Von Unregelmäßigkeiten bei der Postbaugenossenschaft war immer mal die Rede. Heute sind die unglaublichen Schlampereien – auch durch die Berichterstattung dieser Zeitung – offenkundig. Auslöser war ein Sonderprüfungsbericht Mitte 2008, in dem auf mögliche Verstöße gegen das Kreditwesengesetz hingewiesen wurde. Die Ermittlungen der Kripo wurden auf Untreue, Betrug und Urkundenfälschung ausgedehnt.
Folge waren viele verunsicherte Postgenossen, die ihre gezeichneten Darlehen und Geschäftsanteile in Millionenhöhe mit unterschiedlichem Erfolg zurückforderten. Dieser Tage erst wurde am Landgericht der Fall eines über 80-Jährigen verhandelt, der seine 90 000 Euro zurückwollte. Der Senior stimmte, auch um endlich seine Ruhe zu haben, einem Vergleich über 60 000 Euro Rückzahlung zu. Es gab auch andere Verfahren, in denen ging es um Mietverhältnisse oder gekündigte Räume. Die Postbaugenossenschaft – mal als Kläger, mal als Beklagter – ist jedenfalls seit 2008 in vielen Gerichten Unterfrankens gut bekannt.
Jetzt scheint die entscheidende Phase erreicht. Die intensiven Ermittlungen vor allem der Kripo Schweinfurt gegen die Verantwortlichen sind abgeschlossen. Gegen den langjährigen Vorstandsvorsitzenden Berthold K., auch er schon 85 Jahre alt, ist Anklage erhoben, bestätigte Oberstaatsanwalt Burkhard Pöpperl auf Anfrage. Er leitet die Wirtschaftsstaatsanwaltschaft Würzburg, wo K. auch an einer der Wirtschaftsstrafkammern der Prozess gemacht wird.
Der Vorwurf gegen K. lautet auf 93-maligen Verstoß gegen das Kreditwesengesetz, sechsmal Untreue und elfmal gewerbsmäßige Untreue. Die angeklagte Schadenshöhe soll bei 360 000 Euro liegen.
Post haben von den Würzburger Anklägern fünf weitere Vorstände erhalten, zum Teil noch immer in Amt und Würden. Sie erhielten Strafbefehle zwischen 4000 und 9000 Euro. Der Kernvorwurf ist auch hier, gegen das Kreditwesengesetz verstoßen zu haben. Die Staatsanwalt meint, dass die Postbaugenossenschaft für ihre Art des Umgangs mit Darlehen und Geschäftsanteilen – als Rendite waren stattliche sechs Prozent garantiert – wie eine Bank gearbeitet hat, ohne dafür eine Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gehabt zu haben. Also: Unerlaubtes Betreiben von Finanzdienstgeschäften. Die BaFin selbst hatte festgestellt, dass „unerlaubt Bankgeschäfte im Einlagegeschäft durch Mietdarlehen betrieben worden sind“. Alle fünf frühere und aktuelle Vorstände haben Einspruch gegen die Strafbefehle eingelegt, so dass auch sie sich vor Gericht verantworten müssen.
Beschäftigt ist aktuell das Landgericht Schweinfurt mit Hauptakteuren: Kläger ist im Zivilverfahren die Genossenschaft, Beklagter Ex-Vorstand K., der 1971 Vorstand wurde und im Juni 2008 mit seinem Abschied einem Rauswurf zuvorkam.
Schadensersatzklage
Die Postbaugenossenschaft klagt auf Schadensersatz. Anfangs betrug die Höhe die nun auch im Strafverfahren genannten rund 360 000 Euro. Mittlerweile ist sie nach Hinweisen des Zivilgerichts auf fehlende Schlüssigkeit des behaupteten Schadens und einer erfolgten Teil-Rücknahme der Klage auf knapp über 300 000 Euro geschmolzen.
