Für Biokraftstoff aus Rapsöl macht sich Landwirt und Ölmüller Rainer Reuß seit über 20 Jahren stark. Weil aber der nachwachsende Treibstoff immer weniger gefragt ist, fokussiert sich seine "Ölfruchtmühle Oberes Werntal" bei Ettleben, die einzige im Landkreis, stärker auf kaltgepresstes Speiseöl wie Leindotteröl.
Zwischen Berlin und Ettleben ist Rainer Reuß in den letzten Wochen hin und her gependelt. Der Land- und Energiewirt bringt seine Fachkenntnisse bei der "Nationalen Plattform 'Zukunft der Mobilität' des Bundesverkehrsministeriums ein. Dort werden Wege gesucht, um die Klimaziele 2030 im Verkehrssektor zu erreichen.
Als ehrenamtlicher Präsident des BDOel, des Bundesverbands Dezentraler Ölmühlen und Pflanzenöltechnik, hat Reuß dazu Lösungen parat. "Unser Anspruch ist weg von den fossilen hin zu den erneuerbaren Brennstoffen", erklärt er. Beim Treffen in Berlin wurde der Fokus fast ausschließlich auf Elektromobilität gelegt, berichtet er, unter anderem mit autonomem Fahren. "Zukunftsszenarien", wie sie Reuß nennt. Er plädiert stattdessen für verschiedene regenerative Energieformen. Und für Lösungen, die jetzt schon zur Verfügung stehen: "Weg vom Diesel, umstellen auf Pflanzenöl. Das ist sofort machbar".
Vor allem seine Berufskollegen in der Land- und Forstwirtschaft will der 57-Jährige animieren. "Wir können unseren eigenen Treibstoff produzieren, aus Raps, Soja oder anderen Früchten." Darüber hinaus kann man den Rapskuchen, den festen Pressrückstand, als hochwertiges Eiweißfutter für Tiere verwenden. "Wir können den Kreislauf zu Ende denken. Die Technik macht's auf jeden Fall möglich."
Als Rainer Reuß 1996 seine Ölmühle als zweites Standbein neben der Landwirtschaft eröffnete, rüstete er seine eigenen Diesel-Schlepper – vier Rapsöl-Traktoren sind es inzwischen – , den Mähdrescher und die Familienautos auf Pflanzenöl um. "Die fahren bis heute ohne Probleme." Bis zu 300 Pkw-Kunden aus der Region, die ihre Dieselfahrzeuge für etwa 2000 Euro ebenfalls umrüsten ließen, versorgte er in der Folge mit dem Natur-Sprit. Der ist im Übrigen nicht zu verwechseln mit Biodiesel an der Tankstelle, der durch die synthetische Veresterung von Rapsöl mit Methanol entsteht.
Dann aber wurde 2008 die Energiesteuer von 45 Cent pro Liter auf Rapsöl aufgeschlagen, sagt Reuß, was umrüstungswillige Autofahrer abschreckte, zumal Diesel damit billiger war. Noch dazu bewilligte die Bundesregierung 2009 die staatliche Abwrackprämie im Zuge des Konjunkturpakets, durch die viele (Diesel-)Autos verschrottet wurden und als potenzielle Umrüstwagen wegfielen.
Für den Rückgang des Natursprits habe eine nicht flächendeckende Versorgung mit dem Pflanzenöl keine Rolle gespielt, sagt Reuß: Denn wenn das Rapsöl nicht verfügbar sei, könne auch ganz normaler Diesel getankt werden.
Mangelnde Nachfrage der Bauern
Im Gegensatz zum privaten Verkehr hat die Landwirtschaft aber nach wie vor das Privileg, dass ihr die Energiesteuer zum größten Teil wieder erstattet wird. Die Traktor-Herstellerfirma John Deere bot daher 2015/2016 an, jeden Schlepper serienmäßig statt als Diesel auch als Rapsöl-Schlepper zu verkaufen. "Von 200 solchen Schleppern wurden aber nur zehn gekauft", bedauert Reuß. Die Firma habe den Verkauf jetzt eingestellt.
Ein Grund für die mangelnde Nachfrage der Bauern mag die unsichere politische Entscheidungslage zum Thema Rückvergütung der Energiesteuer sein. So verkündete die EU 2018, dass sie diese rückwirkend für 2017 streichen wolle. Aufgrund des Einspruchs des BDOel, des Bauernverbands und weiterer Organisationen wurde die Rückerstattung bis maximal 2020 verlängert. Bei Dieselfahrzeugen gibt es etwa die Hälfte der Energiesteuer zurück. "Vielleicht bekommt Rapsöl über eine mögliche CO2-Besteuerung wieder mehr Aufmerksamkeit", hofft der BDOel-Präsident.
Er legt inzwischen in seiner Ölpresse, die 700 000 Liter Kraftstoff pro Jahr produzieren könnte, das Gewicht auf Speiseöle. Denn das mechanische Kalt-Pressverfahren ist das Gleiche, es werden nur andere Filter eingesetzt und das Speiseöl in Edelstahltanks und -leitungen geführt. Gepresst wird Rapsöl, das als Vitamin E-reich gilt und eine nahezu optimale Balance zwischen Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren hat – besser als Olivenöl. Außerdem produzieren Rainer Reuß und sein Sohn Adrian auch ein leicht nussig bis erbsig schmeckendes Leindotteröl, nicht zu verwechseln mit Leinöl. Für Veganer und Vegetarier ist das laktose- und glutenfreie Speiseöl ideal, meint Reuß. Denn es enthält bis zu 40 Prozent Omega-3-Fettsäuren und viel Vitamin E.
Im Mischfruchtanbau gemeinsam mit Getreide bauen Vater und Sohn den gelbblühenden Leindotter an, der auch eine hervorragende Nahrungsquelle für Wildbienen ist. Weiterer Vorteil: Er gedeiht auch auf schlechteren Böden, ist trockentolerant, bedeckt den Boden und unterdrückt Unkraut. "Da ist keine chemische Behandlung nötig." Und: Zusätzlich zum Getreideertrag könne man auf dem gleichen Acker einen guten Ölertrag einfahren. Weil die Leindotterkörner sehr klein sind, können sie nach dem Drusch mit einer mechanischen Reinigung einfach von den Getreidekörnern getrennt werden.
Erstmals im Landkreis wird auch Bio-Leindotteröl aus eigener Erzeugung angeboten: Am Naturlandbetrieb Jakobushof in Vasbühl wurden aus der 2018er-Ernte erstmals diese Bio-Körner in der Ettlebener Ölfruchtmühle gepresst. Im Jakobushof-Hofladen ist das Bio-Öl erhältlich.