte. Die Rückseite trug Briefmarke, Adresse und Stempel. Postalisch interessant, dass es damals noch einen Ankunftsstempel gab.
Ab 1905 waren dann schon Teile der Vorderseite für Bilder freigegeben. Ein Abschnitt der Ausstellung zeigt Herstellungsverfahren vom Steindruck über den Lichtdruck bis zu dem ersten dreidimensionalen Prägedruck für Karten aus der Zeit des Jugendstils.
Vergrößerte Stadtpfarrkirche
Mit die ältesten Karten aus Gerolzhofen dokumentieren die um zwei Joche erweiterte Stadtpfarrkirche von 1902. Getrickst und manipuliert wurde auch bei der Kartenherstellung schon lange vor dem Fotoshop. So steht auf einer Karte ein Herold mit dem Gerolzhöfer Stadtwappen im Schild vor der Stadtansicht. Dieser Herold ist durch ganz Deutschland gewandert, geändert haben sich nur das Wappen und die Stadtsilhouette, erklärt Matthias Endriss. Und auf einer Karte mit einem Bild der Bahnhofstraße ist ein Auto einmontiert, das ebenfalls durch ganz Deutschland fuhr.
In der Zeit des Dritten Reichs wurde die Postkarte dann oft zu Propagandazwecken missbraucht. Danach kommen erst einmal Künstlerkarten in Mode, das heißt, es ist ein Aquarell oder Ölgemälde statt eines Fotos zu sehen.
Interessant auch der Abschnitt über den Vertrieb von Postkarten. Verleger und Hersteller waren nicht immer identisch. In Gerolzhofen hatten einige Schreibwarenläden eigene Kollektionen, die sie von großen Herstellern bezogen. Bei „Photo Schraut“ und „Photo Friedrich“ stammten die Karten dagegen aus eigener Produktion.
Postkarten enthalten auch Fehler. Die Beschriftung einer Karte mit der Stadtpfarrkirche deutet auch auf ein daneben stehendes Pfarrhaus hin. Am Marktplatz hat es aber nie ein Pfarrhaus gegeben. „Gruß aus Gerolzhofen“ steht auf einem anderen Exemplar, das freilich das Schloss Oberschwarzach zeigt.
Mondscheinkarten
Ein anderes Kapitel befasst sich mit Kartentypen, die zu gewissen Zeiten besonders beliebt waren. Zum Beispiel die Mondscheinkarte, bei der die Motive in fahles Licht getaucht waren und immer ein Mond in den Himmel manipuliert wurde.
Mit dem technischen Fortschritt erschienen immer mehr Postkarten mit Objekten, auf die Städte besonders stolz waren, zum Beispiel neue Schulen, Schwimmbäder oder Altenheime (auch in Gerolzhofen gibt es das).
Die Ausstellung zeigt auch, wie die Postkarte die Sprache verändert hat. Es dominiert eine knappe Sprache, die nicht so formell ist wie im Brief.
Manchmal zeigen Postkarten auch Kuriositäten. So die Postkarte von der Travemünde-Rallye im Juni 1953. Da sollte Gerolzhofen eine Station sein. Die Gerolzhöfer waren darauf stolz, bereiteten sich mit Franken-Schoppen am Wegesrand auf die Fahrer vor. Doch niemand kam. Für die Fahrer war der Abstecher in die Stadt zu weit, der nur zehn Wertungspunkte gebracht hätte, sie fuhren vorbei. Weitere Stationen auf dem Rundgang sind die Werbung per Postkarte und die Karte als Ereigniskarte. Eine solche gibt es sogar von einem Mord in Gerolzhofen, wo die am Boden liegende Leiche des Opfers zu sehen ist.
„Postkarten sind Träger von historischen Dokumenten und liefern viele Facetten für die Heimatforschung“, fasst Matthias Endriss den Rundgang zusammen.
Die Ausstellung „Der Zeit in die Karten geschaut“ ist noch bis zum 27.April zu den üblichen Öffnungszeiten der Tourist-Information im Alten Rathaus zu sehen.