20 Jahre lang sichere Pachteinnahmen oder bis zu zehn Hektar Land von einigermaßen hoher Bonität, das die Landwirtschaftweiter nutzen kann? Das war die Kardinalfrage bei der intensiven Diskussion im Stadtrat über den Antrag eines privaten Investors, der auf dem weitläufigen städtischen Gelände westlich der Bahnlinie zwischen Kompostanlage und Kläranlage eine Freiflächen-Photovoltaik errichten möchte.
Die Abstimmung brachte ein 9:9-Patt. Das heißt, der Antrag ist abgelehnt und es bleibt erst einmal alles beim Alten. Gegen die Verpachtung und damit gegen die Anlage stimmten die vier SPD-Räte Susanne Wilfling, Erich Servatius, Lukas Bräuer und Burkhard Tebbe, weiter Burkhard Wächter, Alfred Hügelschäfer und Christian Ach von der CSU sowie Heinz Lorz (Bürger für Gerolzhofen) und Hubert Zink (Freie Wähler).
Im Flächennutzungsplan ist ein teil des Gebiets als Gewerbefläche, der Rest als landwirtschaftliche Fläche eingezeichnet. Nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) werden seit 2010 nur noch Freiflächenanlagen vergütet, die auf bereits versiegelten Flächen oder sogenannten Konversionsflächen wie Deponien, Abraumhalden, Truppenübungsplätzen und Munitionsdepots oder in maximal 110 Meter Abstand von Autobahnen oder Bahnlinien entstehen.
Damit will der Gesetzgeber sicherstellen, dass nicht zu viel landwirtschaftliche Fläche für Freiflächen-Anlagen geopfert wird. In Gerolzhofen ist also im Grunde die Bahnlinie das Kriterium für eine Anlage, obwohl dort schon lange kein Zug mehr fährt. „Geld ist nicht alles“, machte sich Burkhard Wächter zum Wortführer der Gegner. 2015 sei zum „Jahr der Böden“ ausgerufen, die immer knapper werden. Damit steigen die Preise. Deutschland importiere im Moment bereits mehr Lebensmittel als es exportiere.
Das Gelände im Norden der Gemarkung habe eine Bodenbonität zwischen 48 und 58, sei also sehr ertragreich. Zudem werde in der Region bereits mehr Strom erzeugt als gebraucht werde. Die Stadt würde sich außerdem ihrer Tauschflächen berauben. Wächters Konklusion: „Es wäre falsch, diese Flächen zu verpachten. Damit ziehen wir unser letztes Hemd aus.“
Wenn das Areal Tauschfläche sein soll, dann müsste man es aus jeglicher Überplanung herausnehmen, konterte Bürgermeister Thorsten Wozniak. Die Energiewende sei nun mal beschlossene Sache und da wäre das Gelände an den Bahngleisen der richtige Platz für eine Photovoltaik-Anlage. Außerdem müsse sich die Stadt eine regelmäßige Einnahmequelle verschaffen. Währen der Diskussion war über die Laufzeit von 20 Jahren von einem Betrag im mittleren sechsstelligen Bereich die Rede, ein Vielfaches dessen, was die Stadt momentan durch die Ackerpacht einnimmt. Auf diese Einnahmen zu verzichten, wäre auch in den Augen von Arnulf Koch „leichtsinnig“.
Hubert Zink wies auf die jetzt schon kaputten Drainagen hin. In 20 Jahren wäre das Gelände versumpft. Thomas Vizl erkannte an, dass die Landwirtschaft Flächen braucht, weil die Betriebe heutzutage eine gewisse Größe haben müssen. Dennoch: Wenn das Gebiet gewerblich bebaut werden sollte, sei es für die Landwirtschaft endgültig verloren, mit Photovoltaik nur für 20 Jahre. Bei den neuen Energieformen müssten ländliche Gebiete auch Städte mitversorgen.
Mit nur 18 Quadratkilometern habe Gerolzhofen auch im Vergleich zu anderen VG-Gemeinden eine kleine Gemarkungsfläche, argumentierte Lukas Bräuer. „Angesichts dessen zehn Hektar aus der Nutzung zu nehmen, ist falsch.“
Dass irgendwann auch mal Fläche für eine Kläranlagenerweiterung nötig sein könnte, warf Rainer Krapf in die Diskussion. Allerdings sei das Grundstück weder für Wohnbebauung noch Gewerbe attraktiv, so dass man es für Photovoltaik nutzen könne.
Obwohl Verwaltungsleiter Johannes Lang drauf hinwies, dass der Antrag nicht auf eine Überbauung der gesamten Fläche ziele und die Stadt bei allen Planungsschritten immer die Hoheit behalte, ging die Abstimmung unentschieden und damit zuungunsten des Antragstellers aus.
In unserer dicht besiedelten Region muss dieser Flächenfraß gestoppt werden. Das gilt natürlich erst recht für GEO.
Windkraft: der Landwirtschaft geht nur eine relativ kleine Fläche für die Fundamente der Anlagen und für eine Trafostation verloren.
Freiflächen-Photovoltaik: Die Landwirtschaft verliert die Fläche, aber für die Natur ergeben sich unter und neben den Solarmodulen neue Räume. Die Umweltbilanz sieht hier nach meiner Meinung gar nicht so schlecht aus. Und wenn die Stadt dabei auch noch ein paar Euro verdient? Warum nicht.
Nach 20 Jahren kann alles wieder einfach abgebaut werden und die Landwirtschaft könnte den Grund wieder nutzen.
Thomas Vizl
Mitglied des Stadtrats in Gerolzhofen
Welche Art der Energiegewinnung möchten Sie in Ihrem Umfeld haben?
Mit Verlaub, das war doch kein Argument, sondern eher ein ein Satz wie "Nachts ist es kälter als draußen". Wieso will man eine Kommune wie Gerolzhofen, die sich seit ein paar Jahrhunderten rühmt Stadt zu sein plötzlich mit Umlandsgemeinden vergleichen die selbst längst auch keine Agrarhotspots mehr sind? Hat man bei der Geo-SPD neuerdings etwa "Subsistenzwirtschaft" für Kleinstädte mit ins Wahlprogramm aufgenommen? Anders wäre es nicht zu erklären wenn man plötzlich 0,56% der Gemarkung nicht "aus der Nutzung" nehmen will. Zumal man über den Begriff (agrarischer) "Nutzung" noch einmal reden sollte, nicht weniger solcher Photovoltaik-Freiflächenanlagen sind ja bekanntlich fest-eingezäunte Bio-Weideplätze.