„Unverhofftes Wiedersehen“ nannte sich eine Kalendergeschichte von Johann Peter Hebel, aus dem Jahr 1811. Ein junger Bergmann aus Schweden will seine Liebste freien und verschwindet, kurz vor der Hochzeit, für immer im Berg. Die Jahrzehnte gehen ins Land, große Ereignisse ziehen in der Welt vorüber. Die Frau wird alt und grau, da taucht ihr Verlobter tief unten im Bergwerk noch einmal auf, konserviert in Kupfervitriol und um keinen Tag gealtert. Die greise Frau kann endgültig Abschied nehmen von der Liebe ihres Lebens und ihr ruhigen Herzen nachfolgen.
Laudatorin Claudia Cebulla erinnert in den Gaden nicht zufällig an den anrührenden Klassiker. Unsterblich bleiben oft die Menschen, die schon in jungen Jahren der Vergänglichkeit anheim gefallen sind, wie heutzutage manch Musikerlegende. Ähnlich morbide, aber letztlich lebensbejahend ist die Ästhetik der „Zeitreise“, in der gleichnamigen Ausstellung der Gemündener Künstlerin Brigitte Heck. „Die Zeit“, darin eingebettet die menschliche Geschichte und das Leben jedes Einzelnen, erscheinen in den Bildern als fast schon etwas Geologisches: eine Schicht überlagert wie Sediment die andere. Es sind zwanzig, dreißig Schichten oder „Notizen“ aus Steinmehl-Mischungen, aus denen buchstäblich vielschichtige Gemälde entstehen, abgeschlossen mit Pigmenten und Naturfarben, mit einer „Poesie schöner alter Oberflächen“.
Abbruchhäuser, Fabrikruinen, Wracks oder Graffitiwände liefern die Inspirationen. Was zum Ort der Vernissage passt: In der 500 Jahre alten Kirchenburg haben sich die Erbauer im Lehmfeld des Fachwerks verewigt, mit Kammstrichmuster. In den Bildern sind zufällige Collagen eingearbeitet, manchmal schimmert auch Schrift durch, wie eine Liste polnischer Namen: was Assoziationen mit den dunkelsten Schichten deutscher Geschichte wecken könnte.
Um die schnelllebige Konsum- und Wegwerfgesellschaft geht es in den Assemblagen, Montagen mit rostigen, patinaüberzogenen Fundstücken: ein „Spiegel der heutigen Zeit“. Dazu kommen Aquarellmalereien, ebenfalls mit Steinmehlmischungen auf vorbehandelten Papieren.
„Romeo & Julia“, „Vergangenes Blau“, „Pompejanum“ nennen sich die Ausstellungsstücke, oder auch: „Uns rennt die Zeit davon“. Das echte Pompejanum bei Aschaffenburg bietet eine ganz ähnliche Zeitreise: König Ludwig I. hat dort ein Haus aus der antiken Ruinenstadt Pompeji nachempfinden lassen. Sechs Künstlermitgliedschaften, eine lange Liste an Nominierungen bei Kunstausschreibungen, an Einzel- und Gemeinschaftsausstellungen, mit Schwerpunkt in Franken, über 20 000 Besucher auf der Homepage www.brigitte-heck.de: Darauf verweist Claudia Cebulla, ebenso auf das Zitat der serbischen Performerin Marina Abramovic, „Künstler schaffen Verbindungen zwischen Gesellschaft und Zukunft.“
Für den musikalischen Rahmen sorgt Luisa Steg, von der Musikschule Bad Königshofen, mit Klavierstücken von Beethoven, List und Brahms.
Die Ausstellung in den Gaden in Geldersheim ist sonntags von 15 bis 17 Uhr geöffnet – bis einschließlich 3. Juni. An einigen Tagen (6., 20. und 27. Mai sowie 3. Juni) wird die Künstlerin anwesend sein.