Was für ein Start der Tanzsaison im Theater. Die südafrikanische Choreografin und Tänzerin Dada Masilo kam mit der Dance Factory Johannesburg und spielte eine „Schwanensee“-Version, von der man noch lange reden wird. Es gibt nur ein Wort dafür: brillant.
Zwei Mal war das Theater ausverkauft zum Tournee-Auftakt der Südafrikaner, die das Stück in den nächsten drei Monaten in Europa zeigen. Zwei Mal gab es stehend dargebrachte Ovationen für das einstündige, durchgetanzte Stück.
Das erste Stück als junges Mädchen
Was macht es zu einer Perle des modernen Tanzes? Ein Paradoxon: Konsequente Dekonstruktion, verbunden mit Respekt für das Original. Als sie zwölf Jahre alt war, kam Dada Masilo zum ersten Mal mit Ballett in Berührung, der Klassiker „Schwanensee“ war ihr erstes Stück, es war sofort ihre Welt. Doch ihr war auch klar, dass sie ihre afrikanischen Wurzeln nicht verleugnen wollte und so begann sie später die Welt des 19. Jahrhunderts und des 21. Jahrhunderts zu einer bemerkenswert symbiotisch zu verweben.
Das Grundkonzept erinnert ein wenig an Matthew Bournes Schwanensee-Interpretation 1995 in London, der als erster Odette und Odile mit Männern besetzte. In Wahrheit aber hat Masilo vielleicht sogar unbewusst der am meisten beachteten und schon 1897 als Standard gesehenen Interpretation von Marius Petipa und Lew Iwanow gehuldigt, die die Schwanensee-immanente Pracht schon damals mit ausdrucksstarkem, lyrischen Tanz konterkarierten.
Ausdrucksstarke Tänzerinnen und Tänzer
Masilo besetzte mit Ipeleng Merafe eine weibliche, eindringlich und auf höchstem technischem Niveau tanzende Odette. Und mit dem unglaublich ausdrucksstarken und einfühlsamen Llewellyn Mnguni eine männliche Odile, die für den homosexuellen Siegfried (Xola Willie) die Liebe seines Lebens ist. Dessen Verzweiflung wegen der Bemühungen seiner Mutter, ihn an Odile zu verheiraten, ist dank der großartigen Leistung Willies mit Händen zu greifen.
Mit genau richtig getimten, lautstarken, fast slapstick-haften Interventionen bricht Masilo immer wieder die Konventionen, wechselt von den bekannten Tschaikowsky-Melodien zu Arrangements von Rene Avenant, Camille Saint-Saens, Arvo Pärt und Steve Reich und wieder zurück.
Und dennoch ist das alles ein großes Ganzes, auch wegen der reduzierten, meist nur durch Farbeffekte die Tänzerinnen und Tänzer in Szene setzenden Bühne.
Die pantomimischen Passagen und Tänze, eine Tradition des Balletts des 19. Jahrhunderts, finden sich auf wunderbare Weise auch in Dada Masilos Version des 21. Jahrhunderts – als moderner Tanz, der ergreifende Soli, Pas de Deux und Gruppentänze in technischer Perfektion und vor allem lange nicht gesehener Ausdrucksstärke vereint. Gänsehaut erzeugende Bilderwelten gibt es zu Hauff, insbesondere am Ende, als Masilo die Zurückweisung Siegfrieds zu Hause und später das tragische Ende des Stücks neu interpretiert.
Menschlichkeit und Liebe
Sie lässt Odile und Odette gemeinsam sterben und Siegfried verzweifelt zurück – unterm Sternenzelt, getanzt von vier Männern und vier Frauen mit nackten Oberkörpern, die es schaffen, hier den Kern des Menschseins, der Humanität und der Liebe so eindringlich zu beschreiben, dass die Nacktheit nicht im entferntesten ein effektheischender Sex-Sells-Gag ist, sondern nur eines bedeuten kann: Alle Menschen sind gleich, allen Menschen gebührt Respekt, allen Menschen gebührt Menschlichkeit. Dada Masilo hat aus einem Meisterwerk des klassischen Balletts einen Meilenstein des modernen Tanzes geformt. Mit einer Leichtigkeit, die man nicht für möglich gehalten hätte.
Ein kleiner Tipp am Ende: Vom 31. Januar bis 4. Februar gastieren Dada Masilo und ihr Team im Stadttheater Fürth. Die Fahrt lohnt sich und der aus Schweinfurt stammende Intendant Werner Müller dürfte sich auch über Heimatbesuch freuen.