Schon zum 27. Mal haben sich die Ringsträßler zum Ringstraßenfest getroffen. „Känguruhviertel“ nannten sie den aufstrebenden Teil von Gernachs Norden in ihrer Gründungszeit, nach dem Motto: „Leere Beutel – große Sprünge“. Fast alle hatten neu gebaut. Daher waren die Beutel leer, aber große Sprünge wollten sie doch machen.
Inzwischen sind die Schulden weitgehend getilgt, und die Ringsträßler fahren in ruhigeren Gewässern. Wie Bürgermeister Horst Herbert machen sie sich Sorgen um die demografische Entwicklung ihrer kleinen Gemeinschaft: Lediglich drei schon erwachsene oder bald erwachsene Kinder waren anwesend, drei waren aus der großen weiten Welt zum Ringstraßenfest in ihr Heimatdorf angereist und wurden willkommen geheißen. „Wie geht es weiter mit der Ringstraße“, lautete die zunächst bange Frage. Je später der Abend, desto zuversichtlicher wurden die Bürger. Vielleicht richtet man einen Fahrdienst ein? Oder man trifft sich wieder häufiger am Mäuerle, und bespricht, wie man sich gegenseitig unterstützen kann?
Die Strukturen in der Ringstraße bleiben stabil – vielleicht gerade deshalb, weil die Ringsträßler immer älter werden: Die Ringstraßen-Gemeinschaftsordnung, die sie sich vor 27 Jahren gegeben haben, hat immer noch Bestand. Sie sieht vor, dass jährlich ein Ringstraßenbürgermeister zu wählen ist, dem die Einwohner der Ringstraße gebührend huldigen müssen, auch wenn es mit der Verneigung vor ihm aufgrund von Rückenproblemen bei dem einen oder der anderen nicht mehr so klappt.
In diesem Jahr wurde Peter Singer als Bürgermeister gewählt. Er ist aus der Mainschleife zugewandert, die Integration in die Ringstraßengemeinschaft ist voll gelungen, so dass er eine große Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigen konnte. Er betonte, dass er für Homestorys nicht zur Verfügung stehe, nur so viel verriet er aus seinem Privatleben: „Ich bin Bayern-Fan.“ Und noch etwas ist bekannt: er wohnt mit seiner Lebensgefährtin Simone, die in Finanzdingen bewandert ist, im gleichen Haus wie der erste Ringstraßenbürgermeister, Otto Kaupert.
Die Sekretärin im Ringstraßen-Bürgermeisteramt, Gaby Berchtold, bedankte sich bei der scheidenden Bürgermeisterin, Maria Wolf, für ihre hervorragende Amtsführung und überreichte ein kleines Präsent, finanziert aus der Ringstraßenkasse. Anschließend übergab Maria Wolf die Amtskette – auf ihr sind alle Ringstraßenbürger mit einem kleinen Konterfei verewigt – an ihren Nachfolger.
Die erste Aufgabe des Ringstraßenbürgermeisters: für das Ringstraßenfrühstück am Samstag früh die Brötchen abzuholen. Erscheinen zu diesem Frühstück ist für alle Ringstraßenbürger Pflicht. Eine weitere Aufgabe des Ringstraßen-Gemeindeoberhaupts ist es, bei runden Geburtstagen und Ehejubiläen eine kleine Geldspende bei den Ringstraßenbürgerinnen und -bürgern für ein Geschenk einzuheben. Auch bei Trauerfällen zeigt die Ringstraße ihre Anteilnahme. Eine weitere wichtige Pflicht ist die Organisation der herbstlichen Weinprobe, des Nikolausfestes und des Ringstraßenfestes. Dieses findet immer kurz vor den Sommerferien statt.