Am Ende musste zweimal applaudiert werden, ehe die Siegerin des Abends feststand. Elisabeth Schwachulla aus München setzte sich im Finale des 6. Poetry Slam in Werneck extrem knapp gegen Enora Le Corre (Nürnberg) durch und durfte als Siegestrophäe einen Korb mit regionalen Leckereien nach Hause tragen.
Um eine Siegerin zu küren, musste Moderator Manfred Manger den Applaus zwischen den punktgleichen Frauen abfragen. Als selbst das nichts brachte, holte er sich in Form von zwei Zuhörern Unterstützung. Der Applaus für Schwachulla war dann ein ganz kleines bisschen lauter als der für Le Corre. Die wollte ihre beiden Staatsbürgerschaften (Frankreich und Deutschland) nicht als Trennung, sondern als Bereicherung und als "eine Person" sehen.
Vorausgegangen war ein verbaler Wettstreit von sechs Wortakrobaten, die in der Turnhalle der Mittelschule verbal um die Gunst ihrer 50 Zuhörer buhlten. Im Sekundentakt hauten sie die Gags nur so raus, dass sich einem fast die Ohren verknotet hätten. Slam Bert alias Bert Uschner aus München (Lehrer mit der seltenen Kombination Mathe/Deutsch) bezog sein Publikum mit ein, zumindest am Anfang. Mit einem ungewöhnlichen Text über seine Trauerverarbeitung – ein Freund war gestorben – bewies er eine enorme Tiefgründigkeit.
Oder die Siegerin, die mit dem Text "toxische Beziehung" überzeugte. Man dachte unwillkürlich an einen gefühlt zehnten Liebestext, doch am Ende stellt sich heraus: Sie war nicht einem Mann, sondern dem Alkohol verfallen, mit all seinen Höhen und noch mehr abgründigen Tiefen.
Henri Kruse trug erstmal ein paar Gedichte über Marmelade vor, ehe er sich einer verflossenen Liebe widmete. Sie war sehr bissig, er versuchte immerhin anfangs noch das Schöne zu sehen. Am Ende war es dann aus, "ihr Schein war nur Fassade, alle meine Näherungen wurden abgewiesen".
Steven aus Erlangen zeigte ein Faible für skurrile Komik und Selbstironie. Zum einen pries er seine Postkarten mit witzigen Vierzeilern, zum anderen gelang ihm ein "berufliches" Kunststück: Trotz erwiesener hochgradiger Inkompetenz wurde er als Mann zum Chefredakteur einer Frauenzeitschrift ernannt.
Thomas Eiwen war die Rolle des Eisbrechers als erstem Akt vorbehalten. Nachdem er Altgriechisch und Latinistik studiert (nicht auf Lehramt, sondern auf gut Glück), gönnte er sich einen Text über Gott und die Welt. Ob er sich bei seinem Gespräch mit Gott über ihn und die Welt selbst wirklich ernst nimmt, war auch nach seinem genialen Text nicht wirklich klar.
Klar war hingegen eines, der große Gewinner des Abends war die Kultur. Die Corona-Pandemie brachte reichlich Einschränkungen, hatte Wernecks Bürgermeister Sebastian Hauck in seiner Eröffnungsrede gesagt. Eine der am schlimmsten und nachhaltigsten betroffenen Branchen sei die Kultur. "Genau deshalb wollen wir einen wichtigen Schritt in Richtung einer neuen Normalität in Sachen Kultur gehen", so Hauck, "und vielleicht gelingt es uns, unsere über die Jahrzehnte gewachsene Kulturlandschaft wiederzubeleben und zu erhalten."