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Gerolzhofen
Pfarrer Stefan Mai: Die "Leere" und "Lehre" des Karsamstag
Pfarrer Stefan Mai
 |  aktualisiert: 16.04.2020 02:10 Uhr

Leere Straßen, leere Plätze, leere Fußballstadien, leere Spielplätze, leere Gaststätten und Biergärten, leere Theater und Konzertsäle, leere Schulen und Kindergärten, leere Züge, leere Regale: Ein komisches und manchmal bedrückendes Gefühl, das einen angesichts der „Leere“ in Corona-Zeiten beschleicht, wo der Mensch doch eigentlich die Sehnsucht nach pulsierendem Leben in sich trägt.

Das Gefühl der Leere beschleicht Menschen auch manchmal im Leben. Ich fühl mich ausgebrannt und leer. Im Hirn ist es irgendwie hohl und leer. Keine Träume, kein Antrieb, die Motivation fehlt. Und erst recht erfährt ein Mensch die bedrückende Leere, wenn ein lieber Mensch gestorben ist, wenn er mit dem leeren Platz an seiner Seite fertig werden muss.

Karsamstag - der Tag der Leere

In der katholischen Liturgie gibt es einen Tag, der die "Leere" zum Inhalt hat: den Karsamstag. Karfreitag ist vorbei - Ostern noch nicht da. Am Karfreitag steht das Kreuz vor Augen. An Ostern der Auferstandene, die Osterkerze, der überbordende Blumenschmuck in unseren Kirchen, jubilierende Musik. Karsamstag aber ist der Tag der Leere. Die Katastrophe vom Tod Jesu erzeugt bei den Freunden und Anhängern Jesu eine Schockstarre, das Gefühl einer inneren Ohnmacht und Leere. Ostern ist noch nicht in Sicht. Menschen hängen in der Luft, wissen nicht wie es weitergehen soll. Wie mit diesem Zustand fertig werden? Wie das aushalten?

Die Lehre des Karsamstag

Die eigentliche Botschaft des Karsamstag aushalten, ist nicht leicht: Wir hängen irgendwo dazwischen. Das Alte geht einem noch nach. Neues ist aber noch nicht in Sicht. Niederlagen müssen verdaut werden, aber der Weg aus der Sackgasse ist noch nicht sichtbar. Traurigkeit und Angst fressen an der Seele, ein Hoffnungslicht leuchtet noch nicht auf. In der praktizierten Frömmigkeit wird diese harte Wahrheit des Karsamstag gerne überhüpft. Da schweigen zwar die Glocken, die Ratschen klappern stattdessen in den Gassen. Das Grab Jesu ist in den Kirchen zwar aufgebaut, aber schon wird der prächtige Osterschmuck in den Kirchen hergerichtet. Und Ostern kommt wie auf Knopfdruck.

Der Karsamstag will aber eigentlich mit seiner Leere und Stille deutlich machen: Ostern ist nicht planbar. Ostern stellt sich nicht ein, wann und wie ich möchte. Der Weg von der Traurigkeit zum Halleluja-Singen, der Weg vom Niedergeschlagensein zum Himmelhochjauchzen, der Weg vom "ich weiß nicht weiter" zum "mit neuer Zuversicht voran" ist meist weit und schwer.

Der Karsamstag spielt im Empfinden der meisten Gläubigen keine Rolle. Die Leerstelle des Karsamstag hat aber im 4. Jahrhundert Eingang gefunden im Artikel unseres Glaubensbekenntnisses: "Hinabgestiegen in das Reich des Todes". Er wurde zwischen "gekreuzigt, gestorben und begraben" und "am dritten Tage auferstanden von den Toten" platziert. Auf den Osterikonen der Ostkirche wird dieser Glaubensartikel dramatisch dargestellt: Da trampelt der Gekreuzigte sein Kreuz nieder und hebt die Tür des Totenreichs aus den Angeln. Der Tod wird in Ketten gelegt und Jesus zieht Adam und Eva, die Vertreter der gesamten Menschheit, aus dem Dunkel des Todes heraus.

Für mich ein starkes Hoffnungsbild. Ob ich aus einem solchen Bild einmal Zuversicht schöpfen kann, wenn mir ein Karfreitag im Leben zugemutet wird, Ostern noch lange nicht in Sicht ist, und ich nicht weiß, woher die Kraft nehmen? Ob ich es dann glauben kann, da kommt der Gekreuzigte auch in mein Dunkel, nimmt mich bei der Hand und zieht mich heraus?

Ich weiß es nicht. Aber ich hoffe es und bete darum, in diesem Glauben die Leere des Karsamstag in meinem Leben aushalten zu können.

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