"Hallo, hallo, schön dass Ihr da seid und nicht anderswo": Zur Begrüßung gab es ein Lied, im Kinderhaus des "Ankerzentrums". Seit fünf Jahren schauen die Pfadfinder in der Weihnachtszeit vorbei, im Asylbewerberheim, mit dem "Friedenslicht aus Bethlehem", das im Rahmen einer Lichterstaffette des österreichischen Fernsehens alljährlich in die Welt hinausgeschickt wird.
Die Pfadis des Stamms "Eyrich von Münster" haben die Lampe am Würzburger Bahnhof abgeholt, und hatten sie schon im Niederwerrner Altenheim dabei, ebenso im Kindergarten. Am 22. Dezember soll noch die Dorfkirche folgen, an Heiligabend die Gustav Adolf-Kirche in Schweinfurt.
Nun sind die Conn Barracks an der Reihe. Ein geschichtsträchtiger Grund und Boden: Vor 80 Jahren trainierten hier noch deutsche Stuka-Flieger für den Krieg. Dann kam die US-Armee und richtete sich mitten in Franken ein kleines Stück Nordamerika ein. Nach dem Abzug 2014 wurden auf einer Teilfläche Flüchtlinge mit Bleiberecht untergebracht. In diesem Jahr ist das "Ankerzentrum" aus den Schweinfurter Ledward Barracks an den Rand von Geldersheim umgezogen, als Erstaufnahmeeinrichtung.
Es regnet, gut, dass der Einfahrtsbereich überdacht ist. Christa und Eginhard Müller sind da, Pfadfinder-Leiter aus Oberwerrn, außerdem die VCP-Jungpfadfinder Edilia, Madeleine und Felix. Christine Steinmüller ist bei der Caritas, die zusammen mit der Diakonie das Kinderhaus betreut, zuständig für Flüchtlings- und Integrationsberatung. Yener Yildirim, Verantwortlicher des Ankerzentrums, schleust die Besucher unbürokratisch durch die Security.
Auch Vizelandrat Peter Seifert schaut vorbei, mit Schokoküssen. Der ehemalige Bürgermeister von Niederwerrn erinnert sich noch gut an Empfänge auf dem US-Militärgelände, an krachende Salutschüsse und den Wohnblock der Ersten Schwadron der "4th U.S. Cavalry", die mal Pateneinheit der Gemeinde Niederwerrn war. Die Kavallerie ist weitergezogen. Nur ein Burgerking-Schild und die Straßennamen erinnern noch ans Little America der Nuller-Jahre. Die weitläufige, ruhige, begrünte Ankerzone wirkt heute halbleer, aber nicht unfreundlich: eine Art Seefahrermission im Hafen einer stürmischen Welt, kein Hochsicherheitstrakt. Ein sommerlich gekleideter junger Afrikaner scheint vom Fahrrad gefallen zu sein: Nur ein kleiner Aufreger auf regenglatter Straße.
Erstmals in der Kapelle
Schon im Kinderhaus wird gesungen. Zwei- bis Zwölfjährige werden hier unter der Woche betreut, 60 bis 80 Kinder schätzt Christine Steinmüller unter etwas mehr als 600 Bewohnern. Kristian Gerhardt schließt sich dem Spaziergang an, der Neugierige für die kleine Feier "einsammeln" soll. Der Koordinator für Gewaltprävention verweist aufs "Frauenhaus" als besonders geschützten Teil der Einrichtung, wo alleinreisende Frauen mit Kindern untergebracht sind: "ein internationaler Standard in der Flüchtlingshilfe", sagt der Pädagoge.
In diesem Jahr wird das Friedenslicht erstmals in der "Chapel", der Kapelle, überreicht, als Treffpunkt für Menschen aller Religionen. Die Kinder stammen aus Nigeria, Côte d´Ivoire (der Elfenbeinküste), Somalia, Algerien, auch Armenien. "Mut zum Frieden" lautet das Motto 2019, das Friedenslicht soll alle Menschen ermuntern, die guten Willens sind. Die Pfadfinder singen mit Christa Müller ein Lied. Die Flüchtlingskinder umkreisen Lämpchen, zu Gitarrenklängen ihrer Betreuerinnen: "Wir tragen das Licht in die Welt". Das passt, findet Herr Yildirim in einer kurzen, freundlichen Schlussrede. Die Eltern des Würzburgers sind schon in den 1960er-Jahren als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen, Migrationsgeschichten sind ein weites Feld. Es gibt Geschenke und Friedenslichter für alle.
Die Eltern schauen der kleinen Feier zu, im milden Schein eines Weihnachtsbaums, und sind wie die Kinder froh über die Abwechslung. Ein Ivorier, aus der Millionenstadt Abidjan, nimmt stolz seinen Sohn David auf den Arm, neben einem Freund aus Nigeria. Es ist für ihn der erste Winter im kleinen Schweinfurt: "Aber so kalt ist es hier gar nicht."