
Erst spät als großer Sohn der Stadt erkannt haben die Gerolzhöfer den viel beachteten Philosophen, Pädagogen und Reform-Rabbiner Dr. Benzion Kellermann. Zu danken ist das im wesentlichen dem Kulturforum.
Nahe an seinem Geburtshaus in der Schuhstraße und am Denkmal für die jüdischen Mitbürger, die unter dem NS-Regime litten, wird am Sonntag, 10. Dezember, um 12 Uhr das Schild enthüllt, das Kellermanns Namen trägt. Dr.-Benzion-Kellermann-Stiege heißt die Treppe, die von der Schuhstraße vorbei am Anwesen Dittmeier hinab zur Bleichstraße führt.
Der Stadtrat hat beschlossen, diese Stiege nach dem gebürtigen Gerolzhöfer zu benennen. Die Initiative dazu kam vom Kulturforum Gerolzhofen.
Kellermann wurde am 11. Dezember 1869 in Gerolzhofen geboren. Am Vorabend seines Geburtstags, also am 10. Dezember um 11 Uhr hält Dr. Thorsten Lattki einen Vortag über den Geisteswissenschaftler Benzion Kellermann im Foyer des Bürgerspitals. Dazu laden die Stadt und das Kulturforum die Öffentlichkeit ein.
Lattki ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Jüdischen Kulturmuseum Augsburg-Schwaben und hat in seiner Dissertation an der Universität Erfurt Leben und Werk des Gelehrten erforscht. Vom Referenten stammt auch das Buch „Benzion Kellermann. Prophetisches Judentum und Vernunftreligion“. Lattki freut sich nach eigenem Bekunden sehr, endlich einmal in der Geburtsstadt des Mannes zu sein, über den er schon so viel geforscht hat.
Kellermann war in der wilhelminischen Ära und frühen Weimarer Republik ein führender jüdischer Geisteswissenschaftler. Er machte sich um die Verständigung zwischen Juden und Christen verdient und setzte sich für ein respektvolles und friedvolles Miteinander der Religionen ein.
Als Philosoph war Kellermann Neukantianer. Das ist eine Strömung, die sich gegen den Materialismus des 19. Jahrhunderts richtete. Dieser Materialismus stellte das Materielle über das Geistige. Die Neukantianer der Marburger Schule, zu der Kellermann gehörte, entwickelten dagegen das Interesse an einer philosophischen Begründung der politischen Theorie.
Der geborene Gerolzhöfer studierte an den Universitäten Marburg und Gießen, wo er 1896 promovierte. An der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin legte er 1902/03 das Rabbinerexamen ab. Er war dann Rabbiner und Religionslehrer in Konitz, Westpreußen. Von 1917 bis zu seinem Tod 1923 war er liberaler Rabbiner in Berlin. Beerdigt ist er auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee.