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Schweinfurt
Poetry-Slam-Saisonfinale in Schweinfurt: "Ich bin jetzt ein Akademiker, ihr Wichser!"
Der Sieger des Poetry-Slam-Finales in Schweinfurt: Stefan Unser.
Foto: Natalia Mleczko | Der Sieger des Poetry-Slam-Finales in Schweinfurt: Stefan Unser.
Natalia Mleczko       -  Natalia Mleczko ist in Polen aufgewachsen und lebte dann in Rostock. Nach einer Ausbildung und diversen Jobs studiere sie auf dem Zweiten Bildungsweg Politikwissenschaften mit dem Schwerpunkt Internationale Beziehungen im Master an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Seit 2022 arbeitete sie als freie Journalistin. Natalia Mleczko ist seit April 2024 Volontärin bei der Main-Post.
Natalia Mleczko
 |  aktualisiert: 25.02.2024 03:32 Uhr

Mit der Ansage des Abends: "Highlander – Es kann nur eine oder einen geben!", fand das achtzehnte Poetry-Slam-Saisonfinale in Schweinfurt sein furioses Ende. Beim "Highlander" treten die Siegerinnen und Sieger der Slams der letzten Monate gegeneinander an, um den "Champion der Champions" zu ermitteln. Für die Künstlerinnen und Künstler ging es um Ruhm, Ehre und natürlich um die höchste Punktzahl. Die Poeten kamen aus allen Himmelsrichtungen Deutschlands, um in der Poetry-Slam-Hochburg Schweinfurt ihr Können unter Beweis zu stellen. Poetry Slam ist in erster Linie ein literarischer Wettkampf, für das Publikum ist es Unterhaltung auf einem hohen Niveau.

Den Beginn machte der Titelverteidiger Matti Linke aus Hannover mit seinem pleonastischen Text "Ich vermisse dich". Linke vermittelte mit seinem wortreichen, aber informationsarmen Text das nicht abschüttelbare Gefühl des Vermissens. Auch die Flucht in die Literatur, den Spitzensport, ein BWL-Studium oder eine Bäckerlehre bewirkten nicht, sein Vermissen zu schmälern. Linke trug seinen Text gekonnt vor und hing die literarische Latte des Abends hoch.

Die Münchnerin Lotta Emilia widmete sich dem schwierigen Prozess der Emanzipation. Sie erzählte über den Druck, alles allein schaffen zu müssen. In ihrem Text beschwor sie: "Ich schaff das allein – mein Mantra, mein Motto, mein Glaubenssatz." Nach Hilfe im Alltag zu bitten, fällt ihr schwer. Dieses Verhalten sei ein "zwanghaftes Muster der Selbständigkeit" und im Endeffekt "falsch verstandene Unabhängigkeit".

Der Würzburger Yannik Ambrusits gewann den zweiten Platz im literarischen Wettbewerb.
Foto: Natalia Mleczko | Der Würzburger Yannik Ambrusits gewann den zweiten Platz im literarischen Wettbewerb.

Stefan Unser überzeugte das Publikum mit seiner derben Wortwahl. Sein Text wurde von einer Beobachtung in der Kassler Innenstadt inspiriert, wo ein junger Student lauthals schrie: "Ich bin jetzt ein Akademiker, ihr Wichser!" Für Unser ist dieser Ausspruch "die konkreteste Beschreibung des persönlichen Bildungserfolgs, die er jemals hörte". Sein Text handelt von der Frage, was Bildung eigentlich noch sei. "Ist Bildung noch die Formung eines Menschen und seiner geistigen Fähigkeiten oder doch nur ein Mittel, um in unserer Gesellschaft etwas zu sein?" Um seine These zu verdeutlichen, erzählte er auf der Bühne von Experimenten an Affen, welche konditioniert wurden und mit der Zeit das selbständige Denken aufgaben. Bildung bedeutet für Unser geistige Mauern in Frage zu stellen.

Der Text des Würzburgers Yannik Ambrusits, "Zalando", handelte von der Qual der Wahl im alltäglichen Leben. Das Spannungsfeld eines jungen Menschen nach Geltungsdrang nach Außen, dem selbst gewählten Glück oder doch ein Job bei Zalando? Armbrusits beschrieb überzeugend die innere Zerrissenheit junger Menschen, sich in dieser komplexen Welt zu behaupten.

Tanja Schwarz' Text handelte von der heimtückischen Krankheit Alzheimer, den Verlust des Erinnerungsvermögens. Den Zustand beschrieb sie als "Honig im Kopf, Hummeln im Hintern". Alzheimer sei ein gemeinsames Suchen und Finden von Erinnerungen. Tilman Döring unterhielt das Publikum mit einer atemlosen Hommage an den Schriftsteller Wolfgang Borcherts: "Dann gibt es nur eins." Darin appellierte Döring, öfter mal "Nein" zu sagen, als einen Akt des Widerstands gegen eine voll-industrialisierte Zukunft 2.0. Stephan Brosch widmete sich in seinem Text "15 Prozent" der Erinnerung an den rechtsextremistischen Anschlag 2019 in Halle an der Saale. Er beschrieb auch den Umstand, wie schnell ein menschliches Gehirn vergisst. Deshalb sei erinnern so wichtig.

Das Publikum kürte am Ende des Abends Lotta Emilia als Drittplatzierte, Yannik Ambrusits als Zweitplatzierten und Stefan Unser als Gewinner des Abends und der achtzehnten Saison des Poetry Slams in Schweinfurt.

 
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