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Per Elektrowinde in die Wolken
Beim Seilwindenstart hebt der Pilot Alfred Tareilus nach wenigen Schritten ab und steigt.
Foto: Ralf Morgenroth | Beim Seilwindenstart hebt der Pilot Alfred Tareilus nach wenigen Schritten ab und steigt.
Silvia Eidel
 |  aktualisiert: 02.04.2019 10:28 Uhr

Unter sich der Main, die Felder, Wiesen, Wälder, über sich die Wolken. Lautlos durch die Luft gleiten, die Heimat rund um Schweinfurt aus anderer Perspektive sehen. Die 14 Mitglieder des Vereins „Schweinfurter Gleitschirmfreunde“ erfüllen sich seit zehn Jahren diesen Wunsch in der Region, neuerdings gar mit einer selbst entwickelten umweltfreundlichen Elektrowinde.

Für die zehn Männer und vier Frauen ist Gleitschirmfliegen eine faszinierende Sportart. Eine, die aber immer Aufsehen erregt, gerade wenn die Piloten von Feldwegen aus per fahrendem Auto und Seilwinde hoch in die Luft geschleppt werden. Und die bei Landwirten für Skepsis gesorgt hat.

Die meisten Piloten starten im Flachland

„Beim Gleitschirmfliegen denkt man immer an einen Start an einem Berg“, meint der Vereinsvorsitzende Ralf Morgenroth. Dabei starten die allermeisten der 35 000 Piloten in Deutschland im Flachland mittels Winde.

Nur wenige geeignete Fluggelände stehen den Luftsportbegeisterten im Landkreis Schweinfurt zur Verfügung. 2009 erhielt die damalige Interessensgruppe „Gleitschirmfreunde Unterfranken“ von der Gemeinde Euerbach die Erlaubnis, auf dem Firstweg zwischen Sömmersdorf und Euerbach mit Ost-West-Ausrichtung sowie am Franzosenweg bei Obbach mit Nord-Süd-Ausrichtung zu starten. „Das war ein Filetstück“, schwärmt Morgenroth zu dem letztgenannten Startplatz, zumal die dortigen Nordwinde besonders thermische Winde sind, die die Flieger hoch und weit tragen.

Suche nach neuem Fluggelände

Das macht sie allerdings auch für Windräder interessant, die dort 2015 errichtet wurden und keinen Flugbetrieb mehr zuließen. Deshalb suchten die Schweinfurter Gleitschirmfreunde, die im gleichen Jahr einen eingetragenen Verein gründeten, neue Fluggelände. Was schwierig war, weil überall dort, wo für sie günstige Bedingungen herrschen würden, bereits die Windmüller aktiv waren.

Fündig wurden sie schließlich in der Gemeinde Schonungen auf sechs Feldwegen. „Das war ein Glücksfall“, freut sich Morgenroth über die Erlaubnis der Gemeinde im Herbst 2015. Denn die Startstrecken sind ideal, auf Hochebenen mit Südwestlage und dem offenen Maintal, mit herrlicher Weitsicht und hervorragender Thermik. „Wir fliegen dort auf historischem Fluggelände“, erklärt der Vereinsvorsitzende. Bekannte Flugpioniere starteten dort schon 1926 mit selbst gebauten Segelgleitern.

Aufgrund der guten Windverhältnisse genügen den Gleitschirmfliegern kürzere Startstrecken. Ein fahrendes Renault-Cabrio mit eingebauter Seilwinde dient den Piloten als Schlepper. „Normalerweise wird mit statischer Winde gestartet, bei der das Seil zum Piloten gezogen wird“, sagt Morgenroth. „Wir aber haben eine mobile Winde“.

Wenn das vereinseigene Schleppauto losfährt, beginnt die Winde, das Seil, an dem der Pilot mit einer Auslöseklinke eingehängt ist, von der Trommel abzuspulen. Da das Seil von der gebremsten Trommel langsamer abrollt als das Auto fährt, wird eine voreingestellte Zugkraft auf den Piloten ausgeübt. Er beginnt aufzusteigen und gewinnt an Höhe.

Für den Schlepp-Prozess hat einer der Flieger, Ingenieur Alfred Tareilus, gerade eine eigene Elektrowinde entwickelt, deren Komponenten aus der Hybrid-Technik von Autos stammen. Die Musterprüfung für Luftsportgeräte ist beim DHV (Deutscher Hängegleiterverband) beauftragt, eine Erprobungszulassung wurde bereits erteilt. Im Herbst soll die Prüfung abgeschlossen werden.

Auf's Kilo genau reguliert

„Bisher hatten wir die Zugkraft relativ einfach über die Bremsbacken eingestellt“, sagt Morgenroth. „Heute haben wir ein Bedienpult“. Gab es früher beim Pilotengewicht eine größere Toleranz, so reguliert das neue System aufs Kilo genau. Auch wenn bei der Vorabnahme der Gutachter begeistert war: „Diese Elektrowinde soll ein Einzelstück bleiben“, sagt Morgenroth.

Bis über 2000 Meter hoch können die Gleitschirme bei guter Thermik am Schonunger Galgenberg fliegen. Rekordflüge reichten bis nach Ulm oder Chemnitz.

Die Ausbildung zum Gleitschirmpiloten beinhaltet natürlich die Kenntnisse des Wettergeschehens. Außerdem braucht man Technikverständnis, meint der Vereinsvorsitzende. Und anfangs, gesteht er, kostet es zudem Überwindung, hoch in die Luft zu steigen und wie ein Vogel zu gleiten. Aber dann lässt einen die Faszination nicht mehr los.

Am Firstweg bei Sömmersdorf hebt ein Gleitschirmflieger ab.
Foto: Silvia Eidel | Am Firstweg bei Sömmersdorf hebt ein Gleitschirmflieger ab.
Fachgespräche an der neuen Elektrowinde führen hier der Entwickler Alfred Tareilus (rechts) und Gleitschirmpilot Alexander Schraud.
Foto: Ralf Morgenroth | Fachgespräche an der neuen Elektrowinde führen hier der Entwickler Alfred Tareilus (rechts) und Gleitschirmpilot Alexander Schraud.
 
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