Woher kommt die Forderung? Ende 2007 waren bilanzielle Privatdarlehen von um die 2,3 Millionen Euro vermerkt. Das Gros der Anleger hatte die Darlehen – und Geschäftsanteile – aber bar eingezahlt. Der Ex-Vorstandsvorsitzende K. trug die Beträge auch in die allen bekannte „gelbe Kartenkartei“ ein, die Bargelder legte er zunächst einmal in die Schublade seines Schreibtisches.
Beim Showdown machte die Summe der Darlehen – laut gelber Kartei – aber 2,6 Millionen Euro aus. Es fehlte also rein buchhalterisch dieser sechsstellige Betrag. Zur Bilanzdifferenz kamen noch Zinsforderungen hinzu und ein Darlehen, das beim aktuellen Termin am Landgericht eine Haupt-Rolle spielen sollte.
Die Anlegerin aus Schweinfurt hatte im Oktober 2007 – wie andere Darlehensgeber in der Regel auch – 50 000 Euro bei K. in bar vorbeigebracht. Auf Verlangen erhielt sie ihren Betrag wieder zurück. Das wiederum veranlasste die Vorsitzende Richtung Postbauvertreter zu fragen, wo denn der Schaden liege.
Den begründete der Anwalt der Postbau mit dem „System Schublade“ von K. Der Ex-Vorstand habe bar erhaltene Darlehen oft sofort dafür verwendet, andere Anleger auszuzahlen oder Handwerkerrechnungen zu begleichen. K. habe den Überblick verloren, zum Schaden der Postbau in dieser Höhe.
Das wiederum rief den Anwalt von K. auf den Plan. „Was Sie behaupten ist nicht schlüssig“, wetterte er. Erst auf mehrmalige Nachfrage des Gerichts behauptete der Postbau-Anwalt nun, er wolle mit dem fehlenden Überblick des K. eigentlich zum Ausdruck bringen, dass nicht nur 50 000, sondern 100 000 Euro an besagte Anlegerin zurückgeflossen seien. Daraufhin stellten Gericht wie der Anwalt von K. fest, dass dies der Postbau-Klage „aber nicht zu entnehmen ist“.
Der Anwalt von K. nannte die Vorwürfe gegen seinen Mandanten insgesamt „abenteuerlich“, weil die Genossenschaft die großteils händisch geführte Buchhaltung von K. auf EDV umgestellt habe, ohne seinen Mandanten zu hören, geschweige denn zu beteiligen. „Der ist bewusst rausgehalten worden“, sagte der Anwalt. Die Geschäftsführerin der Postbau behauptete demgegenüber, K. habe nie „Interesse gezeigt, teilzunehmen“. K. und sein Anwalt quittierten das mit einem Kopfschütteln.
Der Ex-Vorstand sieht sich ohnehin als Bauernopfer. Den Schwarzen Peter als Quasi-Alleinschuldiger will er sich nicht zuschieben lassen. Er sagte, als die Vorwürfe gegen ihn bekannt wurden, dass den anderen Vorständen die Vorgehensweise bei Darlehen und Geschäftsanteilen bekannt gewesen seien. Das Zivilgericht machte beim aktuellen Prozess mehrere weitere Male deutlich, dass es den von der Postbau im Rahmen der Klage behaupteten Schaden für nicht schlüssig dargelegt sieht.
Unendliche Geschichte
Dieser Termin beim Landgericht Schweinfurt war ein so genannter Gütetermin. Auf ihre frühe Frage, ob ein Vergleich denkbar sei, erfuhr die Vorsitzende, dass das „keinen Sinn macht“. Mitte September wird sie nun die Zeugen benennen, die bei der nächsten Runde gehört werden – am 24. Januar 2013 (!), früher hat sie keine Termine frei. Der Skandal bei der Postbau wird also zur unendlichen Geschichte.
Ob das Strafverfahren gegen K. in Würzburg noch vor diesem Januar-Termin stattfindet, ist eher fraglich: Der Strafverteidiger von K., ein Schweinfurter Anwalt aus einer anderen Kanzlei, hat eine Aussetzung bis zum Ende des Zivilverfahrens beantragt. Die Termine für die Strafverfahren gegen die fünf Postbau-Vorstände stehen noch nicht fest.