Dass die Asphaltdecke der Zehntstraße zwischen dem Marktplatz im Süden und dem Martin-Luther-Platz samt der Johanniskirche im Norden geschichtliche Zeugnisse zudeckte, war zu erwarten. Im Rahmen der aktuellen Umgestaltung der Straße kam es schon 2017 bei den Kanalbauarbeiten zu ersten Funden, die dann – in Absprache mit dem Landesamt für Denkmalschutz – den Ausschlag zur Dokumentation durch einen Archäologen während der Bautätigkeiten gaben.
Bekannt war, dass insbesondere auf der Nordseite der Zehntstraße die ehemalige Bebauung bis in den Bereich der Straße reichte, denn die frühere Zehntstraße war weit enger als die heutige. So war mit einer Vielzahl von Kellern und Fundamenten zu rechnen. An verschiedenen Stellen wurden jetzt auch Funde freigelegt und dokumentiert. Die Durchführung der Arbeiten erfolgt nach einem festgelegten Schema. Werden beim Abtragen des Oberbodens Hinweise auf Bodenfunde entdeckt, folgt eine Nachschau und die fotografische wie auch zeichnerische Dokumentation. Da bereits nach 85 Zentimetern die Zieltiefe für die archäologische Beobachtung erreicht ist und mit dem Straßenbau die Befunde im Boden konserviert werden, sind keine weiteren Grabungen in die Tiefe vorgesehen.
Nach dem Zehnthof von Stift Haug benannt
Vermerkt wurde bislang, dass nördlich des in den 1960er-Jahren errichteten Postgebäudes der Fassadenverlauf der Oberen Zehntstraße in der Vorkriegszeit beim Pfarrhof freigelegt wurde. Hierbei handelt es sich um Relikte der Südfassade einer dem Zehnthof des Stiftes Haug gegenüberliegenden Häuserzeile. Die Hofanlage des Würzburger Klosters gab der Straße ihren Namen und ist unter dem heutigen Postamt zu lokalisieren.
Belegt ist jetzt, dass die Obere Zehntstraße im Spätmittelalter, in der frühen Neuzeit und auch noch bis in das 20. Jahrhundert hinein enger war, als es die heutige Ansicht vermuten lässt. Die gefundenen Fundamente deuten auf eine Einwölbung einzelner Kellerräume hin. Ältere Pflasteroberflächen wurden von jüngeren Bauphasen überdeckt. Gefunden wurden auch Reste von (Überlauf-)Schächten und Kanälen der Entwässerung, die lange Zeit genutzt und ausgebessert wurden. Das gesamte Areal wurde im Zweiten Weltkrieg bei den Fliegerangriffen der Alliierten schwer getroffen und in der Folgezeit als öffentlicher Platz genutzt.